Hygiene

Wasser ist ein elementarer Indikator

21.08.2024 - Die Bedeutung von Trinkwasserinfektionen und die Rolle des Abwassermonitorings steigt bei der Früherkennung und Bekämpfung von Ausbrüchen.

Trinkwasserinfektionen im Krankenhaus sind eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Patienten. So kann Abwassermonitoring eine wichtige Rolle spielen, um Trinkwasserinfektionen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dass es häufig zu Infektionen durch wasserübertragene Erreger kommt, liegt meistens daran, dass bestimmte Keime die Wassernetze in der Hausinstallation kolonisieren. Mit Wasser lassen sich besonders leicht Infektionen übertragen. Das kann zu einer massiven Keimbelastung in Gebäuden führen.

Pfleger, Hygieniker und Ärzte stehen immer wieder vor der Herausforderung einer Verbreitung von Viren sowie gramnegativer, pathogener Keime, die ohne ein umfassendes Präventionskonzept kaum zu bewältigen sein wird. Im Vorhaben AMELAG (Abwassermonitoring für die epidemiologische Lagebewertung) soll SARS-CoV-2 im Abwasser überwacht werden. Es ist geplant bundesweit bis zu 175 Kläranlagen zu untersuchen. Im AMELAG arbeiten das Umweltbundesamt und das Robert Koch-Institut gemeinsam mit Gesundheits- und Umweltbehörden der Länder, Laboren, Logistikunternehmen, dem Sanitätsdienst der Bundeswehr, Universitäten und den Betreibern der Kläranlagen. Abwasserproben werden mehrmals pro Woche am Zulauf von Kläranlagen entnommen.

Bei der Überwachung von Abwasser wird ermittelt, ob und in welcher Menge Inhaltsstoffe wie Krankheitserreger, Stücke des Erbguts von Viren oder Chemikalien vorhanden sind. Abwassermonitoring gehört zur abwasserbasierten Epidemiologie, um Ausbrüche schneller und genauer lokalisieren zu können. Durch Analysen des Abwassers wird das Ziel, Entscheidungen für bevölkerungsbezogene Maßnahmen zu treffen, als abwasserbasierte Surveillance benannt. Es werden Konzepte für Methoden zum belastbaren Nachweis von relevanten Infektionserregern (einschließlich deren Antibiotikaresistenzen) in Abwasserproben entwickelt. Der Fokus liegt dabei auf Enterobakterien mit klinisch wichtigen Antibiotikaresistenzen. Abwassermessungen und Auswertung mittels molekularbiologischer Methoden machen den Verlauf von Infektionszahlen vorhersehbar. Auch andere Erreger wie Polio, Papillomavirus, Norovirus, Chagas, Influenza A+B, H1N1 und Affenpocken werden im Abwasser gesucht. So könnte die abwasserbasierte Surveillance perspektivisch auch für die folgenden Erreger einen Mehrwert für die öffentliche Gesundheit bieten: Polioviren, multiresistente Erreger, Respiratorische Synzitial-Viren (RSV) und generell für neu auftretende Erreger.

Patientenschutz hat Vorrang

Patienten in Krankenhäusern und Pflegeheimen stellen immer eine Risikogruppe für wasserassoziierte Infektionen dar. Besonders gefährdet sind Ältere, Menschen mit schweren Grunderkrankungen, mit Malignomen, Patienten mit Immundefekt oder unter Immunsuppression, mit offenen Wunden, Stoffwechsel- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronisch Lungenkranke sowie Patienten unter einer Kortikosteroidtherapie. Es liegt grundsätzlich in der Verantwortung der Gesundheitseinrichtungen, die Keimarmut des Trinkwassers durch einen regelkonformen Betrieb der Trinkwasserinstallation zu erhalten. Wasser wird im Krankenhaus zu verschiedenen Zwecken und in ganz unterschiedlichen Zubereitungen verwendet.

Leitungswasser dient zum Trinken und in der Pflege, es gibt Hämodialysewasser und Hämodialysierflüssigkeit, Wasser für pharmazeutische Zwecke, Lösungen zur Reinigung und Desinfektion, zur Aufbereitung medizinischer Geräte, Wasser in Therapie- und Gebärbädern sowie Eis. Nosokomiale Infektionen durch Trinkwasser finden durch Verschlucken, Kontakt oder Einatmen der Aerosole statt. Abwassermonitoring bietet gegenüber anderen Methoden etliche Vorteile. Es ist nicht auf die Mitwirkung der Bevölkerung angewiesen. Da im Gegensatz zu den in der PCR nachgewiesenen Gensequenzen der tatsächliche Aufenthaltsort auch der Ort des Eintrags in die Kanalisation ist, ist die dadurch ermittelte Verbreitung genauer bei der geografischen Zuordnung. Bestimmt werden kann auch die Variantenverbreitung und in gewissem Umfang können auch Aussagen zur quantitativen Verbreitung in der Bevölkerung getroffen werden.

