Sandra Moldabajew kümmert sich am BKH Kaufbeuren um internationale Fachkräfte
19.04.2023 - Ihre Funktion ist neu am Bezirkskrankenhaus (BKH) Kaufbeuren, ihre Tätigkeit verantwortungsvoll: Sandra Moldabajew kümmert sich als Beauftragte für ausländische Fachkräfte, dass Menschen aus fernen Ländern gut in Deutschland ankommen und dass sie sich hier wohlfühlen.
Die 32-Jährige setzt sich auch dafür ein, dass ihnen ihr Job am BKH gefällt und dass sie dort langfristig bleiben. Obwohl sie erst seit Oktober vergangenen Jahres an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik arbeitet, haben sie viele bereits in ihr Herz geschlossen – nicht nur die „Neuen“, sondern auch die etablierten Kräfte, die ihre Arbeit schätzen.
Wie fast alle Einrichtungen im Gesundheitswesen kämpft auch das BKH als einer der größten Arbeitgeber in der Region mit dem Mangel an Fachkräften. Da der Markt ziemlich abgegrast ist, haben die Bezirkskliniken Schwaben als sein Träger längst die Fühler ins Ausland ausgestreckt. Dazu wurden Agenturen beauftragt.
Die Anforderungen an Pflegekräfte aus Drittstaaten sind hoch. Neben dem Nachweis von Deutschkenntnissen auf Niveau B2 müssen sie ihre fachlichen Qualifikationen in einer Kenntnisprüfung oder mit einer Anpassungsqualifizierung als gleichwertig zur deutschen Ausbildung zur Pflegefachkraft nachweisen.
Es sind nicht nur die bürokratischen Hürden, die die Pflegekräfte aus dem Ausland vor große Aufgaben stellen, es sind auch die menschlich-sozialen und kulturellen Veränderungen. Weit weg von der Familie sollen die Neuankömmlinge sich in Deutschland schnell in die Gesellschaft und in den beruflichen Alltag einfinden und ihre Kolleginnen und Kollegen auf Station unterstützen, damit die Qualität der Pflege hoch bleibt. Die Bezirksklinken haben erkannt, dass dies nicht von jemand „nebenher“ geleistet werden kann. Sie schuf mehrere Stellen „Beauftragte für internationale Fachkräfte“. In Kaufbeuren bekleidet Sandra Moldabajew diese neue Position.
Die 32-Jährige ist gelernte Kauffrau im Groß- und Außenhandel und hat 2016 ein Studium der Sozialwirtschaft an der FH Kempten mit Schwerpunkt Arbeitsmarkt- und Personaldienstleistungen erfolgreich abgeschlossen. Ihre neue Tätigkeit am BKH ist ihr wie auf den Leib geschneidert. Das liegt vor allem daran, dass sie die bürokratischen Tätigkeiten und verwaltende Personalarbeit mit der sozialen Arbeit verbinden kann. Während ihrer ersten beruflichen Stationen setzte sie Schwerpunkte in den Bereichen Recruiting und HR. Als Seminarleiterin beim BFZ Kaufbeuren arbeitete sie eng mit Jugendlichen zusammen.
Ihr Vater ist Deutsch-Russe, ihre Mutter Russin. Sandra Moldabajew kam schon als Säugling nach Kaufbeuren. Sie wuchs hier auf, ging zur Schule und lernte ihren heutigen Mann, ebenfalls ein Deutsch-Russe, kennen. Die Familie, zu der inzwischen zwei Kinder (sechs und vier Jahre) gehören, lebt in Kaufbeuren.
