Aus den Kliniken

UKR: Darmmikrobiom kann den Erfolg allogener Stammzelltransplantationen beeinflussen

26.04.2023 - Eine Abstoßungsreaktion nach einer allogenen Stammzelltransplantation kann den Therapieerfolg für Patienten mit bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems mindern.

Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) fanden nun einen Zusammenhang zwischen der Vielfalt des Darmmikrobioms und dem Erfolg der Stammzelltransplantation heraus. Das Forschungsprojekt wurde auf dem diesjährigen Kongress der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) ausgezeichnet.

Für viele Patienten mit einer bösartigen Erkrankung des blutbildenden Systems wie Leukämie oder Lymphom ist es oft die einzige Chance auf Heilung: die Übertragung fremder Stammzellen und die damit verbundene Implementierung eines neuen Immunsystems. Eine solche allogene Stammzelltransplantation ist inzwischen die häufigste zelluläre Immuntherapie bei bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems. Die positiven Ergebnisse dieser Behandlung können jedoch aufgrund der so genannten „Transplantat-gegen-Wirt-Krankheit“ (GvHD), von der oft der Darm betroffen ist, wie auch durch eine unzureichende Immunantwort gegen den Tumor (Graft-versus-Leukämie, GvL) stark beeinträchtigt werden.

Eine Gruppe aus Ärzten und Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Regensburg untersucht seit vielen Jahren die Wechselwirkungen zwischen Stammzelltransplantationen und dem Darmmikrobiom. „Die ,Darmflora‘, genauer bezeichnet als das ,Darmmikrobiom‘, d.h. die Gesamtheit der Mikroorganismen, die unseren Verdauungstrakt besiedeln, kann die Wirksamkeit einer allogenen Stammzelltransplantation sehr beeinflussen“, erklären Professor Dr. Ernst Holler, Senior-Professor für allogene Stammzelltransplantation des UKR, und PD Dr. Daniela Weber, Oberärztin für allogene Stammzelltransplantation in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des UKR. Beide haben in den letzten Jahren die klinische Mikrobiomforschung zur GVHD am UKR auf- und ausgebaut. „Jüngste Erkenntnisse deuten sogar darauf hin, dass ein ‚vielfältiges‘ Darmmikrobiom positiv auf den Erfolg einer Stammzelltransplantation wirkt. Im Umkehrschluss kann dies bedeuten, dass zum Beispiel die Gabe von Breitbandantibiotika vor einer Stammzelltransplantation und eine damit verbundene Schädigung des ‚Mikrobioms‘ den Erfolg der Transplantation gefährdet. Gleichzeitig stellt die Korrektur eines solchen ‚Mikrobiomschadens‘ zum Beispiel durch eine fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) eine neue vielversprechende Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit Darm-GVHD dar“, so Professor Dr. Hendrik Poeck, Spezialist für Akute Leukämien, Stammzelltransplantation und Tumorimmunologie in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des UKR.

Doch welche mikrobiellen Bestandteile des Darm-Mikrobioms für die positiven klinischen Effekte verantwortlich sind, bedarf weiterer Untersuchungen.

Neue mikrobielle Signaturen entdeckt

Unter der Leitung von Professor Poeck und Professor Holler sowie den ärztlichen Wissenschaftlern Dr. Erik Thiele-Orberg (Klinikum rechts der Isar München), Dr. Elisabeth Meedt (Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des UKR) und Dr. Andreas Hiergeist (Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg) konnten anhand einer Studie, die am UKR und am Klinikum rechts der Isar München durchgeführt wurde und 78 Patienten einschloss, neue „mikrobielle Signaturen“ entdeckt werden, die sich positiv auf die klinischen Ergebnisse auswirken. Damit verbunden war auch die Entdeckung einer bestimmten Klasse mikrobieller Botenstoffe, der so genannten „mikrobiellen Metaboliten“, und eine tiefere Charakterisierung der Mechanismen, wie diese gebildet werden können.

„Unsere Daten legen den Grundstein für eine klinische Testung von ausgewählten mikrobiellen Konsortien und / oder bestimmten „Metabolitmischungen“ in allogen stammzelltransplantierten Patienten, um perspektivisch sowohl die Ansprechraten zu verbessern als auch die Nebenwirkungen zu reduzieren“, erläutert Dr. Erik Thiele-Orberg, Arbeitsgruppenleiter und Facharzt am Klinikum rechts der Isar München.

Studienergebnisse mit dem Basic Science Award 2023 auf der EBMT ausgezeichnet

Die Ergebnisse dieser Studie wurden auf dem Kongress der European Society for Blood and Marrow Transplantation 2023 (EBMT), dem wichtigsten Kongress zur Stammzelltransplantation und zellulären Therapien in Europa, vorgestellt und mit dem Basic Science Award 2023 ausgezeichnet.

„Wir fühlen uns sehr geehrt und sind stolz auf die Auszeichnung mit diesem bedeutenden Preis. Dahinter steht harte Arbeit eines interdisziplinären Teams, das sich mit großem Engagement für eine nachhaltige Verbesserung der Wirkung allogener Stammzelltransplantationen einsetzt. Jeder einzelne Patient ist es wert, hierfür zu forschen“, sagt Professor Poeck.

Die Erforschung des Mikrobioms bei Krebspatienten und seine therapeutische Nutzung ist seit Jahren ein zentraler Fokus am UKR. Gemeinsam mit Professor Dr. Dr. André Gessner, Direktor des Institutes für Klinische Mikrobiologie und Hygiene des UKR und zentraler Partner in dieser Studie, wird derzeit eine therapeutische Nutzung des Mikrobioms mittels FMT bei Patienten nach allogener Stammzelltransplantation und bei nachgewiesenem „Mikrobiomschaden“ geplant. „Diesbezüglich verfügt unsere Mikrobiologie über eine einzigartige Erfahrung, Infrastruktur und auch die notwendigen Akkreditierungen zur Durchführung der klinischen Mikrobiomanalysen und perspektivisch auch FMTs“, sagt Professor Gessner.

Gleichzeitig verdeutlicht die enge Kooperation zwischen den Universitätsklinika Regensburg und rechts der Isar München die Bedeutung nationaler Forschungsnetzwerke wie des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung, um Spitzenforschung zu fördern und schneller Ergebnisse für eine noch bessere Patientenversorgung umzusetzen.

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