Aus den Kliniken

Wenn Ärzte selbst zu Patienten werden: Im Krankheitsfall überwiegt das Misstrauen gegenüber Kollegen

29.11.2023 - Medizinisches Fachwissen kommt Ärzten in verschiedenen Lebensbereichen zugute – auch, wenn sie selbst einmal erkranken. Wie der neue Medscape-Report zeigt, behandeln sich 92% der Ärzte im Krankheitsfall bevorzugt selbst.

Wenn Ärzte dann wirklich mal zum Arzt müssen, gehen viele davon aus, dass sie bevorzugt behandelt werden und auch schneller einen Termin bekommen. Therapieentscheidungen von ärztlichen Kollegen werden aber kritischer hinterfragt als von nicht medizinisch ausgebildeten Patienten. Ein Großteil der Umfrageteilnehmer ist sogar der Meinung, dass Ärzte in der Rolle des Patienten bestimmte Therapien eher ablehnen als medizinische Laien. Weitere Einblicke in das Spannungsfeld zwischen Skepsis und Vertrauen, in dem sich Ärzte im Krankheitsfall zu bewegen scheinen, liefert die aktuelle Medscape-Umfrage.

Im Krankheitsfall und bei der Vorbeugung von Krankheiten verzichten Ärzte am liebsten auf die Hilfe ihrer Kollegen. Eindrückliche 92% bevorzugen eine Behandlung in Eigenregie, so das Ergebnis des neuesten Medscape-Reports „Ärzte als Patienten“. Lediglich 8% der befragten Ärzte würden sich generell nur von anderen Ärzten behandeln lassen. Im Falle, dass doch einmal externe Hilfe benötigt wird, geben 44% der Umfrageteilnehmer an, sich dann doch lieber an Ärzte zu wenden, die sie persönlich kennen – darunter Freunde oder Bekannte, Kollegen am Arbeitsplatz oder Ärzte aus Zeiten des Studiums.

43% der befragten Ärzte gehen davon aus, dass sie als Mediziner bei einem Arztbesuch grundsätzlich besser therapiert werden, 45% erwarten keinen Unterschied und 12% sogar eine schlechtere Behandlung beim Kollegen. Klar im Vorteil sehen sich Ärzte, wenn es darum geht, schnell einen Termin zu bekommen (59%). Einige Ärzte sind zudem der Meinung, nicht nur bessere Therapien, sondern oft (14%) oder gelegentlich (48%) auch unübliche Therapieangebot zu erhalten. Diese Sonderbehandlungen sind laut Umfrageteilnehmer häufig teurer und aufwändiger (64%), es werden neue medizinische Methoden angeboten (53%), andere Medikamente als in den Leitlinien empfohlen (37%), oder sogar experimentelle Behandlungen (11%). Die genauen Umfrageergebnisse finden Sie hier.

Woher rührt die Vorliebe, die eigene medizinische Versorgung selbst zu übernehmen? Beim Blick auf die weiteren Umfrageergebnisse scheinen Misstrauen und Ängste eine entscheidende Rolle zu spielen. 47% berichten, ihr Fachwissen würde Ängste vor Krankheiten oder stationären Therapien verstärken. Ein Großteil geht davon aus, den Kollegen mehr Fragen zu stellen als medizinische Laien (57%). Eine gewisse Skepsis oder kritische Haltung gegenüber Kollegen begleitet also viele Ärzte, denn Therapieentscheidungen werden gerne mit dem behandelnden Arzt diskutiert oder wurden schon mindestens einmal infrage gestellt (66%). Jeder 2. Arzt gab zudem an, als Patient im Krankenhaus misstrauisch zu sein.

Doch längst nicht alle Mediziner sind von Misstrauen und Ängsten hinsichtlich Krankheiten oder Therapien geprägt. 25% sind der Meinung, dass ihr Fachwissen keinen Einfluss auf das Angstempfinden hat, weitere 29% der befragten Ärzte schreiben ihrer medizinischen Fachkompetenz sogar einen beruhigenden Effekt zu. Das Wissen über Krankheitsverläufe, Nebenwirkungen und Risiken von Medikamenten oder Therapieoptionen scheint Ärzten auch im Umgang mit der eigenen Erkrankung zu helfen und darüber hinaus u.a. für mehr Sicherheit bei wichtigen Entscheidungen zu sorgen.

Patientenperspektive beeinflusst Empathie der Ärzte

Als Arzt im Krankheitsfall selbst einmal zum Patient zu werden, ist für viele trotz ihres medizinischen Umfelds eine ungewohnte Situation. Während sich die Umfrageteilnehmer uneins darüber sind, ob sie einen Vorteil in Form von besseren Therapien oder schnelleren Terminen wahrnehmen, hat die Rolle als Patient darüber hinaus einen ganz anderen Effekt.

„Wenn Ärzte selbst einmal erkranken, erleben Sie den Medizinbetrieb von der anderen Seite. Was diese Erfahrung mit ihnen macht, zeigt die bemerkenswerte Zahl von 70%, die von einer veränderten Sichtweise auf ihre eigenen Patienten berichten. 64% geben zudem an, durch die eigene Diagnose oder Erkrankung einfühlsamer gegenüber Patienten geworden zu sein. Ein durchaus positiver Effekt für beide Seiten. Die Erfahrung als Arzt in Behandlung zu sein kann prägen und das eigene Verhalten ändern – hin zu mehr Empathie und Respekt“, so Claudia Gottschling, Chefredakteurin von Medscape Deutschland.

Für den aktuellen Medscape-Report „Ärzte als Patienten“ nahmen von Mitte April 2022 bis Ende Juli 2023 mehr als 1.000 Ärztinnen und Ärzte, die in Deutschland leben und arbeiten, an einer Online-Umfrage teil.

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