„Über Krankenhauskeime spricht aktuell niemand“
Ein Interview mit Thomas Meyer
Thomas Meyer ist Geschäftsführer des Krankenhausberatungsunternehmens HYSYST. Das Unternehmen ist 2013 als Pionier für ein lückenloses Hygienemanagement im Krankenhaus angetreten.
M&K: Der Kampf gegen Viren, Bakterien und Co. wird in den Krankenhäusern nicht erst seit SARS CoV-2 geführt. Warum sind Sie mit einem eigenen Hygienemanagementsystem für die Oberflächenreinigung und im letzten Jahr auch mit einem eigenen OP-Hygienesystem auf den Markt gegangen?
Thomas Meyer: Weil Krankheitserreger nicht nur durch Hände, Instrumente, Aerosole oder Blut übertragen werden können, sondern auch über unbelebte Flächen. Uns HYSYST-Gründer hat im Jahr 2008 der Tod des 37-jährigen Schauspielers Guillaume Depardieu aufgerüttelt. Wenn Sie so wollen, war MRSA der „Gründungskeim“ für unser Unternehmen. Wir haben eine bundesweite Studie in Krankenhäusern durchgeführt und festgestellt, dass nur 28 Prozent der Oberflächen desinfizierend gereinigt waren. Und wir sehen immer wieder, dass Krankenhäuser Stationen schließen müssen, weil z. B. Noroviren über Türklinken übertragen werden können. Dabei hat das Robert Koch-Institut bereits 2004 im Bundesgesundheitsblatt die Anforderungen an die Hygiene und die Reinigung und Desinfektion von Flächen festgelegt.
Aber Fachärzte für Hygiene, Hygienefachkräfte und hygienebeauftragte Pflegekräfte, die gibt es doch mittlerweile überall in den Krankenhäusern …
Meyer: Ja, das stimmt. Die KRINKO hat 2017 die Mindestanforderung gestellt, dass ein Krankenhaus ab 300 Betten einen Facharzt für Hygiene haben muss. Aber nicht selten kommen diese Hygieneexperten von auswärts oder sind für mehrere Krankenhäuser zuständig. Wer immer vor Ort ist, sind die Hygienefachkräfte, die Fachkrankenschwestern oder Fachkrankenpfleger für Hygiene und die hygienebeauftragten Pflegekräfte. Gerade letztere sind wichtige Bindeglieder zu den Reinigungsfachkräften, die meist bei externen Dienstleistungsgesellschaften beschäftigt sind. Aber wie bekommen man den Transfair hin von der KRINKO und den Vorgaben des RKI, wie werden Tücher, der Wischmop und die Desinfektionsmittel eingesetzt? Niemand protokolliert oder kontrolliert die hygienische Reinigung auf den Stationen und in den Patientenzimmern. Wir geben den Kliniken ein Qualitätsmanagementsystem an die Hand, wie sie regelkonform und rechtssicher reinigen und desinfizieren können.
Brauchen wir jetzt in der Pandemie noch mehr Hygiene?
Meyer: Da das Coronavirus ein behülltes Virus ist, braucht man nur ein Tensid, um seinen Fettmantel aufzubrechen. Sie werden Corona nicht über die Türklinke bekommen, aber andere Infektionen schon. Die MRSA-Keime, aber auch das Norovirus, die sind noch da und gegen die müssen die Reinigungsfachkräfte sauerstoffabspaltende Desinfektionswirkstoffe einsetzen.
Also mit der Chemiekeule rangehen?
Meyer: Der Umgang mit Gefahrstoffen ist viel bewusster geworden ist. Chlor und Formaldehyd werden nicht mehr eingesetzt. Das Desinfektionsmittel der Zukunft ist H2O2, also Wasserstoffperoxid, das biologisch abbaubar ist. Weniger fortschrittlich als der Umgang mit den Desinfektionsmitteln sind die Löhne der Reinigungsfachkräfte in den Krankenhäusern. Sie haben die gleiche Lohnstufe wie Reinigungsfachkräfte in der Gebäudereinigung, müssen aber viel umsichtiger arbeiten, gehen mit Risikomaterialien um. Ihre Arbeit steht in direktem Zusammenhang mit der Sicherheit der Patienten.
Bei den Patientenbefragungen in Krankenhäusern wird immer auch einem Feedback bezüglich Hygiene und Reinigung gefragt. Was halten Sie von diesen Befragungen?
Meyer: Hygiene sieht man nicht. Hygiene spielt sich im Hintergrund ab, z. B. in der Steuerung von Antibiotikaeinsätzen, im Verbrauch von Händedesinfektionsmitteln etc. Das, was Patienten sehen und bewerten, ist die Reinigung. Die Reinigung ist Teil der Hygiene, das müsste in den Befragungen besser kommuniziert werden.
Wird es wegen Corona weniger Infektionen mit multiresistenten Keimen geben?
Meyer: Davon ist auszugehen, einfach, weil weniger Menschen und Besucher ins Krankenhaus kommen, die diese Keime mitbringen. Möchte man auch nach Corona die Zahlen niedriger halten, funktioniert das nur über ein prozessorientiertes Qualitätsmanagement in den Stationen und in den Patientenzimmern und über feste Besuchszeiten.
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