Medizin & Technik

Sturzrisiko als Nebenwirkung: Wie KI-basierte Systeme älteren Menschen bei der richtigen Medikation helfen

26.06.2024 - Stürze sind die Hauptursache für Verletzungen und verletzungsbedingte Todesfälle bei älteren Menschen. Einen maßgeblichen Anteil daran haben die Nebenwirkungen bestimmter Medikamente, die das Sturzrisiko erhöhen.

Diese sogenannten „Fall risk increasing drugs“ (FRIDs) werden zum Beispiel zur Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen oder Depressionen verschrieben. Um eine personalisierte Sturzprophylaxe im klinischen Alltag zu ermöglichen, untersucht Professorin Nathalie van der Velde (Foto) vom Amsterdam University Medical Center (Amsterdam UMC), wie Prognosemodelle oder klinische Entscheidungshilfesysteme dazu eingesetzt werden können.

Derzeit arbeitet die Geriaterin an KI-basierten Entscheidungshilfesystemen zum Umgang mit FRIDs für die klinische Praxis. Über diese Entwicklung und weitere zukunftsweisende Themen spricht Natalie van der Velde in ihrer Keynote-Lecture beim Gerontologie- und Geriatrie-Kongress, der vom 11. bis 14. September an der Universität Kassel stattfindet.

Einen Meilenstein stellen die 2022 erschienenen World Falls Guidelines dar, an deren Entwicklung van der Velde in führender Funktion beteiligt war. Diese beinhalten auch ein Kapitel zum Thema FRIDs. „Ziel war es, gemeinsam evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen zur Sturzprävention und zum Sturzmanagement für ältere Menschen zu entwickeln, die von Angehörigen der Gesundheitsberufe und anderen Fachleuten angewendet werden können. Dabei haben wir einen personenzentrierten Ansatz gewählt, der die Perspektive älterer Erwachsener, von Pflegepersonen und anderen Interessensvertretern einbezieht“, erklärt Nathalie van der Velde. In einem modifizierten Befragungsverfahren nach der Delphi-Methode hat sie dafür zusammen mit einer weltweit agierenden Gruppe von Expertinnen und Experten sowie Interessensgruppen dezidierte Empfehlungen entwickelt, über die sie ebenfalls beim Kongress in Kassel sprechen wird.



Wird aktuell erforscht: Gemeinsame Entscheidungsfindung mit KI-Unterstützung

Gemeinsam mit Expertinnen und Experten für medizinische Informatik und Kommunikation haben Nathalie van der Velde und ihr Team an der Entwicklung von KI-basierten personalisierten Prognosemodellen in elektronischen Gesundheitsakten gearbeitet – sowohl für Hausarztpraxen als auch für Sturzkliniken. Diese wurden in klinische Entscheidungshilfesysteme und Patientenportale aufgenommen, die leitlinienbasierte Entscheidungsregeln für die Verschreibung von FRIDs und Unterstützung bei der gemeinsamen Entscheidungsfindung enthalten.

Diese werden im Rahmen der niederländischen Studien „SNOWDROP“ (Primärversorgung) und „_IT RCT“ getestet, über die van der Velde beim Kongress in Kassel ebenfalls berichten wird. Ziel dieser multizentrischen Studien ist es, die Verschreibung von Medikamenten zu personalisieren und die gemeinsame Entscheidungsfindung zu optimieren, um so Stürze mit Verletzungen zu verhindern und die Gesundheitskosten zu senken. „Die Ergebnisse werden wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, wie digitale Gesundheitsinformatik-Tools, die sich an Ärztinnen und Ärzte sowie ältere Erwachsene richten, Verordnungen optimieren können, zum Beispiel durch eine angemessene Entschreibungspraxis und die Unterstützung gemeinsamer Entscheidungen“, sagt die Geriaterin.

Zur Person:

Nathalie van der Velde ist seit 2010 praktizierende Geriaterin und leitete von Juni 2014 bis Juni 2017 die Geriatrieabteilung des Amsterdam University Medical Center (Amsterdam UMC), Standort Academic Medical Center (AMC). Derzeit ist sie Principal Investigator und Leiterin der Forschungslinie „Falls & Fracture Prevention“ am Amsterdam UMC. 2019 wurde sie zur ordentlichen Professorin ernannt. Außerdem ist sie Co-Vorsitzende des Forschungsprogramms „Aging and Later Life“ der Amsterdam Public Health Institutions. Seit 2021 ist sie Sprecherin der Special-Interest-Gruppe „Falls & Fracture prevention“ der European Geriatric Medicine Society (EuGMS). Außerdem ist sie seit 2020 Co-Vorsitzende der World Falls Prevention Guidelines Task Force und Co-Leiterin der Polypharmacy Working Group. Seit 2023 ist van der Velde Mitglied des Vorstands der kürzlich gegründeten World Falls Prevention Society. Seit 2021 ist sie außerdem stellvertretende Herausgeberin einer Zeitschrift für Altersmedizin mit dem Titel Age & Ageing, seit 2024 ist sie Akademische Direktorin der EuGMS.

Kontakt

Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V.

Kunibertskloster 11–13
50668 Köln
Deutschland

+49 221/1629-2350

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