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Volatile Energiepreise zu erwarten

09.02.2021 - Auch wenn einstweilen die Aussichten auf die Energiepreise positiv sind – weil gegenwärtig sinkend: Auf mittlere Sicht ist eine Steigerung zu erwarten.

Deswegen gilt es, Einsparpotenziale beim Energieverbrauch zu realisieren, auch wenn dies bei den „zeitlichen und finanziellen Ressourcen schwierig wird“, wie unsere Gesprächspartner Dr. Anne Hagemeier von Fraunhofer Umsicht und Christoph Schüring von der Effizienzbörse Deutschland im Gespräch konstatieren.

M&K: Der Vergleichswert des Strom-Energieverbrauchs in deutschen Krankenhäusern schwankt zwischen 3.500 und 11.500 kWh pro Bett. Sind Schwankungen in dieser Größenordnung überhaupt vertretbar?

Schüring: Wir sind weiterhin zu der Erkenntnis gelangt, dass die Datenlage denkbar schlecht ist. Insbesondere bei Krankenhäusern bedarf es hinsichtlich öffentlicher Gesamtkennwerte detaillierterer Kategorisierungen, damit Betreiber, technische Leiter und Energieberater einfacher Potenziale abschätzen können.

Welche Stellschrauben stehen den Betreibern generell zur Verfügung, um die Situation zu verbessern?

Hagemeier: Grundsätzlich kann an vielen Stellen angesetzt werden: Durch den Austausch veralteter Anlagen, dem Einsatz effizienter Pumpen und Ventilatoren und der Isolierung von Rohrleitungen können erhebliche Energiemengen eingespart werden. Leistungen sollten stets an den Bedarf angepasst sein. Doch nicht immer muss viel investiert werden: schon allein durch die Optimierung von Betriebsparametern und dem Zusammenspiel der Anlagentechnik oder das Abschalten von Geräten und Anlagen, während sie nicht genutzt werden, können erhebliche Einsparungen erzielt werden.

Schüring: Alle klassischen und bekannten Einsparpotenziale über die Wärmeerzeugung und Kälteerzeugung, Licht, Betrieb der Anlagen, sind in den Krankenhäusern bei Weitem nicht ausgeschöpft. Dies ist aus unserer Sicht u. a. auf die Struktur der Finanzierung und der Kernaufgabe der Behandlung und somit dem 24-Stunden Betrieb zurückzuführen.

In der Regel gibt es enorme Einsparpotenziale mit geringem Aufwand, sagen sie. Warum werden die nicht erschlossen?

Hagemeier: Das technische Personal ist in der Regel bereits mit dem Tagesgeschäft vollständig ausgelastet und genug damit beschäftigt, den Anlagenbetrieb aufrecht zu erhalten. Da fällt die Energieeffizienz leider oft hintenüber. Zudem fehlen in den meisten Fällen die Daten oder die Auswertung verfügbarer Daten, mit deren Hilfe es möglich wäre, Einsparmaßnahmen überhaupt erst zu identifizieren und auch deren Effekte quantifizieren zu können.

Schüring: Auch wenn in der Betriebstechnik gut ausgebildetes Personal eingesetzt wird, die effizientere Lösungen bereits durchdacht haben, besteht oftmals ein Problem in der Bewertung und Transparenz der angestrebten Maßnahmen.  Dem eigenen Personal glaubt man nicht so schnell, insbesondere wenn die Maßnahmen nur überschlägig präsentiert werden.

Fraunhofer Umsicht betont auch die Chancen aus der Energiewende, die sich für Klinikbetreiber ergeben. Damit ließen sich auch neue Geschäftsquellen erschließen. Wo liegen die sprudelnden Geldquellen?

Hagemeier: Das energiewirtschaftliche Umfeld wird sich in den kommenden Jahren deutlich ändern. Die Integration weiterer erneuerbarer Energiequellen in den Markt und die Abschaltung von Großkraftwerken werden sich an den Märkten in Form von sehr volatilen Preisen äußern, bis hin zu negativen Energiepreisen. Gleichzeitig werden flexibel betriebene dezentrale Anlagen ein immer wichtigerer Bestandteil von Energiesystemen. Indem Bedarf und Erzeugung über – bereits häufig in Krankenhäusern vorhandene – Speicherkapazitäten entkoppelt werden, können dezentrale Systeme, wie beispielsweise Blockheizkraftwerke, flexibel betrieben werden und von den schwankenden Preisen am Energiemarkt profitieren.

70 bis 80 % der haustechnischen Anlagen laufen energetisch nicht im optimalen Bereich. Das ist kein gutes Zeugnis für die Mitarbeiter. 

Hagemeier: Die Erfahrung zeigt, dass die Mitarbeiter in der Regel sehr gut wissen, wo die grundlegenden Probleme liegen.  Durch fehlende zeitliche und finanzielle Ressourcen werden diese dann aber doch nicht angefasst. Zudem sind Krankenhäuser sehr komplexe Gebäude, in denen sich ständig etwas ändert. Hier das optimale Zusammenspiel der Anlagen zu gewährleisten, ist ohne weitere Hilfsmittel und Tools nur schwer möglich.

