Aus den Kliniken

UKE-Wissenschaftler entschlüsselt bakterielle Infektionssysteme

09.12.2013 -

Bakterien verfügen über einen effizienten Infektionsapparat. Sie bauen bei einer Attacke eine große Zahl nadelartiger Fortsätze auf, über die sie ihre Wirtszellen infizieren. Ein Forscherteam um Prof. Dr. Thomas C. Marlovits (vormals imba Wien, nun Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) hat jetzt erstmals sichtbar gemacht, wie die Giftstoffe in die Zellen eingeschleust werden. Ihre Erkenntnisse, die jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Structural & Molecular Biology veröffentlicht wurden, können helfen, neue Medikamente gegen bakterielle Infektionen zu entwickeln.

Beim Befall von Körperzellen injizieren Bakterien, wie etwa Salmonellen oder Yersinien (Pesterreger), spezifische Signalstoffe durch hohlnadelartige Strukturen in die Wirtszellen. Diese Stoffe programmieren die Zellen um und können so deren Abwehr überwinden. Danach haben die Krankheitserreger leichtes Spiel. Sie können ungehindert in großer Zahl in die Zellen eindringen und Krankheiten wie Typhus, Pest oder Cholera auslösen. Bislang war jedoch ungeklärt, wie die Signalstoffe den Infektionsapparat passieren, ehe sie die Abwehr der Körperzellen überwinden und so das Eindringen der Bakterien ermöglichen. Jetzt ist es den Forschern gelungen, den gesamten Transportweg der Giftstoffe durch den Infektionskanal in Salmonellen sichtbar zu machen.

Für seine Forschungsarbeit verwenden Prof. Marlovits und sein Team ein hochauflösendes Kryo-Elektronenmikroskop mit einer eigens entwickelten, bildgebenden Software. Mithilfe eines speziellen Mikroskops werden isolierte Infektionsapparate schockgefroren und aus verschiedenen Winkeln fotografiert. Dies ermöglicht eine dreidimensionale Rekonstruktion aus mehreren tausend Einzelbildern, um so Form und Aussehen des isolierten Infektionsapparates bis ins kleinste Detail darzustellen. Die Erkenntnisse daraus kombinieren die Forscher mit der so genannten Kryo-Elektronentomographie. Dabei handelt es sich um ein bildgebendes Verfahren zur dreidimensionalen Darstellung feinster Strukturen durch blitzartiges Einfrieren der Proben. „Die Methode funktioniert ähnlich wie die Computertomographie bei Menschen und gibt den Wissenschaftlern die Möglichkeit, intakte Zellstrukturen auf molekularer Ebene zu untersuchen. So kann der Transport der Signalstoffe durch den Kanal quasi in Echtzeit beobachtet werden", erläutert Prof. Marlovits.

Die aktuellen Erkenntnisse, so die Hoffnung der Wissenschaftler, können etwa zur Entwicklung einer neuen Generation von Antibiotika beitragen. Die maßgeblichen Forschungsarbeiten hat Prof. Marlovits bislang am imba-Forschungsinstitut für Molekulare Biotechnologie Wien der österreichischen Akademie der Wissenschaften vorgenommen. Seit dem 1. November 2013 ist er Professor für Struktur- und Systembiologie bakterieller Infektionserreger am UKE. Er wird seine Forschungsarbeiten vor allem am neuen Center for Structural Systems Biology (CSSB) am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) fortführen, das derzeit gebaut wird.

 

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