Wenn Gehirn und Stoffwechsel nicht richtig kommunizieren
25.11.2023 - Der Ulmer Mediziner Professor Martin Heni erhält einen ERC Consolidator Grant. Der Wissenschaftler und Arzt leitet die Sektion für Endokrinologie und Diabetologie in der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Ulm.
Für seine Forschung zur Interaktion zwischen Gehirn und Stoffwechsel bekommt er für die nächsten fünf Jahre zwei Millionen Euro. Heni möchte herausfinden, ob Veränderungen im Zusammenspiel zwischen Gehirn und Stoffwechselorganen Diabetes-Erkrankungen noch gefährlicher machen.
Diabetes ist nicht gleich Diabetes. Das Risiko für Folgeerkrankungen und Komplikationen sowie das Sterberisiko ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Wie kommt das? Der Ulmer Endokrinologe und Diabetologe Professor Martin Heni vermutet, dass in den Hochrisikogruppen das Zusammenspiel – der sogenannte Crosstalk – zwischen Gehirn und Stoffwechselorganen gestört ist. Um diese Annahme zu überprüfen, hat Heni nun vom Europäischen Forschungsrat (ERC) in Form eines Consolidator Grant Forschungsgelder in Millionenhöhe erhalten. Dieses Förderformat für Forschende, die sich bereits in einem wissenschaftlichen Feld etabliert haben, gehört zu den renommiertesten in Europa und wird auf Grundlage wissenschaftlicher Exzellenz vergeben. „Ich freue mich sehr, dass ich als klinischer Forscher diese großartige Auszeichnung erhalten habe. Das ist eine schöne Motivation für mich und mein Team“, sagt Martin Heni. Der 42-jährige Wissenschaftler und behandelnde Arzt, der sich in seiner Forschung auf die Wechselwirkung von Stoffwechsel und Gehirn spezialisiert hat, möchte mit seinem translationalen Ansatz Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die klinische Praxis übertragen.
Eines seiner Ziele: Methoden entwickeln, um Patientinnen und Patienten mit einem hohen Komplikations- und Sterblichkeitsrisiko zu identifizieren, bevor sich der Diabetes überhaupt manifestiert hat. Der Fokus liegt dabei auf dem wechselseitigen Zusammenhang zwischen Gehirn und Stoffwechselorganen. Wie wird dieser Crosstalk koordiniert? Eine wichtige Rolle spielen nach Ansicht von Heni nicht nur Hormone wie Insulin und Leptin sowie deren Interaktion. Der Ulmer Mediziner vermutet, dass hier auch neuronale Prozesse involviert sind, die über das autonome Nervensystem, den Parasympathikus, vermittelt werden. Das Neuartige an Henis feldübergreifendem Ansatz: Er verbindet endokrinologische, neuronale und metabolische Prozesse miteinander, um neue Erkenntnisse zur Entstehung von Stoffwechselerkrankungen zu erlangen. Ein wichtiger Fokus liegt hierbei auch auf Geschlechtsunterschieden, die dabei eine wichtige Rolle spielen könnten: „Ich möchte verstehen, wie genau es zu diesen Unterschieden kommt und vermute, dass hier neuronale Prozesse im Hintergrund ablaufen, die bislang als solche noch nicht bekannt sind.“
Der Ulmer Forscher freut sich darauf, all diese Fragen gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe in den nächsten Jahren klären zu dürfen. Martin Heni, der sich als Teamplayer sieht, vertraut auch auf die Kompetenz und das Können seiner wissenschaftlichen Mitarbeitenden. Sein Erfolgsrezept für die Forschung: eine gewisse Grundoffenheit Anderen gegenüber und die Bereitschaft, Unerwartetes zu akzeptieren. „Ich möchte dann natürlich herausfinden, was hinter dem unerwarteten Ergebnis liegt“, so der Arzt, der sich bereits als Medizinstudent für die molekularbiologische Forschung begeistert hat.
Professor Martin Heni hat in Greifswald und Tübingen Medizin studiert. In der Stadt am Neckar hat er sein Arztexamen abgelegt und viele Jahre in der klinischen Diabetes-Forschung und Endokrinologie gearbeitet, zuletzt auch in leitender Stellung, bevor er 2022 am Universitätsklinikum Ulm auf die Professur für Endokrinologie und Diabetologie berufen wurde. Der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler hat in den letzten Jahren unter anderem den renommierten Minkowski-Preis der Europäischen Diabetes-Stiftung EASD erhalten sowie den Ferdinand-Bertram-Preis der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Henis wichtigster Mentor war der Tübinger Endokrinologe Professor Hans-Ulrich Häring. Von ihm hat er die Begeisterung für die Diabetes-Forschung und Leidenschaft für die Wissenschaft übernommen.