Pneumologen verleihen Forschungspreise über 20.000 Euro an wissenschaftlichen Nachwuchs
27.05.2022 - Der mit 10.000 Euro dotierte Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) für die beste grundlagenwissenschaftliche Arbeit geht in diesem Jahr an Marija Gredic von der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Sie hat neue Erkenntnisse zur Entstehung und möglichen Behandlung des Lungenhochdrucks bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) gewonnen. Der ebenfalls mit 10.000 Euro dotierte DGP-Forschungspreis für die klinische Forschung geht an die dreiköpfige Forschergruppe mit Maja Reimann und Dr. Sebastian Marwitz vom Forschungszentrum Borstel sowie Professor Jan Heyckendorf von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie haben einen Algorithmus entwickelt, der mit hoher Genauigkeit das Ende einer Tuberkulose-Therapie anzeigen kann. „Die Siegerarbeiten zeichnen sich beide durch ihre hohe Relevanz für Forschung und klinischen Alltag aus“, sagt Professor Wolfram Windisch, stellvertretender DGP-Präsident und Sprecher der Jury. Die beiden Forschungspreise fördern gezielt den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Pneumologie und wurden heute Abend im Rahmen des aktuell stattfindenden DGP-Kongresses mit rund 3.000 Teilnehmern in Leipzig überreicht.
Die 30-jährige Marija Gredic hat bei Labor-Untersuchungen in präklinischen Modellen an Mäusen sowie in menschlichem Lungengewebe herausgefunden, wie ein Schutz vor chronisch erhöhtem Blutdruck im Lungenkreislauf – wie er bei COPD entstehen kann – möglich ist. „Diese Arbeit sticht durch ihre sorgfältige mechanistisch orientierte Konzeption und Darstellung heraus. Das Ergebnis ist von klinischer Bedeutung“, sagt Jury-Sprecher Windisch. COPD ist die dritthäufigste Todesursache weltweit. Im Modell wird die Erkrankung durch Tabakrauch, der hier auch stellvertretend für die zunehmende Luftverschmutzung ist, ausgelöst. Konkret war der Schutz durch eine Genveränderung möglich: „Unsere Forschung hat gezeigt, dass Mäuse mit der Inaktivierung eines bestimmten Enzyms in speziellen Blutzellen vor Lungenhochdruck geschützt sind“, sagt Gredic, Wissenschaftlerin an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Cardio-Pulmonary Institute (CPI) sowie dem Sonderforschungsbereich 1213 an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Lungenhochdruck kann bei Menschen zu eingeschränkter Leistungsfähigkeit, Atemnot und letztendlich zu Herzversagen führen.
Zellverbindung könnte entscheidende Rolle bei Lungenhochdruck-Behandlung spielen
Bei ihren Untersuchungen hat Gredic festgestellt, dass vor allem das Enzym Stickstoffmonoxid-Synthase in speziellen Immunzellen für den Lungenhochdruck relevant sein könnte. Im menschlichen Organismus kommt dieses Enzym in drei bekannten Varianten vor. Gredic konnte in ihren Modellen zeigen, dass eine davon in sogenannten Makrophagen, einer Gruppe von weißen Blutkörperchen, die Erkrankung auslöst. Diese Zellen sind ein Teil des angeborenen Immunsystems und schützen den Körper eigentlich vor Krankheitskeimen. Gredic erläutert: „Wir müssen hier allerdings noch verschiedene Erscheinungsbilder dieser Immunzellen unterscheiden. Beim Rauchen sind wahrscheinlich die sogenannten M2-Makrophagen für den Gefäßumbau in der Lunge verantwortlich. Wir glauben, dass die Verbindungen zwischen diesen ganz bestimmten weißen Blutkörperchen und den Muskelzellen der Lungenarterien eine entscheidende Rolle spielen.“ Dies könnten mögliche Zielzellen zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte bei der zukünftigen Behandlung des Lungenhochdrucks in der COPD sein. „Es gilt, diesen Sachverhalt jetzt weiter zu untersuchen und die Übertragbarkeit der präklinischen Daten auf den Menschen weiter zu prüfen“, sagt Marija Gredic.
Wissenschaftler finden neuen Algorithmus für Tuberkulose-Therapie
Die 32-jährige Maja Reimann und der 37-jährige Dr. Sebastian Marwitz vom Forschungszentrum Borstel (Leibniz Lungenzentrum) sowie der 40-jährige Professor Jan Heyckendorf von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben zusammen an der Fragestellung gearbeitet, wie bei der Behandlung einer multiresistenten Tuberkulose das Ende der Therapie und somit auch das Therapieansprechen vorhergesagt werden könnte. Mit ihren Erkenntnissen ist es zukünftig möglich, dass bei Patienten mit arzneimittelempfindlicher und multiresistenter Tuberkulose die Therapiedauer ganz individuell veranschlagt wird. Noch empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO eine standardisierte Behandlungsdauer für diese Tuberkulose-Patienten. Und das ist mit hohen Kosten sowie einem hohen Risiko für Nebenwirkungen bei der Behandlung verbunden.
Neuer Tuberkulose-Bluttest ermöglicht individuelle Prognose für Therapiedauer
Das Problem bisher war, dass es an messbaren Parametern, sogenannten Biomarkern, für die Prognose der Therapiedauer sowie das Therapieansprechen fehlte. „Jetzt ist es uns gelungen, eine Wirts-RNA-Signatur als Biomarker zu identifizieren und validieren. Nun können wir mit einem einfachen Bluttest die Dauer der Tuberkulose-Therapie festlegen“, erklärt Preisträger Jan Heyckendorf, Professor für Pneumologie mit Schwerpunkt chronisch entzündlicher Lungenerkrankungen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und kommissarischer Leiter der Leibniz-Lungenklinik am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. „Diese ausgezeichnete Forschungsarbeit wurde bereits hochrangig publiziert und könnte besonders im klinischen Einsatz weiter an Relevanz gewinnen“, heißt es in der Begründung von Jury-Sprecher Wolfram Windisch, Chefarzt der Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln, sowie Inhaber des Lehrstuhls für Pneumologie an der Universität Witten/Herdecke.
„Wir haben verschiedene Kohorten bestehend aus insgesamt fast 200 Patienten mit antibiotikasensibler und multiresistenter Tuberkulose in unsere Untersuchung eingeschlossen. Mit der patientenbasierten RNA, also der Ribonukleinsäure aus 22 Genen, konnten wir einen neuen Algorithmus entwickeln sowie validieren. Und dieser ist in der retrospektiven Analyse in der Lage, mit hoher Genauigkeit das Therapieende anzuzeigen und ein Therapieansprechen zu reflektieren“, sagt Forscherkollege Dr. Sebastian Marwitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum Borstel und dort auch Prüfungsleiter des Deutschen Zentrums für Lungenforschung. „Jetzt wird der Algorithmus in einer sogenannten prospektiven Nicht-Unterlegenheitsstudie geprüft, um unseren neuen Therapieansatz mit einer Referenzbehandlung zu vergleichen“, ergänzt Maja Reimann, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Klinischen Infektiologie am Forschungszentrum Borstel. Die drei Preisträger heben hervor, dass durch ihre Forschung auch eine exzellente Kollaboration zwischen dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung sowie dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung zustande gekommen sei.