Neues Ressort für Infektiologie und Antibiotic Stewardship in der Helios Region Ost
03.02.2021 - Corona hat vieles verändert. Die Infektionsmedizin ist wichtiger denn je. Helios stellt sich den kommenden Herausforderungen von Pandemien und dem wachsenden Problem der Multiresistenz.
PD Dr. med. Irit Nachtigall wird neue Regionalleiterin für Infektiologie und Antibiotic Stewardship. Einer der Schwerpunkte des neuen Ressorts ist die Beratung bei infektiologischen Fragestellungen sowie die interdisziplinäre Vernetzung von Experten.
„Mit PD Dr. med. Irit Nachtigall, MHBA, konnten wir eine sehr engagierte Ärztin aus den eigenen Reihen als neue Regionalleiterin für Infektiologie und Antibiotic Stewardship gewinnen, die mit ihren bisherigen Erfahrungen im Ressort Hygiene und ihren Forschungen zur Infektiologie umfangreiche Kenntnisse mitbringt. Wir schaffen so eine optimale Vernetzung unter den Kliniken, um den künftigen Herausforderungen zu begegnen. Diese Stelle ist eine Neuerung im Gesundheitswesen“, sagt Prof. Sebastian Heumüller, Regionalgeschäftsführer der Helios Region Ost.
PD Dr. med. Irit Nachtigall ist Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin. Bereits seit 2005 forscht sie im Bereich der Infektionsmedizin, unter anderem zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen und zum Wissensmanagement. In 2015 hat sie sich zum Thema „Auswirkung einer Implementierungsstrategie zur evidenzbasierten Antibiotikatherapie“ habilitiert. Seit Februar 2017 ist sie Regionalleiterin Krankenhaushygiene der Helios Region Ost. In dieser Funktion war sie Herausgeberin der renommierten Helios Studie zu COVID-19 Patient:innen. Im Jahr 2018 schloss sie ein Masterstudium im Bereich Health Care Management an der Universität Nürnberg mit einem MHBA ab. Ebenfalls seit 2018 leitet sie die AG Antibiotika Surveillance der Helios Kliniken. Unter ihrer Leitung sind verschiedene Handlungsempfehlungen zu den wichtigsten Infektionserkrankungen entstanden.
Schwerpunkte Infektiologie: Im Kampf gegen Viren, Bakterien und Pilze
Das Fachgebiet der Infektiologie ist auf die Diagnostik, Therapie und Vorbeugung von Infektionskrankheiten mit schwer beherrschbaren oder seltenen Erregern spezialisiert. Einer der Schwerpunkte des neuen Ressorts ist die Beratung interner und externer Kolleg:Innen bei infektiologischen Fragestellungen.
„Wir haben bei Helios eine sehr große Datenbank, in der die wichtigsten Infektionen mit multiresistenten Erregern aufgezeichnet sind. Das ist eine gute Datenbasis, die uns bei der Evaluierung der größten Bedarfe hilft. Auch schauen wir uns seit 2019 die Entwicklung von Infektionen von zentralen Venenkatheter, Blasenkatheter und bei intubierten Patienten an. Bisher weniger berücksichtigt sind die Blutstrominfektionen. Hier möchten wir zeitnah jeder Ärztin und jedem Arzt, der eine Patientin oder einen Patienten mit einem positiven Befund in der Blutkultur betreut, eine telefonische Beratung anbieten“, so die erfahrene Ärztin.
Deutschlandweite Studie zu COVID-19 Intensiv-Patient:innen
Bereits im August 2020 veröffentlichte ein Experten-Team um PD Dr. med. Irit Nachtigall eine erste klinische Studie zu COVID-19 Patient:innen in Deutschland. Hiernach müssen zwei von drei COVID-19-Intensivpatienten in Deutschland künstlich beatmet werden. Jeder dritte beatmete Intensivpatient verstirbt, von den nicht beatmeten Intensivpatienten mit einer Covid-19 Infektion etwa jeder Vierte.
Das Experten-Team wertete die Daten von insgesamt 1.904 Patientinnen und Patienten aus, die seit Beginn der Pandemie in den insgesamt 86 Krankenhäusern der Helios Gruppe mit COVID-19 aufgenommen wurden. Die Analyse der fortlaufenden Studie zeichnet nicht nur die Frühphase der Pandemie nach, sondern berichtet auch über alle mit COVID-19 aufgenommenen Patientinnen und Patienten über einen 4-monatigen Zeitraum bis Mitte Juni. „Die Studie war die erste ihrer Art in Deutschland. Sie berichtet über alle COVID-19-Patient:innen, die innerhalb des Helios Netzwerks – von der kleineren Spezialklinik bis zur Universitätsklinik – behandelt wurden“, erklärt PD Dr. med. Irit Nachtigall. „Derzeit sind wir dabei auch die Daten der zweiten Welle auszuwerten und nach Geschlechterunterschieden zu untersuchen.“
Schwerpunkt Antibiotic Stewardship: Antibiotika-Resistenzen bekämpfen
Zahlreiche Antibiotika sind heutzutage für verschiedene Erreger wirkungslos und es werden immer mehr. Die WHO warnt, dass es bald mehr Tote durch multiresistente Erreger geben wird, als durch Krebserkrankungen. Bakterien, die gegen bestimmte Antibiotika resistent sind oder Resistenzen erworben haben, werden durch eine Behandlung nicht mehr gehemmt oder abgetötet. Sie können sich ungehindert vermehren und ihre Resistenz-Gene auch auf andere Bakterien übertragen. So breiten sich Resistenzen aus.
