Seltene Nebenwirkung bei Immuntherapie gegen Krebs entdeckt
24.02.2025 - Forscher haben eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung bei einer innovativen Therapieform von Blutkrebs entdeckt und analysiert.
Die Ergebnisse der Studie sind von Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Leipzig, des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie sowie der Uniklinik Köln in Nature Medicine veröffentlicht worden.
Formen von Blutkrebs, wie die Lymphome und das Multiple Myelom, sind bösartige Tumorerkrankungen die sich von Abwehrzellen, den Lymphozyten, ableiten. Seit wenigen Jahren sind CAR-T-Zell-Therapien ein essenzieller Bestandteil der Behandlung von Patienten deren Lymphom beziehungsweise Multiples Myelom wieder auftritt. Dabei werden patienteneigene T-Lymphozyten (T-Zellen) genetisch modifiziert, um mittels eines chimären Antigenrezeptors (CAR), die Krebszellen gezielt zu erkennen und zu eliminieren.
In der aktuellen wissenschaftlichen Publikation wurde ein besonderer Fall untersucht. Ein 63-jähriger Patient mit Multiplem Myelom entwickelte neun Monate nach einer CAR-T-Zelltherapie an der Universitätsklinik Köln ein T-Zell-Lymphom, das sich neben dem Blut auch in der Haut und im Darm zeigte. Der Tumor entstand aus den genetisch veränderten T-Zellen, die zur Behandlung eingesetzt worden waren.
Die Initiatoren dieses Kollaborationsprojektes, Prof. Dr. Marco Herling, Geschäftsführender Oberarzt am Universitätsklinikum Leipzig, und Dr. med. Till Braun, Arbeitsgruppenleiter an der Universitätsklinik Köln, besitzen eine weltweit führende Expertise im Verständnis der seltenen aber schwer therapierbaren T-Zell-Lymphome. „Das ist einer der ersten dokumentierten Fälle eines solchen Lymphoms nach einer CAR-T-Zelltherapie. Die Erkenntnisse dieser Studie helfen uns, die Risiken der Therapie besser zu verstehen und möglicherweise in Zukunft zu verhindern“, sagt Prof. Dr. Maximilian Merz, der als Korrespondenzautor gemeinsam mit Prof. Dr. Marco Herling die aktuelle Studie von Seiten der Universitätsmedizin Leipzig leitete.
Die Forscher fanden heraus, dass nicht nur aktuelle genetische Veränderungen der T-Zellen für den Tumor verantwortlich waren. Auch bereits vorhandene, also früh angelegte Genveränderungen der blutbildenden Zellen des Patienten spielten eine Rolle. Die Forschenden nutzten modernste Technologien, um die Entwicklung des Tumors genau zu untersuchen. Zur Analyse des Phänomens wurden verschiedene Verfahren des Next-Generation-Sequencing eingesetzt, eine Hochdurchsatz-Technologie zur Analyse von DNA- und RNA-Sequenzen. Whole-Genome-Sequencing diente der Identifikation genetischer Veränderungen, während Einzelzell-RNA-Sequenzierung das Transkriptom der CAR-T-Zellen analysierte, um Gene und Signalwege zu untersuchen.
Risikofaktoren für Nebenwirkungen genauer bestimmen
Diese Methoden waren bereits vorher in enger Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Merz an der Universitätsmedizin Leipzig und von Dr. Kristin Reiche am Fraunhofer IZI etabliert worden. Die enge Kooperation zwischen Klinikern und Grundlagenwissenschaftlern auf dem Gebiet der CAR-T-Zelltherapie ermöglichte es, den Fall innerhalb kürzester Zeit zu analysieren. Das Universitätsklinikum Leipzig zählt zu einem der führenden Zentren in Europa zur Behandlung des Multiplen Myeloms mit CAR-T-Zellen und von T-Zell Lymphomen. „Dieser Fall liefert wertvolle Erkenntnisse zur Entstehung und Entwicklung eines CAR-tragenden T-Zell-Lymphoms nach innovativen Immuntherapien und zeigt die Bedeutung von genetischen Wegbereitern für eine solche mögliche Nebenwirkung“, sagt Merz, Oberarzt an der Klinik für Hämatologie, Zelltherapie, Hämostaseologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Leipzig.
Die Forscher planen weitere wissenschaftliche Untersuchungen, um ähnliche Fälle besser zu verstehen und Risikofaktoren genauer bestimmen zu können. Ziel ist es, solche Nebenwirkungen nach CAR-T-Zelltherapien, die aktuell einen immer breiteren Einsatz finden, in Zukunft vorhersagen und verhindern zu können.
Die hohe Relevanz der Zweittumore nach CAR-T-Zelltherapie wurde nun in einer zweiten wissenschaftlichen Arbeit deutlich. Das selbe Forschungsteam reichte Mitte Februar im hochrangigen Fachjournal Leukemia ein Manuskript ein, indem dieser Patientenfall und die weltweit neun weiteren publizierten Fälle von T-Zell-Lymphomen aus CAR-T-Zellen systematisch zusammengefasst wurden. Im Normalfall dauert es mehrere Wochen bis Monate, bis Fachexperten eine wissenschaftliche Arbeit für die Publikation akzeptieren. In diesem Fall wurde das Manuskript innerhalb eines Tages zur Veröffentlichung angenommen. „Es ist wichtig, datenbasiert ein reelles Bewusstsein für die Seltenheit, nämlich weit unter einem Prozent und die Entstehungsmechanismen dieser Komplikation zu schaffen“, betont Herling.