Ihre erste Tätigkeit im Herbst war, nach Ankerkennungsländern zu suchen. Sandra Moldabajew nahm Kontakt zu Vermittlungsagenturen auf, führte Telefoninterviews mit möglichen Klienten und holte sich Rat von Kollegen, beispielsweise aus dem BKH Günzburg, die schon ein bisschen weiter sind und folglich mehr Erfahrungen mit dem Prozess der Eingliederung von ausländischen Fachkräften gemacht haben. „In den Gesprächen tauchte die Psychiatrie als Schwerpunkt auf. Vergleichbare psychiatrische Einrichtungen, wie wir sie in Deutschland haben, kennen diese Menschen aus ihren Herkunftsländern nicht. Ich musste Vorbehalte abbauen und ihnen, so gut es ging, Ängste nehmen.“
Die Beauftragte nahm sich anfangs der Betreuung von vier Pflegekräfte aus Bosnien und Montenegro an, die in der Neurologie arbeiten. Am 13. März ist eine Gruppe von neun Pflegekräften aus Moldau im Ostallgäu angekommen. Aktuell leben sie im Wohnheim des BKH. Sie wurden mit Willkommenskörben empfangen, die Sandra Moldabajew gemeinsam mit der örtlichen Regionalleitung zusammengestellt und mit regionalen Produkten wie Kaffee, Nudeln, Müsli und Saft befüllt hatten. „Zusätzlich habe ich einen kleinen Brief in der Heimatsprache geschrieben und Flyer vom Tourismusbüro beigelegt“, erzählt sie. Ihr Vorteil ist, dass sie neben Deutsch und Englisch auch fließend Russisch spricht. „Damit lassen sich manche Barriere abbauen.“
Alle neun arbeiten bereits auf insgesamt vier Stationen der psychiatrischen Klinik. Die Rückmeldungen seien sehr positiv. Außerdem besuchen die Kräfte aus Moldau – acht Frauen und ein Mann - die Berufsfachschule für Pflege des BKH, wo sie theoretisch auf ihre Kenntnisprüfung vorbereitet werden. Der Stundenplan wurde in Absprache mit der Regierung von Schwaben erstellt. Die Abschlussprüfung findet Mitte Juni statt. Wenn sie diese bestehen, sind sie nicht mehr Pflegehelfer, sondern Pflegefachkräfte. Damit alles funktioniert, bekommt Sandra Moldabajew Unterstützung vom ehemaligen Schulleiter Markus Ellenrieder und von seiner Nachfolgerin Sophie Sauer.
Um ihre betroffenen Stations- und Praxisanleiter vorzubereiten und zu sensibilisieren, richtete das BKH im Vorfeld der Ankunft einen ganztägigen Integrations-Workshop aus. Frau Moldabajew will den Neuankömmlingen auch außerhalb der Arbeitszeit etwas bieten. Sie ist gerade dabei, Ausflüge zum Beispiel zum Schloss Neuschwanstein nach Füssen zu organisieren. Ein gemeinsames Abendessen in einem Kaufbeurer Restaurant gab es schon. „Unser Ziel ist, uns so zu zeigen, dass die Menschen das BKH als attraktiven Arbeitgeber erleben und möglichst bei uns bleiben.“ Dazu will die 32-Jährige beitragen. „Ich begleite die Menschen bei Behördengängen und kümmere mich um notwendige Unterlagen“, versichert Moldabajew. Sie ist immer die erste Ansprechpartnerin für die ausländischen Kräfte und auch bei allen Gesprächen mit der Pflegedirektion dabei.
Die nächsten Schritte im Herbst sollen der Familiennachzug bei den aktuellen Pflegekräften („Mehr als die Hälfte hat Kinder.“) und die Suche nach Wohnraum sein. „Damit würden den Menschen ihre größten Sorgen genommen werden“, so Moldabajew. Außerdem ist es das Ziel, einen weiteren Vorbereitungskurs zu starten. „Wir möchten ein wichtiger Standort werden, bei dem ausländische Pflegekräfte ihre Prüfung machen können.“ Beim Wohnraum wollen die Bezirkskliniken selbst aktiv sein. Dazu sollen geeignete Gebäude erworben bzw. umgebaut werden.
Ihre Arbeit empfindet die BKH-Mitarbeiterin als „sehr, sehr abwechslungsreich, wertschätzend und vielseitig“. Sie findet es schön, mit vielen Kollegen aus verschiedenen Abteilungen und Berufsgruppen vertrauensvoll zusammenarbeiten zu können. Und natürlich, Menschen aus anderen Kulturen kennenlernen zu dürfen. „Die Begegnungen mit ihnen sind total herzlich, ihre Dankbarkeit groß. Ich habe die Möglichkeit, sie 1:1 zu betreuen: Das ist ganz wichtig“, stellt Moldabajew fest. Persönlich profitiere sie von der Teilzeitstelle, weil sie als junge Mutter sehr selbstständig arbeiten und ihre Termine so legen könne, dass sich Arbeit mit Familie gut vereinbaren lassen.
Immer wieder ist natürlich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ein Thema. Oft wird Sandra Moldabajew gefragt, wie sie dazu steht. „Ich bin kein Experte und halte mich eher zurück. Fakt ist, dass Menschen sterben. Das muss aufhören“, fordert sie. Ihr sei es völlig egal, aus welchem Land die Pflegekräfte kommen. „Ich unterstütze sie alle, bin offen für alle.“ Einige ihrer Angehörigen leben in Russland. Deshalb sei die Situation nicht einfach. Als im Dezember ihr Großvater starb, konnte sie nicht nach Sibirien reisen, um sich von ihm zu verabschieden. Auch eine Unterstützung ihrer Oma war nicht möglich, weil es nicht erlaubt war, Pakete dorthin zu schicken. „Zuerst Corona, jetzt der Krieg: Meine Kinder haben noch nie ihre Uroma gesehen“, stellt die 32-Jährige mit Bedauern fest.
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