Hygiene

Welche Strategien gegen Vielfachresistenzen?

13.06.2022 - Zu den MRE gehören methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) und multiresistente gramnegative Stäbchen (MRGN).

Für den klinischen Alltag ist die Resistenz von Mikroorganismen gegen Wirkstoffe, speziell gegen Antibiotika, ein großes Problem. Die Zahl resistenter Mikroben nimmt dabei drastisch zu. Aufgrund dessen können Infektionen inzwischen wieder für Menschen lebensbedrohlich werden. Darüber hinaus entstehen neue Resistenzmechanismen durch spontane De-novo-Mutationen. Sobald sich Selektionsdruck durch den Einsatz von Antibiotika aufbaut, ergibt sich ein Überlebensvorteil für die derart ausgestatteten Mikroorganismen bis hin zu dominanter, klonaler Verbreitung einzelner Stämme über den ganzen Globus. Die Situation wird weiter dadurch kompliziert, dass vermehrt multiresistente Keime auftreten, die gleich vor mehreren Antibiotika oder anderen Wirkstoffen gefeit sind.

Nosokomiale Infektionen stellen eine der häufigsten Komplikationen während einer Behandlung in medizinischen Einrichtungen dar und können die Behandlungsdauer signifikant verlängern. Medizinische Einrichtungen sind verpflichtet, durch Hygienemaßnahmen Erregerübertragungen sowie Infektionen bei Patienten und Personal zu vermeiden. Zur Festlegung der richtigen angemessenen Hygienemaßnahmen in den einzelnen Einrichtungen bedarf es einer Betrachtung der Risikofaktoren der betreuten Patienten, der Risiken durch invasive medizinische Maßnahmen und der möglichen Übertragungswege der Erreger.

Besiedelung und Screening auf MRE

Nach bekannten Hochrechnungen gibt es in Deutschland circa 35.000 Patienten, welche jedes Jahr an einer nosokomial erworbenen Infektion mit einem MRE erkranken, wobei von diesen 35.000 Patienten circa 1.500 Patienten jährlich versterben. Diese Schätzungen beruhen auf Labordaten und Prävalenzstudien. Die übliche Definition von nosokomialen Infektionen umfasst alle Erkrankungen, die später als 48 Stunden nach der Aufnahme auftreten. Diese Definition bezieht sich auf bakterielle Infektionen, die eine kurze Inkubationszeit haben. Auf Viren ist diese Definition nicht anwendbar, da die Inkubationszeiten länger sind. Nicht verwunderlich, dass die Sorge der Menschen sich während eines Krankenhausaufenthaltes zu infizieren groß ist. Durch die fünf häufigsten nosokomialen Infektionen gehen pro Jahr eine Viertelmillion gesunder Lebensjahre (DALY) verloren. Welcher Anteil davon wahrscheinlich vermeidbar ist, ist schwer zu beziffern. Noch schwieriger ist es, die Anzahl der Toten wegen vermeidbarer nosokomialer Infektionen zu schätzen.

In Studien wurde die Zahl der fünf häufigsten nosokomialen Infektionen ermittelt, die für etwa 80 % aller Klinikinfektionen verantwortlich sind: Dies sind Clostridioides difficile-Infektionen (CDI), Pneumonien (HAP), primäre Blutbahninfektionen (BSI), Harnwegsinfektionen (UTI) und chirurgische Infektionen (SSI). Die Inzidenzen wurden dann auf die Bevölkerung hochgerechnet. Neben den im Krankenhaus erworbenen ha-MRSA sind zwei weitere MRSA-Gruppen definiert: ca-MRSA (Community-acquired) und la-MRSA (Livestock-associated). Studiendaten legen nahe, dass nur ein Bruchteil der mit 3MRGN-E. coli und -K. pneumoniae kolonisierten Patienten im Krankenhaus bekannt wird. Eine generelle Empfehlung für ein Aufnahmescreening für 3MRGN gibt es nicht. MRSA wurde vornehmlich in Blutkulturen nachgewiesen. Häufig kam dieser Erreger auch in Trachealsekreten vor. Weniger fanden sich MRSA-Nachweise in Wundabstrichen, Liquor, Gelenkpunktaten und Devices.

Um der zunehmenden Bedrohung durch MRE zu begegnen, ist das Verständnis der Resistenzmechanismen zentral. Eine wichtige Rolle dabei spielen Transportproteine. Ein deutsch-britisches Forschungsteam unter Leitung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) beschreibt nun die dreidimensionale Struktur des Transportproteins Pdr5, das ähnlich auch bei humanpathogenen Pilzen vorkommt. Die Ergebnisse können helfen, Wirkmechanismen gegen gefährliche MRE zu entwickeln. Diese machen sich ihre genetische Variabilität, zahlreiche intrinsisch vorhandene Resistenzmechanismen, multiple Modi des Genaustauschs und die kurze Generationszeit im Sinne einer raschen Selektion und Mikroevolution zunutze.