Abwasserdaten werden dabei stets ergänzend zu anderen Surveillancesystemen betrachtet. Durch die vergleichende Betrachtung verschiedener Systeme können lokale Krisenstäbe die Lage vor Ort umfassender bewerten und bevölkerungsbezogene Maßnahmen zur Pandemie- oder Endemiebewältigung ableiten. Kritik ist angezeigt: Werden über das Abwassermonitoring frühe Anzeichen für eine neue Welle erkannt, dann ist es naheliegend, Maßnahmen zu treffen, die die Weiterverbreitung verhindern oder reduzieren. Das ist gegenwärtig selbst dort, wo schon ein Monitoring existiert, regelmäßig nicht der Fall. Zu folgenden Aspekten ist keine Aussage möglich: Virulenz und klinische Relevanz der nachgewiesenen Erreger bzw. deren Varianten, Schwere der Erkrankung, Belastung des Gesundheitswesens, betroffene Bevölkerungsgruppen (Geschlechts- oder Altersverteilung), Risikofaktoren und protektive Faktoren, Impfeffektivität. In den USA werden erstmals landesweite Grenzwerte für „ewige Chemikalien“ in Leitungswasser eingeführt. Die landesweiten Vorgaben für die PFAS-Chemikalien sollten „tausende Todesfälle“ verhindern, teilte die US-Umweltbehörde EPA in Washington mit. PFAS ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, eine große Gruppe von synthetisch hergestellten Molekülen. Auch in der EU gelten bereits PFAS-Grenzwerte.

Trinkwasser enorm kostbar

Wasserentnahmestellen tragen zum Infektionsrisiko in medizinischen Einrichtungen bei. Bis zu 150.000 verschiedene, aktive Zellen enthält ein einziger Milliliter Trinkwasser. Es konnte nachgewiesen werden, dass Wasser als ursächliches Reservoir von Pseudomonas aeruginosa bedingten nosokomialen Infektionen auf 50 % der Intensivstationen feststellbar war. Die für die Trinkwasserhygiene relevanten Mikroorganismen lassen sich nach biologischen und epidemiologischen Gesichtspunkten in mehrere Gruppen unterteilen: fäkal-oraler Übertragungsweg, Bakterien (Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, V. cholerae, E. coli), Viren (Hepatitis A, Polio- und Rotaviren), Protozoen, Erreger nicht-fäkalen Ursprungs, Legionella (L) pneumophila, Pseudomonas aeruginosa, Mykobakterien und Amöben.

Im Gegensatz zu Escherichia coli und Enterokokken ist P. aeruginosa kein Parameter, der regelmäßig in die Untersuchung von Trinkwasserproben einbezogen wird. P. aeruginosa ist ein ubiquitär verbreitetes Umweltbakterium, das als natürlicher Bewohner im feuchten Milieu in geringen Konzentrationen vorkommt (assoziiert in Erde und Wasser). P. aeruginosa zeichnet sich durch Eigenschaften wie geringe Nährstoffansprüche, Wachstum in einem breiten Temperaturbereich sowie die Fähigkeit zur Biofilmbildung aus und ist in der Lage, sowohl in wasserführenden Systemen als auch in destilliertem Wasser zu überleben und sich zu vermehren. Als Folge eines Eintrages ist die Besiedlung verschiedener Materialklassen wie Edelstahl, Kunststoffe, Weich-PVC oder Dichtmaterialien möglich, wobei neue Materialien ohne bestehenden Biofilm stärker besiedelt werden als Oberflächen mit einem vorhandenen Trinkwasser-Biofilm. P. aeruginosa gilt als fakultativ pathogener Krankheitserreger.

Insbesondere bei Personen mit prädisponierenden Faktoren besteht die Besorgnis einer Infektion. Dazu zählen invasive Fremdkörpersysteme wie Harnwegskatheter, Venenkatheter, Beatmungstuben, aber auch offene akute und chronische Wunden, Verbrennungen sowie bestimmte Grunderkrankungen wie Mukoviszidose. Daher besitzt P. aeruginosa als Erreger nosokomialer Infektionen wie Harnwegsinfektionen, Pneumonien oder Septikämien große Bedeutung in medizinischen Einrichtungen. Ebenfalls im Vordergrund stehen Infektionen durch Pseudomonas und Stenotrophomonas species.

Autor: Hans-Otto von Wietersheim, Bretten

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