Unzureichende Ultraschall-Versorgung in der Schwangerschaft
08.12.2022 - Wird mein Kind gesund zur Welt kommen? Hat es Fehlbildungen oder angeborene Erkrankungen? Dies sind zentrale Fragen, die werdende Eltern umtreiben. In Deutschland hat jede Schwangere im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien ein Anrecht auf drei Ultraschalluntersuchungen, bei Auffälligkeiten kommen weitere hinzu.
Zumindest ein Teil dieser Untersuchungen gehört dringend in die Hände von Frauenärztinnen und -ärzten mit entsprechendem zertifiziertem Fachwissen und Geräteausrüstung, mahnen Expertinnen und Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM).
In Deutschland hat jede Schwangere das Anrecht auf drei Ultraschalluntersuchungen, die im ersten, zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel stattfinden. „Diese Untersuchungen haben sich seit über 25 Jahren bewährt und sind fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Allerdings haben sich die Anforderungen an diese Diagnostik in den vergangenen Jahrzehnten potenziert und damit auch die Möglichkeiten der Prävention“, sagt Professor Dr. med. Christoph Berg, Leiter des Schwerpunktes Pränatale Medizin, Gynäkologische Sonografie und Fetalchirurgie an der Universitätsfrauenklinik Köln und DEGUM-Vorstandsmitglied.
Im Rahmen der drei Ultraschalluntersuchungen werden neben der Anzahl der Feten und der Position der Plazenta, auch Auffälligkeiten des fetalen Wachstums und der Fruchtwassermenge festgestellt. Seit 2010 bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen zudem in der 20. Schwangerschaftswoche eine systematische anatomische Untersuchung des Ungeborenen. „Diese sogenannte 2b-Untersuchung dürfen alle Frauenärzte durchführen, die eine Onlineprüfung bei der kassenärztlichen Bundesvereinigung bestanden haben“, erklärt Berg. Das sei in den Augen des Ultraschallexperten keine ausreichende Expertise für diese anspruchsvolle Diagnostik. Hinzu kommt, dass der Untersuchende auch über ein ausgezeichnetes Ultraschallgerät verfügen sollte, um Fehlbildungen erkennen zu können. Das müsste, so Berg, zwingend eine weitere Voraussetzung für die 2b-Untersuchung sein.
Die DEGUM bietet in Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen für Ultraschall-Anwender ein mehrstufiges Zertifizierungssystem, um damit eine flächendeckende und in ihrer Qualität gesicherte Ultraschall-Diagnostik zu gewährleisten. „Im Sinne der Schwangeren wäre eine bessere pränatale Sonografie-Ausbildung sehr wünschenswert“, so Berg. Gerade mal 1090 der insgesamt 19.000 Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland haben eine DEGUM I-Zertifizierung, die – so Berg – ausreichend für die 2b-Untersuchung qualifiziere. 769 Frauenärzte und -ärztinnen haben die Stufe II, 60 die Stufe III. Zu ihnen werden diejenigen Patientinnen überwiesen, bei denen Auffälligkeiten in der 2b-Untersuchung festgestellt wurden, oder die ein besonderes Risiko aufweisen. Damit wird deutlich, dass nur ein Bruchteil der Schwangeren in Deutschland eine Ultraschalluntersuchung durch einen speziell qualifizierten Pränataldiagnostiker erhält.
Zusätzlich zu den in den Mutterschaftsrichtlinien verankerten Ultraschalluntersuchungen nehmen viele Schwangere in Deutschland das Angebot eines speziellen Ersttrimesterscreenings wahr, das allerdings nach wie vor selbst bezahlt werden muss. Die Kosten hierfür betragen bis zu 300 Euro. Das Screening kann zwischen Anfang der 12. und Ende der 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden und besteht aus einer differenzierten sonografischen Untersuchung des Ungeborenen und einem optionalen Bluttest bei der Schwangeren. „Diese Ultraschalluntersuchung hat sich heute international zur wichtigsten Screeninguntersuchung in der Schwangerschaft weiterentwickelt“, sagt Berg. Speziell ausgebildete Ultraschallexperten könnten dabei eine Vielzahl chromosomal und nicht chromosomal bedingter Anomalien diagnostizieren, insbesondere Trisomien, syndromale Krankheitsbilder und Neuralrohrdefekte, aber auch einen Großteil der Herzfehler. „Wird diese frühe Ultraschallfeindiagnostik durch eine Blutentnahme und Blutdruckmessung bei der Mutter ergänzt, kann zusätzlich das Risiko für eine Mutterkuchenschwäche wie auch für eine Schwangerschaftsvergiftung abgeschätzt werden und eine entsprechende Prophylaxe initiiert werden“, erklärt der Experte.
Da das Erstsemesterscreening aber nur von einem Teil der 600.000 gesetzlich versicherten Schwangeren pro Jahr in Anspruch genommen wird, fallen die meisten Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen erst bei der zweiten oder dritten routinemäßigen Ultraschalluntersuchung auf. Zu spät, findet Berg. Dies sei umso bedauerlicher, als dass es für viele fetale Erkrankungen sehr gute vorgeburtliche Behandlungsmethoden gäbe und die Wahl eines entsprechend erfahrenen und ausgestatteten Perinatalzentrums die Prognose des Neugeborenen entscheidend verbessern könne, so der Experte. „Es wäre sehr wünschenswert, zumindest eine der drei Ultraschalluntersuchungen in die Hand der am besten ausgebildeten und ausgerüsteten Untersuchern zu geben, präferentiell die Untersuchung im ersten oder zweiten Trimester“, so Berg abschließend.
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