Neuer Experte hilft Kindern mit Muskelschwund
24.04.2019 -
Prof. Dr. Janbernd Kirschner will jetzt am Universitätsklinikum Bonn die Neuropädiatrie etablieren.
Zudem übernimmt er dort die Leitung des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ). Der 50-Jährige ist ein Spezialist für Säuglinge, Kinder und Jugendliche mit Erkrankungen des Gehirns, der Nerven und der Muskeln.
Seine akademische Ausbildung führte ihn unter anderem für zwei Jahre an das Children`s Hospital of Philadephia in den USA. Dort begann er seine klinische Forschung rund um Ursachen und optimale Behandlung von erblich bedingten Muskelschwund-Erkrankungen wie Spinale Muskelatrophie (SMA) und Muskeldystrophie von Typ Duchenne (DMD). Bevor er nun dem Ruf nach Bonn folgte, leitete er kommissarisch seit 2017 die Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen am Universitätsklinikum Freiburg, wo er auch studierte und seine Facharztausbildung absolvierte.
Prof. Kirschner betreut Säuglinge, Kinder und Jugendliche mit Verletzungen, Fehlbildungen oder Krankheiten des Gehirns, der Nerven oder der Muskeln. Neben der Versorgung akuter Erkrankungen ist ihm wichtig, Entwicklungsstörungen und chronische Erkrankungen möglichst früh zu erkennen und optimal zu behandeln. Dabei beschäftigt er sich im Rahmen seiner klinischen Forschung schwerpunktmäßig mit neuromuskulären Erbkrankheiten mit meist schwerem Verlauf und geringer Lebenserwartung. So ist beispielsweise SMA zwar eine seltene Erkrankung, aber die häufigste genetische Todesursache im Kindesalter. „Bisher haben wir nur die Symptome solcher Erkrankungen behandeln können, aber jetzt sind wir dank der rasanten Erforschung der genetischen Ursachen auf einem guten Weg zu wirksamen, innovativen Therapien“, sagt Prof. Kirschner.
Neue Chancen dank Paradigmenwechsel
So beteiligt sich der neue Bonner Neuropädiater an internationalen Studien zur Erprobung neuer Wirkstoff zur Behandlung von Muskelkrankheiten. Mit dem Wirkstoff Nusinersen ist bereits eine erste spezifische Therapie für die SMA zugelassen. Für eine neuartige Gentherapie wurde eine Zulassung beantragt. Bei der vererbbaren neurodegenerativen Erkrankung gehen motorische Nervenzellen vor allem im Rückenmark nach und nach unter. So können Impulse vom Gehirn nicht an die Muskeln weitergegeben werden. Das führt zu einem fortschreitenden Abbau und Schwäche der Muskulatur. „Die neuen Therapien haben das Potential den Krankheitsverlauf deutlich zu verbessern“, sagt Prof. Kirschner. „Am beeindruckendsten sind die Ergebnisse, wenn wir Säuglinge bereits vor den ersten Symptomen behandeln. Sie zeigen dann fast eine normale Entwicklung.“ Daher setzt sich der Neuropädiater dafür ein, das Neugeborenen-Screening um einen SMA-Test zu erweitern. Zudem hat er das internationale SMArtCARE-Register initiiert, um Verlaufsdaten von möglichst vielen SMA-Patienten unabhängig von der Therapie zu sammeln.
Jetzt freut sich Prof. Kirschner darauf, am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn eine Neuropädiatrische Abteilung als weitere Säule zu etablieren „Das neuromuskuläre Zentrum für Erwachsene und das Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Bonn bieten hier sehr gute Anknüpfungspunkte.“ Dabei setzt er auf eine enge Zusammenarbeit mit den Neurologen, Epileptologen und Neurochirurgen auf dem Venusberg-Campus sowie den Wissenschaftlern am benachbarten Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen DZNE.
Teilhabe am normalen Alltag sichern
Besonders am Herzen liegt Prof. Kirschner das Sozialpädiatrische Zentrum am Universitätsklinikum Bonn, dessen Leitung er übernimmt. Dort finden Säuglinge, Kinder und Jugendliche Hilfe, die aufgrund einer chronischen Erkrankung in ihrer Entwicklung gestört beziehungsweise von einer Behinderung bedroht oder bereits betroffen sind. „Wir bieten ihnen eine allumfassende Versorgung. Denn auf der einen Seite brauchen diese jungen Patienten eine hochqualitative, komplexe universitäre Behandlung, auf der anderen Seite haben die körperlichen Probleme auch psychische und soziale Auswirkungen“, weiß Prof. Kirschner. Daher bündelt am SPZ ein multiprofessionelles Team von Ärzten, Psychologen und Therapeuten sein Wissen und steht den jungen Patienten und deren Familien nicht nur in gesundheitlichen Fragen zur Seite. Ziel ist es, ihnen ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Das neurowissenschaftlich internationale Umfeld macht für Prof. Kirschner einen besonderen Reiz von Bonn aus. Hinzu kommen das Grün und die Nähe zum Rhein, die den verheirateten Vater von zwei erwachsenen Kindern motivieren, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. „Auch nach dem Umzug in das neue Eltern-Kind-Zentrum ‚ELKI’ auf dem Venusberg-Campus möchte ich dies gern beibehalten“, sagt Prof. Kirschner.