Wie digitale Geräte Vorhofflimmern erkennen
25.10.2022 - Frühe Diagnose ist entscheidend, Wearables können ersten Hinweis geben. Die Deutsche Herzstiftung erklärt Vor- und Nachteile der Messung per Smartwatch.
Die Volkskrankheit Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung mit 1,5 bis 2 Millionen Betroffenen in Deutschland. „Vorhofflimmern ist eine ernst zu nehmende Herzrhythmusstörung, weil sie unbemerkt und unbehandelt zur lebensbedrohlichen Gefahr bis hin zu Herzschwäche und Schlaganfall werden kann“, warnt der Herzspezialist und Vorstandsvorsitzende der Deutschen Herzstiftung Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer. Auch Demenz und eine verminderte Lebensqualität sind weitere mögliche Folgen dieser Herzrhythmusstörung.
Eine frühzeitige Diagnose von Vorhofflimmern ist daher entscheidend, um die Risiken zu mindern, doch in einigen Fällen gestaltet sich das schwierig: „Wenn eine Rhythmusstörung nur kurz anhält, ist es eine Herausforderung, sie mit einem herkömmlichen EKG zu dokumentieren“, erläutert Prof. Dr. Christian Veltmann, Kardiologe und Elektrophysiologe am Klinikum Links der Weser in Bremen. Moderne Smartwatches und andere tragbare Geräte mit EKG-Sensoren oder vergleichbarer Technik, sogenannte „Wearables“, könnten dann bei der Diagnose unterstützen. „Wearables können Vorhofflimmern mit einer hohen Treffsicherheit erkennen, können die Diagnose beim Arzt aber nicht ersetzen“, betont der Kardiologe. Anlässlich der bundesweiten Herzwochen zu Vorhofflimmern informiert die Deutsche Herzstiftung unter http://www.herzstiftung.de/herzwochen welche digitalen Geräte bei der Diagnose helfen können, wie sie funktionieren und welche Vor- und Nachteile sie bieten.
Vorhofflimmern bleibt häufig unbemerkt
Bei vielen Patienten äußert sich das Vorhofflimmern durch Herzstolpern oder Herzrasen, einer Einschränkung der Belastbarkeit, Enge in der Brust, Schwindel oder Schwäche. Bei einigen Betroffenen verursacht die Herzrhythmusstörung allerdings keinerlei Symptome. Doch auch diese Patienten sind von Schlaganfall und Herzschwäche bedroht. Wegen der möglichen schwerwiegenden Folgen empfehlen kardiologische Fachgesellschaften inzwischen, Risikopatienten regelmäßig auf Vorhofflimmern zu testen (Screening). „Alle Menschen über 75 Jahre sowie Patienten über 65 Jahre mit weiteren Risikofaktoren für einen Schlaganfall sollten regelmäßig auf Vorhofflimmern untersucht werden“, erklärt Veltmann. Um die Rhythmusstörung zu erkennen, setzen Ärzte entweder ein klassisches 12-Kanal-EKG, ein Langzeit-EKG oder einen sogenannten Ereignisrekorder ein. Eine besondere Herausforderung für die Diagnose ist es, wenn das Vorhofflimmern nur gelegentlich auftritt. „Zum Screening auf Vorhofflimmern eignen sich Wearables deshalb besonders gut, weil sie sowohl ein regelmäßiges – etwa einmal am Tag – als auch ein gelegentliches Screening – immer mal wieder – ermöglichen“, erklärt Veltmann.
So funktioniert die Messung per Smartwatch
Für die Messung der elektrischen Aktivität des Herzens per Smartwatch werden zwei Verfahren eingesetzt: Beim 1-Kanal-EKG sind zwei Elektroden in der Smartwatch integriert. Die Elektrode an der Rückseite des Gerätes hat Kontakt mit dem Trägerarm, die zweite Elektrode an der Oberseite der Uhr wird durch Berühren mit dem Finger der anderen Hand aktiviert.
Völlig anders funktioniert die sogenannte Photoplethysmographie (PPG), bei der die Herzfrequenz optisch mittels Infrarotlicht gemessen wird. Bei diesem Verfahren sendet die Smartwatch Infrarotlicht in die Haut und misst gleichzeitig, wie viel Licht die Haut reflektiert. Diese Menge ist abhängig davon, wie viel Blut durch die oberflächlichen Kapillaren fließt. Das Gerät rechnet die reflektierte Lichtmenge in eine Pulswelle um und erkennt Unregelmäßigkeiten wie Herzrhythmusstörungen mit großer Zuverlässigkeit.
Beide von Wearables genutzten Verfahren – ob mit Elektroden oder Photoplethysmographie – sind in der Lage, Vorhofflimmern mit einer Treffsicherheit von über 90 Prozent zu erkennen. Der Vorteil: Regel- oder Unregelmäßigkeiten werden vom Gerät in bestimmten zeitlichen Abständen unbemerkt vom Träger aufgezeichnet und ausgewertet. Ergeben sich Anzeichen von Vorhofflimmern, erhält der Anwender den Hinweis, sich ärztlich auf Vorhofflimmern untersuchen zu lassen. „Wearables sind in der Lage Vorhofflimmern zu erkennen und zu dokumentieren, allerdings bedarf es immer einer Bestätigung der Diagnose für die erfasste Rhythmusstörung durch den Facharzt“, betont Prof. Voigtländer. Um Unsicherheiten und Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollten die Geräte am besten gezielt und in Absprache mit dem behandelnden Arzt eingesetzt werden.
Smartwatches und ihre Grenzen: erfassen keine Durchblutungsstörungen
Besonders wichtig für Anwender von Smartwatches ist der Punkt, dass die 1-Kanal-EKG-Erfassung dieser Geräte nicht die Erkennung von Durchblutungsstörungen des Herzmuskels ermöglicht. „Smartwatches sind nicht dafür geeignet, einen Herzinfarkt oder bösartige Herzrhythmusstörungen zu erkennen. Bei Schmerzen im Brustraum, die auf einen Herzinfarkt hinweisen könnten, dürfen Betroffene daher keine Zeit mit der Smartwatch verlieren, sondern müssen nach wie vor sofort den Notruf unter 112 verständigen“, sagt der Herzstiftungs-Vorsitzende Prof. Voigtländer.
Kontakt
Deutsche Herzstiftung e.V.
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