Medizin & Technik

NIH-Schlaganfall-Skala: DSG veröffentlicht deutschsprachige Schulungsplattform

02.07.2024 - Die Deutsche Schlaganfall Gesellschaft (DSG) stellt stolz ihre neue Schulungsplattform vor: eine deutschsprachige Schulung zur Anwendung der weltweit wichtigsten Skala zur Bemessung des Schweregrades eines Schlaganfalls.

„Mit dem heutigen Tag wird ein neues Kapitel in der Schlaganfall-Versorgung in Deutschland aufgeschlagen“, ist Professor Darius Nabavi, 2. Vorsitzender der DSG, überzeugt. Denn die DSG hat nach dem Vorbild der amerikanischen Kollegen die Online-Schulung weiterentwickelt. Auch vergibt die DSG für jeden angemeldete Teilnehmer am Ende ein eigenes Zertifikat. Die Erfassung neurologischer Defizite von Patienten mit akutem Schlaganfall sowie die regelmäßige Dokumentation ihrer Fortschritte soll damit zukünftig von jedem Mitarbeitenden der Stroke-Unit verlässlich und sicher beherrscht werden.

Mehr als zwei Jahre hat Prof. Nabavi, Chefarzt der Neurologie im Vivantes Klinikum Neukölln, gemeinsam mit vier Kolleginnen und Kollegen aus Tübingen und Erlangen an der Übersetzung sowie Umsetzung der NIHSS-Plattform gearbeitet. „Das war ein ordentliches Stück Arbeit, vom Datenschutz angefangen“, so Nabavi. „Vor allem hätten wir ohne die exzellente technische Unterstützung von Cornelia Reisacher und vor allem unseres Programmierers Thomas Nägele das Projekt niemals erfolgreich zu Ende gebracht“, ergänzt der DSG-Vize. Da die NIH-Schlaganfall-Skala aber bereits seit Jahrzehnten Standard bei der Erfassung neurologischer Defizite nach akutem Schlaganfall sei, würde die DSG damit vor allem ein langjähriges Versprechen einlösen. Jetzt ist es geschafft!

International bemisst sich der klinische Schweregrad des Schlaganfalls anhand des Ausmaßes der Funktionsdefizite, also den erreichten Punkten auf der NIHS-Skala. „Die Skala einheitlich anwenden zu können, ist das Basis-Rüstzeug jeder Neurologin und jedes Neurologen und zunehmenden auch der Stroke-Pflegeteams“, betont Nabavi. „Entsprechend wichtig ist eine fundierte Schulung und auch Überprüfung des Gelernten!“ Auch wer an Schlaganfallstudien teilnehmen möchte, muss in aller Regel ein gültiges NIHSS-Zertifikat vorweisen. Insofern werde damit auch die wissenschaftliche Aktivität in diesem Sektor gefördert.

Registrierung vor Nutzung der NIHSS-Plattform obligat, aber kostenfrei

Zur Nutzung der NIHSS-Plattform der DSG ist einzig eine Registrierung des Nutzers erforderlich, um einen Abschluss in einem medizinischen Beruf nachzuweisen. Danach erfolgt die Freischaltung der Schulungsvideos für alle 13 Kategorien, in die die NIH-Schlaganfall-Skala unterteilt ist. „Ein Sprecher führt durch die verschiedenen Kategorien“, erklärt PD Dr. Bastian Volbers, ehemals in der Uniklinik Erlangen tätig und heute Oberarzt in der Klinik für Neurologie des Inselspitals Bern. „Insgesamt haben wir derzeit 15 Videos auf der Plattform hinterlegt. Diese wurden mithilfe von Probanden, Schauspielern wie auch tatsächlichen Patienten gedreht“, ergänzt sein Kollege Mario Lorenz. Für die Probanden sowie szenische und technische Aspekte waren die Herren aus Erlangen verantwortlich, für die Patientenrekrutierung die Kolleginnen aus Tübingen.

„Tatsächlich haben wir schließlich für alle Szenen richtige Drehbücher geschrieben“, erzählen PD Dr. Annerose Mengel und PD Dr. Katharina Feil, beide leitende Oberärztinnen der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Tübingen. „Für uns Mediziner eine vollkommen neue Erfahrung. Aber wirklich spannend“, sagt Annerose Mengel. Und nach dem Dreh haben die Schlaganfall-Experten viel Zeit in die Nachbearbeitung der Videos investiert. „Kann man die Veränderung der Armkraft wirklich sehen? Ist die Mimik des Patienten textbuchmäßig? Wir haben tatsächlich sehr viel Wert auf kleinste Details gelegt“, so Mengel.

In Tübingen wie in Erlangen werden zudem jetzt im Sommer weitere Schulungsvideos gedreht, um die Schulungsplattform stetig zu erweitern. „Wir haben aus den ersten Drehs einiges gelernt, was wir noch verbessern können“, erzählt Katharina Feil. „Das werden wir jetzt in den künftigen Videos entsprechend anwenden.“ Das DSG-Schulungstool wird also stetig aktualisiert und verbessert.

Nach der Schulung zur NIHSS: Prüfung und DSG-Zertifikat

Für die Zertifizierung nach erfolgter Schulung hat die Gruppe schließlich eine Vielzahl von Multiple-Choice-Fragen ausgearbeitet: Verständnisfragen zu jedem Item sowie Allgemeinfragen zu Möglichkeiten und Grenzen der Skala. Drei Fälle werden dem Prüfling nach dem Zufallsprinzip zur praktischen Bewertung vorgestellt, wie auch zusätzlich 16 eingestreute MC-Fragen zur NIHSS. „Wir haben derzeit insgesamt zehn verschiedene Prüfungs-Kombinationen und werden diese mit den neuen Videos dann im Herbst noch erweitern können“, so Nabavi. „Die bisherige Zertifizierung aus den USA umfasste keine Wissensabfrage“, erklärt der 2. DSG-Vorsitzende, „was uns bei der Erarbeitung unserer Schulungsplattform aber wirklich wichtig war, um ein handfestes Konzept präsentieren zu können.“

Schulung in der NIHSS soll zur Selbstverständlichkeit werden

Das DSG-Zertifikat ist fünf Jahre gültig. Spätestens danach soll jeder Kollege sein Wissen auffrischen und die Prüfung erneut ablegen. Die DSG wünscht sich nach der Veröffentlichung eine schnelle Etablierung der Plattform. Nach Meinung von Vorstand und Geschäftsführung soll es zur Selbstverständlichkeit werden, dass jeder Mitarbeiter in der Einarbeitung auf der Stroke-Unit auch in der Anwendung der NIHSS geschult wird und schließlich das DSG-Zertifikat erwirbt.

Zum Hintergrund

Die National Institute of Health Stroke Scale (NIHSS) hat sich als klinisches Messinstrument des Schlaganfall-Schweregrades weltweit durchgesetzt. Die NIHSS wird sowohl für das klinische Monitoring in der täglichen Praxis als auch für die weit überwiegende Mehrzahl wissenschaftlicher Studien eingesetzt. Für den verlässlichen Einsatz der NIHSS ist es notwendig, dass sämtliche anwendende Personen angemessen geschult sind und die Bewertungsskala einheitlich handhaben. Numerische Änderungen auf der NIHSS sollen reale klinische Veränderungen abbilden und dürfen nicht auf einer diskrepanten Anwendung der Skala basieren. Dafür musste bislang ein englischsprachiges Schulungs- und Zertifizierungsverfahren durchlaufen werden.

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