Neue klinische Relevanz

Die Forschung untersucht die Mechanismen, mithilfe derer sich Mikroben gegen die für sie giftigen Stoffe wappnen. Unter anderem transportieren sie die Giftstoffe aktiv aus der Zelle heraus, bevor sie Schaden anrichten können. Sie nutzen dazu spezielle Membrantransportproteine. Insbesondere in eukaryotischen Mikroben – solchen mit einem Zellkern, im Gegensatz zu den Bakterien, die keinen Zellkern besitzen – wie Pilzen gehören diese Membranproteine der Familie der ABC-Transporter (ATP binding cassette) an. Sie exportieren Giftstoffe, indem sie den zellulären Energieträger ATP aufspalten.

Das deutsch-britische Forschungsteam unter der Leitung von Professor Dr. Lutz Schmitt stellt die dreidimensionale Struktur des ABC-Transporters Pdr5 aus einem Pilz in mehreren funktionalen Zuständen vor. Sie bestimmten diese Strukturen mithilfe der Einzelpartikel-Kryoelektronenmikroskopie, mit der die biologischen Moleküle in höchster Auflösung und in ihrer natürlichen Form untersucht werden können, indem sie auf tiefe Temperaturen schockgefroren werden. Das Forschungsteam zeigte, dass Pdr5 nicht nur ein zentrales Transportprotein ist, durch das die Membranprotein-vermittelten Resistenzen bewirkt wird. Anhand der aufgelösten Strukturen konnte sowohl die Substratbindestelle lokalisiert als auch der Transportzyklus definiert werden. Pdr5 stellt seit mehr als 30 Jahren das Modellsystem für PDR-Proteine aus humanpathogenen Pilzen – wie etwa Candida albicans, das Candidiasis verursacht – dar. Die neuen Ergebnisse helfen zu erklären, was auf molekularer Ebene ein einziges Membranprotein befähigt, viele strukturell unterschiedliche Moleküle effizient am Eintritt in die Zelle zu hindern bzw. effizient aus der Zelle heraus zu transportieren. Auf dieser Grundlage kann nun begonnen werden, gezielt neue Wirkstoffe zu designen, die den Resistenzen entgegenwirken.

Globale Probleme sind offen

Bakterielle Infektionen sind auffallend häufige Gründe für nicht-selektive Hospitalisierungen von Patienten. Das nachgewiesene Erregerspektrum wandelte sich bei Erstinfektion von einer vorwiegend grampositiven hin zu einer gramnegativen nosokomialen Infektion. Die Wahl der antiinfektiven Therapie sollte daran angepasst werden, um die Prognose betroffener Patienten zu verbessern. Nosokomiale Infektionen entstehen oft durch Mikroorganismen der körpereigenen Flora des Patienten (endogene Infektionen). Diese Mikroorganismen besiedeln Haut und Schleimhäute und können unter bestimmten Bedingungen in sterile Körperbereiche gelangen. Sofern hierfür medizinische Maßnahmen wie Operationen, Gefäßkatheter, Blasenkatheter etc. eine Rolle spielen, spricht man auch von sekundär endogenen Infektionen.

Die normale Mikroflora des Menschen verändert sich bei längerer Krankenhausbehandlung. Dabei kann es zur Besiedlung auch mit multiresistenten Erregern kommen, die ihrerseits wiederum beispielsweise bei Immunschwäche zu Infektionserregern werden können. Darüber hinaus existieren die exogen bedingten nosokomialen Infektionen, bei denen es zur direkten Übertragung der Erreger aus der Umwelt oder von anderen Personen (Besucher, Patienten oder Personal) kommt. Während die Gruppe von nosokomialen Infektionen, die ihren Ursprung in exogenen Erregern haben, generell vermieden werden sollte, können endogen bedingte nosokomiale Infektionen nur teilweise verhindert werden.

Simulation versus MRE

Ein Computermodell könnte Menschen identifizieren, die ahnungslos gefährliche Krankenhauskeime mit sich tragen. Die Simulation soll in Kliniken antibiotikaresistente Krankheitserreger bei Patienten aufspüren. Bakterien werden häufig ohne Symptome tragen und dann in der Klinik verbreiten. Sen Pei und Jeffrey Shaman von der Columbia University in New York City entwickelten zusammen mit Fredrik Liljeros von der Universität Stockholm ein Computermodell, in dem simulierte Personen sich durch ein Krankenhaus bewegen und miteinander interagieren. Um das System realistisch zu machen, nutzte das Team beim Aufbau des Systems echte Daten eines Ausbruchs des Krankenhauskeims MRSA in 66 schwedischen Krankenhäusern. Fazit: 40 % weniger MRSA-Fälle. Die Ergebnisse geben einen Ausblick, wie solche Modelle Gesundheitseinrichtungen helfen können, Krankenhauskeime zu verhindern.

Autor: Hans-Otto von Wietersheim, Bretten

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