Aus den Kliniken

Neues Schockraum-Konzept für Erstversorgung von polytraumatisierten Patienten

28.03.2012 -

Das Interdisziplinäre Notfallzentrum am Universitätsklinikum Bonn versorgt jeden Tag rund um die Uhr Notfälle - jährlich etwa 25.000 - auf höchstem Niveau. Für die Erstbehandlung der etwa 450 Schwerstverletzten pro Jahr gibt es dort ein neues Schockraum-Konzept.

Unter anderem soll durch eine bessere Kommunikation effektiver gehandelt werden, um so die Sicherheit für die Patienten noch weiter zu erhöhen. Das Besondere an dem Kurskonzept ist, dass die Pflege neben Ärzten mit eingebunden ist. Das Projekt-Team gewann dafür jetzt den zweiten Platz beim Pflegepreis des Universitätsklinikums Regensburg.

Der Rettungswagen fährt mit Blaulicht vor dem Notfallzentrum Bonn vor und der Schwerverletzte wird sofort in einen der drei Schockräume gebracht. Dort steht bereits ein zehnköpfiges Team für Erstdiagnosen und medizinische Sofortmaßnahmen bereit. Diese erfolgen auf höchstem Niveau und wegen des lebensentscheidenden Faktors Zeit auch möglichst schnell. Dabei gilt: Wer macht was, wann und wie. "Wir sind wie eine Patchwork-Familie aus verschiedenen Fachbereichen und Berufsgruppen sowie vom Anfänger bis hin zum Erfahrenen. So gibt es unterschiedliche Blickwinkel, Prioritäten und Kommunikationswege", sagt Procula Glien, Bereichsleitung Pflege des Bonner Notfallzentrums. "Es ist aber ganz wichtig, dass jeder im Schockraum nicht nur genau seinen Platz und Zuständigkeit im Team kennt sondern auch die gleiche Sprache spricht."

Daher etabliert das Universitätsklinikum Bonn derzeit ein neues standardisiertes und prioritätenorientiertes Schockraum-Management. "Unser Antrieb als überregionales Trauma-Zentrum ist über den normalen Standard hinaus bei der Behandlung dieser Patienten sehr weit vorne mit zu spielen. Dazu gehört natürlich auch selbstkritisch zu überprüfen, wo es Potential zu einer Verbesserung gibt", sagt Dr. Ingo Gräff, Ärztlicher Koordinator des Bonner Notfallzentrums.

Teambildung und Sprachregeln

Je dramatischer ein Polytrauma ist, um so eher gibt es Probleme, in der akuten, zeitkritischen Situation effektiv zu kommunizieren. "Zwischen Senden und Empfangen einer Nachricht entsteht eine Lücke und es kann zu Missverständnissen kommen", erklärt Gräff. So sei ein Kernpunkt des neuen Schulungs-Programms das Trainieren der so genannten "Closed-loop"-Kommunikation. Bei dieser gibt es eine Rückkopplung, ob die Anweisung beim Empfänger richtig angekommen ist. So treten keine Verzögerungen auf. Weitere wichtige Punkte im so genannten "Crisis Resource Management" sind Vorausschau und -planung. Zudem soll jeder seine Rolle im Team, seine Aufgaben und die Ressourcen kennen sowie seine Grenzen erkennen. "Jeder - auch Erfahrene - dürfen und sollen rechtzeitig um Hilfe rufen", betont Gräff.

Die Kursteilnehmer studieren zu Hause mittels Handbuch und Lehrfilm die Richtschnur für Behandlungen im Schockraum. Der Ablauf basiert auf den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Nach einem kurzen Eingangtest proben die Teilnehmer dann im Schockraum den Ernstfall.

Dort werden mit Hilfe eines computerunterstützten Simulators verschiedenste Krankheitsbilder bis hin zur Pulsfunktion und Atmung täuschend echt nachgeahmt. "Jeder vergisst, dass es eine Puppe ist", sagt Glien. So erfolgt am Simulator die Erstversorgung nach dem im Schockraum etablierten "ABC-Schema". Der Atemweg [A] wird gesichert, falls notwendig wird die Simulator-Puppe beatmet [B], der Kreislauf [C] durch das Stoppen massiver Blutungen und Blutinfusionen stabilisiert sowie eine neurologische Untersuchung [D] durchgeführt. Dabei hat jeder im zehnköpfigen Team einen festen Platz im Schockraum und weiß, was er zu tun hat. Ein elftes Teammitglied überwacht das Geschehen und hat wie ein Dirig ent den Überblick.

Synchron und auf gleicher Augenhöhe

"Wir wollen uns synchronisieren und möglichst auf gleicher Augenhöhe die Schwerstverletzten versorgen, in dem alle agierenden Kräfte wie Zahnräder ineinander greifen", sagt Gräff. Deshalb durchlaufen die Pflegekräfte gemeinsam mit den Ärzten die gleichen Kurseinheiten. "Durch die Schulung wachsen alle zusammen, und jeder hat ein besseres Verständnis für das Tun des anderen. Die Verständigung wird einfacher", sagt Glien, die das Kurskonzept bei dem 2. Pflegepreis des Universitätsklinikums zum Thema "Gemeinsam etwas erreichen - Konzepte und Instrumente der erfolgreichen Teambildung" eingereicht hat. Das neue Schockraum-Konzept wird nicht nur mit dem 2. Platz ausgezeichnet, sondern es kommt auch sehr gut bei denjenigen an, die an der Versorgung von Schwerletzten beteiligt sind. Glien: "Aufgrund der hohen und positiven Resonanz soll das Kurs-Konzept ein Regelangebot werden. Langfristig wollen wir alle in unserem Notfallzentrum im Schockraum eingesetzte Kräfte schulen."

 

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