„Die Masse an Informationen zur Wirkweise und zum Einsatz der fast 200 in Deutschland zugelassenen Antibiotika ist einfach zu umfangreich für die tägliche Arbeit. Eine Integration dieses Wissens in den Klinikalltag ist oft schwierig, weil es nirgends gebündelt vorliegt. Als Antibiotic Stewardship Expertin habe ich einen Überblick über aktuelle Leitlinien und Entwicklungen und unterstütze unsere Ärztinnen und Ärzte bei der Therapiewahl, auch indem ich sie kontinuierlich schule und komprimierte Leitlinien für den Alltag zur Verfügung stelle“, so. PD Dr. med. Irit Nachtigall. „Wenn wir frühzeitig bessere Therapien ansetzen und sensibler im Umgang mit Antibiotika sind, legen wir einen wichtigen Grundstein für die dauerhafte Wirksamkeit von Antibiotika-Medikamenten und arbeiten aktiv gegen zunehmende Resistenzen. Für den klinischen Bereich sind wir bereits auf einem guten Weg, was die aktuellen Verbrauchszahlen belegen.“
Fachgruppenreview zu multiresistenten Erregern
Aufgrund der multiresistenten Erreger erleiden jedes Jahr in Deutschland etwa 30.000 bis 35.000 Patienten eine Infektion, die mit einem Krankenhausaufenthalt oder einer stationären medizinischen Maßnahme zeitlich im Zusammenhang steht.
„Durch das regelmäßige Peer-Review Verfahren wollen wir kontinuierlich besser werden und die Antibiotikaverbrauchszahlen weiter optimieren, sowohl hinsichtlich der Menge als auch der Substanzauswahl. Ziel ist, zu ermitteln, in welchen Kliniken besonders viel verordnet wird, bzw. mit einem Wirkprofil, welches nicht zu der Klinik passt und sich dadruch Resistenzen und Kollateralschäden bilden“, erläutert Priv.- Doz. Dr. Irit Nachtigall. „Zu den Todesfällen an multiresistenten Erregern haben wir bereits eine Studie durchgeführt. Das Ergebnis aus 2019 überraschte: Es versterben in unseren Kliniken deutlich weniger Patienten an den Infektionen als erwartet. Das Review ergab, dass von den im Jahr 2016 insgesamt 714.108 behandelten Patient:innen 1.136 eine Krankenhausinfektion mit einem MRE hatten. 215 von ihnen verstarben, davon aber nur circa die Hälfte am Erreger, der Rest an den schweren Grunderkrankungen.“
Ausbildung und Schulung
„Wir haben in der Helios Region Ost viele Kolleginnen und Kollegen, die in den Bereichen Infektiologie und Antibiotic Stewardship arbeiten. Innerhalb des neuen Ressorts wollen wir die Professionen zusammenzubringen und gemeinsame Konzepte entwickeln. Auch das Thema Ausbildung und Schulung spielt eine entscheidende Rolle. So werden wir Online-Kurse und E-Learning Formate konzipieren, wodurch eine flächendeckende Ausbildung möglich wird und wir so für möglichst viele Patienten die Therapie verbessern“, sagt Dr. med. Christine Marx, Medizinische Regionalgeschäftsführerin der Helios Region Ost.
Die Helios Region Ost umfasst 20 Kliniken – vom Maximalversorger über den Spezialversorger bis hin zum Basisversorger - und 45 Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen sowie Sachsen-Anhalt. Rund 18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich hier täglich auf qualitativ höchstem Niveau um das Wohl der Patienten.
Neue Regionalleiterin Hygiene
Alicia Neubeiser wird neue Regionalleiterin der Krankenhaushygiene. Die 42-jährige ist Fachärztin für Physikalisch/Rehabilitative Medizin, Chirotherapie und Akupunktur sowie Krankenhaushygienikerin am Helios Klinikum Berlin-Buch. „Ich freue mich auf die neue regionale Tätigkeit für die Krankenhaushygiene und die Zusammenarbeit mit den zehn Krankenhaushygienikerinnen und Krankenhaushygienikern in unserer Region. Gerade in dieser herausfordernden Zeit ist die Krankenhaushygiene eine wichtige Säule unserer Krankenhäuser. Durch die Vernetzung mit den Ressorts Infektiologie und Antibiotic Stewardship werden wir uns noch professioneller und interdisziplinärer aufstellen“, sagt Alicia Neubeiser.