Schüring: Ein Grund ist sicherlich, dass in erster Linie ein funktionierender Betrieb an 24 Stunden pro Tag der gesamten Betriebstechnik zu gewährleisten ist und dass dieses Ziel immer Vorrang vor Optimierungen oder Feinjustierungen hat. Auch werden oft zu hohe Sicherheitsaufschläge schon bei der Auslegung der Anlagen eingeplant.

EffMon ist ein Tool, das u.a. von Fraunhofer IOSB erarbeitet wurde. Welche Ergebnisse können aus dem Energiemonitoring erwartet werden, wie funktioniert es?

Schüring: Der Monitoring-Workflow hat drei Säulen: Zunächst werden aus einer energetischen Bestandsaufnahme die Anlagen und Bereiche identifiziert, die am meisten Einsparpotential versprechen. Im zweiten Schritt werden verfügbare Messdaten gesammelt und aufbereitet. Eventuell müssen einige neue Zähler oder Sensoren installiert werden. Im dritten Schritt werden die Daten möglichst automatisiert ausgewertet und in einfach verständlicher Weise dargestellt. Daraus wiederum leitet der Energie-Manager dann konkrete Maßnahmen ab.

Die Erkenntnisse aus dem EffMon-Projekt lieferten die Bestätigung, dass über ein gezielt eingesetztes Monitoring zusätzliche Energieeinsparpotenziale zu realisieren sind.

In den Projekten EnEff:KH und Hospital Engineering wurde sich ebenfalls mit der Energieeffizienz in Krankenhäusern befasst. Welche Hilfsmittel und Werkzeuge wurden in diesen Projekten für Krankenhäuser entwickelt?

Hagemeier: Im Projekt EnEff:KH wurden in 20 Krankenhäusern Messungen von Verbrauchs- und Betriebsdaten verschiedener Verbrauchsbereiche vorgenommen. Das Ziel war es, höher aufgelöste Vergleichsdaten bereitzustellen, um zu erkennen, wo typische Probleme liegen und darauf basierend Best-Practice-Beispiele zu erarbeiten. Diese Daten und Best-Practice-Maßnahmen können dem Abschlussbericht des Projektes entnommen werden. Diese ist über unsere Instituts-Website über die Suche nach dem Stichwort ‚EnEff Krankenhaus‘ zu finden.

In Deutschland sind für die Zukunft weiterhin heftige Strompreisschwankungen zu erwarten. Wie können Krankenhausbetreiber davon profitieren?

Schüring: Bei den zu erwartenden Strompreisschwankungen gibt es kein Patentrezept. Grundsätzlich gilt, dass ein durchschnittlicher Beschaffungspreis nur mit täglichen Tranchen zu erzielen ist. Wenn der Energiepreis aber voraussichtlich steigt, ist eine rasche Fixierung zum günstigeren Niveau besser. Im Risikomanagement betrachtet man die langfristigen Börsenpreise (zehn Jahre und mehr aus der Vergangenheit) und kann damit Chancen und Risiken abwägen und hieraus schlussfolgern, ob langfristige Verträge sinnvoll sind oder Risikominimierung durch Tranchen- oder strukturierte Einkaufsmodelle mehr Vorteile versprechen. Grundsätzlich treibt die erhöhte Nachfrage zum Jahresende die Preise regelmäßig. In der aktuellen Situation, in der durch COVID 19 ein nicht unerheblicher Rückgang der Stromnachfrage zu verzeichnen ist, hat das positive Auswirkungen auf günstigere Beschaffungspreise, aktuell zumindest für das Frontjahr 2021. Langfristig werden höhere Strompreise erwartet. Es gilt also; eine gute Risikoabschätzung vorzunehmen und mit den Beschaffungsmöglichkeiten abzugleichen.

Hagemeier: Zukünftig kann es zudem sinnvoll sein, die bisherigen Dimensionierungsregeln für BHKWs zu überdenken und von dem Prinzip der Auslegung auf maximale Volllaststunden abzuweichen. So kann über einen flexiblen Betrieb von den Strompreisunterschieden innerhalb eines Tages profitiert werden, indem das BHKW immer dann läuft, wenn besonders hohe Preise für den Strom erzielt werden.

Dazu ist es nötig, entsprechende Speicherkapazitäten zur Verfügung zu haben, um Bedarf und Erzeugung von einander entkoppeln zu können. Große Wärmespeicher sind aber ohnehin meist in Krankenhäusern vorhanden.

www.umsicht.fraunhofer.de

www.effizienzboerse.com

 

Zur Person

Dr. Anne Hagemeier hat an der TU Hamburg-Harburg Energie- und Umwelttechnik studiert und als Doktorandin bei Fraunhofer Umsicht promoviert. Heute ist sie dort wissenschaftliche Mitarbeiterin.

 

Dipl.-Ing. Christoph Schüring ist Projektleiter und Inhaber der Effizienzbörse Deutschland in Aichwald. Er startete beruflich bei der Erpag- Energiekosten- Revision- und Prüfungs AG in Lugano, Schweiz. Anschließend war er bei der McKinnon & Clarke GmbH in Esslingen im Bereich technische und kaufmännische Energieberatung als Senior Analyst tätig.

Autor: Bernd Waßmann, Herrenberg

Kontakt

Fraunhofer UMSICHT Inst.f. Umwelt-,Sicherheits-u.Energietechnik

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