Aus den Kliniken

Therapie-Option gegen Blutarmut bei Altersleukämie

07.12.2023 - Bei Menschen mit Myelodysplastischen Neoplasien produziert der Körper zu wenig funktionstüchtige Blutzellen.

Die Betroffenen sind meist in einem hohen Alter und leiden an einer Anämie, auch „Blutarmut“ genannt, die eine Vorstufe zur akuten Leukämie sein kann. Imetelstat, ein von der Standardtherapie abweichender Wirkstoff, kann über einen längeren Zeitraum dabei helfen, die für MDS-Patient*innen belastenden Bluttransfusionen zu vermeiden. Darauf weist eine klinische Studie an 118 Standorten in 17 Ländern unter Federführung von Prof. Dr. Uwe Platzbecker von der Universitätsmedizin Leipzig gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam hin. Die Ergebnisse wurden in „The Lancet“ publiziert.

Bei Menschen mit Myelodysplastischen Neoplasien (MDS) ist die gesunde Ausreifung der Blutzellen im Knochenmark beeinträchtigt. Das kann zu Blutarmut, Infektionen und einer verstärkten Blutungsneigung führen. Patient*innen, die in die Niedrigrisiko-Kategorie der MDS fallen, befinden sich zunächst in keiner akut lebensbedrohlichen Situation, leiden aber an einer ausgeprägten Blutarmut. Diese entsteht durch einen Mangel an ausgereiften und funktionstüchtigen roten Blutkörperchen. Sie äußert sich insbesondere durch eine verringerte Leistungsfähigkeit sowie extreme Abgeschlagenheit und Müdigkeit, welche die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Oft kann diese Anämie nur durch regelmäßige Bluttransfusionen ausreichend therapiert werden. Diese sind für Betroffene meist sehr belastend.

In einer aktuellen internationalen Studie wird mit dem Wirkstoff Imetelstat eine Unabhängigkeit von Transfusionen roter Blutkörperchen bei MDS-Patient*innen von etwa einem Jahr erreicht. „Imetelstat bietet einen neuartigen Wirkmechanismus bei der Therapie von Patientinnen und Patienten die in die Niedrigrisiko-Kategorie der MDS fallen und nicht auf die Standardbehandlung mit dem Medikament Epoetin alfa reagieren“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Uwe Platzbecker, Direktor der Klinik für Hämatologie, Zelltherapie, Hämostaseologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Leipzig und Professor für Hämatologie an der Universität Leipzig.

Das Studienmedikament Imetelstat ist ein sogenannter Telomerase-Inhibitor. Bei der Zellalterung spielt das Enzym Telomerase eine entscheidende Rolle – es erneuert immer wieder die Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, was für gesunde Zellen eine wichtige Funktion darstellt. Krebszellen allerdings teilen sich viel häufiger als gesunde und die Telomerase führt dazu, dass die bösartigen Zellen verlangsamt absterben. Telomerase-Inhibitoren blockieren die Telomerase aktiv und haben somit das Potential, die Vermehrung der kranken Zellen einzuschränken und verstärkt zu eliminieren. Bei MDS ist Imetelstat der erste Wirkstoff in dieser Medikamentenklasse.

40 Prozent der mit Imetelstat behandelten Patient*innen haben auf die neue Therapie angesprochen, verglichen mit 15 Prozent der Personen, die in der klinischen Studie ein Placebo erhielten. In der Imetelstat-Studiengruppe traten mehr Neutropenien, eine Verringerung der weißen Blutkörperchen, und Thrombozytopenien, eine Verringerung der Blutplättchen, als in der Placebo-Gruppe auf. Aber diese Nebenwirkungen waren beherrschbar und reversibel.

„Neben den bereits etablierten Therapien wird nach der Zulassung von Imetelstat eine weitere Option zur Verfügung stehen, um Anämie, die eines der vorherrschenden Krankheitszeichen der MDS darstellt, zu behandeln und damit Bluttransfusionen, die für die Patient*innen sehr belastend sind, zu vermeiden oder hinauszuzögern“, sagt Prof. Platzbecker, der sich seit über 20 Jahren mit klinischer Forschung zu Myelodysplastischen Neoplasien beschäftigt.

Die Zulassung zur Behandlung mit dem Wirkstoff Imetelstat im Rahmen der MDS-Erkrankung wurde bei der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA als auch der europäischen Behörde EMA beantragt und Imetelstat wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2024 zur Behandlung zur Verfügung stehen. Die IMerge-Studie ist eine randomisierte Phase-3-Studie, die letzte Phase im Entwicklungsprozess eines Medikaments bei der die Studienteilnehmenden zufällig Kontroll- oder Versuchsgruppe zugeordnet werden. Sie wurde an insgesamt 118 Standorten, darunter Universitätskliniken, Krebszentren und Ambulanzen, in 17 Ländern durchgeführt und von der Pharmafirma Geron gesponsert.

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