Aus den Kliniken

Wie schädigen Operationen mit Herz-Lungen-Maschine die Darmflora?

18.02.2023 - Rund 90.000 Herzoperationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine (HLM) werden pro Jahr in Deutschland durchgeführt. Die Anwendung der HLM ist nach wie vor bei vielen Operationen am Herzen unentbehrlich.

Allerdings hat ein solcher invasiver Eingriff, bei dem das Herz „stillgelegt“ wird und die HLM die Funktion von Herz und Lunge übernehmen muss, mitunter auch unerwünschte Folgen. Gefürchtet ist nach herzchirurgischen Eingriffen mit HLM zum Beispiel das system-inflammatorische Antwortsyndrom (SIRS). Dabei kommt es zu heftigen Immunreaktionen, die in eine kaum zu kontrollierende Kreislaufinstabilität und Störungen der Organfunktion münden können – mit zum Teil tödlichem Ausgang für die betroffenen Herzpatienten. Gleichzeitig ist inzwischen bekannt, dass die natürliche und intakte Keimbesiedelung des Darms, das Mikrobiom (ehemals auch als Darmflora bezeichnet), eine grundlegende, stabilisierende Rolle bei der Regulierung des Immunsystems hat. Diese sogenannte Eubiose kann durch verschiedene Einflüsse gestört werden und in den gesundheitlich ungünstigen Zustand der Dysbiose übergehen.

Forschung zum Mikrobiom und SIRS für mehr Patientensicherheit bei Herz-OPs

Bei einer Dysbiose sind Anzahl und Vielfalt der normalen Mikrobiom-Organismen reduziert. Dies begünstigt, dass sich potenzielle Krankheitserreger ansiedeln bzw. vermehren können, was durch Ausschüttung verschiedener Metaboliten und Toxinproduktion wiederum entzündliche Prozesse aktivieren und erhalten kann. Einer der Schlüsselfaktoren für das Gleichgewicht des Mikrobiom-Milieus ist eine physiologische Darmdurchblutung – und eine Operation mit HLM beeinträchtigt diese nachweislich. „Unverzichtbar für mehr Patientensicherheit sind neue Erkenntnisse zu den Entstehungsmechanismen des SIRS im Zusammenhang mit herzchirurgischen Eingriffen mit HLM. Die Rolle des durch Operation mit HLM veränderten Mikrobioms rückt dabei zunehmend in den Fokus der Forschung“, betont Herzchirurg Prof. Dr. Armin Welz, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF). Deshalb fördere die DSHF mit der diesjährigen Dr. Rusche-Projektförderung eben zu dieser Problematik ein innovatives Forschungsvorhaben.

Dr. med. Hristian Hinkov von der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum der Charité - Universitätsmedizin Berlin, will daher nun zusammen mit Kollegen den Einfluss einer Herzoperation mit HLM auf das Mikrobiom genauer untersuchen. Das mit der Dr. Rusche-Projektförderung ausgezeichnete Projekt möchte unter anderem klären, wie sich das Mikrobiom, seine Stoffwechselprodukte und Botenstoffe (Metabolom) nach Operationen mit HLM verändern. Diese Erkenntnisse sollen dann mit der Aktivierung verschiedener Entzündungsmechanismen und mit dem Heilungsverlauf nach OP in Zusammenhang gesetzt werden, um so wichtige Hinweise zum Entstehen eines SIRS zu erhalten.

„Denn lässt sich tatsächlich eine Verbindung zwischen spezifischer Mikrobiom-Veränderung und SIRS-Mechanismen nachweisen, könnten sich daraus auch neue Therapieansätze bei SIRS ergeben, zum Beispiel durch eine gezielte Mikrobiom- bzw. Metabolom-Modulation“, hofft Dr. Hinkov. Entsprechende Maßnahmen könnten entweder vor dem Eingriff erfolgen, um das Mikrobiom zu stabilisieren oder nach dem Eingriff, um die Mikrobiom-Zusammensetzung zu regenerieren und wieder herzustellen. Darüber hinaus soll erforscht werden, ob sich bereits vor einer Operation anhand von bestimmten Mikrobiom-Profilen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von SIRS erkennen lässt. „Damit könnte potenziell betroffenen Patienten eine angepasste Therapie angeboten und der Einsatz einer HLM ein Stück sicherer gemacht werden“, so Hinkov.

Mikrobiom von 80 Patientinnen und Patienten nach Bypass-OP untersucht

Das Projekt sieht konkret vor, bei 80 herzchirurgisch behandelten Patienten das Mikrobiom zu untersuchen: davon 40 Patienten mit aorto-koronarer Bypass-Operation und HLM sowie 40 Patienten mit Bypass-Operation, bei der keine HLM-Unterstützung nötig ist. „Vor der Operation, unmittelbar nach dem Eingriff, während des Krankenhausaufenthaltes sowie sechs Monate nach Entlassung werden Blut- und Stuhlproben entnommen und hinsichtlich Mikrobiom-Zusammensetzung, Entzündungszeichen und Immunzellaktivierung ausgewertet. Die Befunde werden dann mit dem jeweiligen Verlauf von OP und Heilungsprozess abgeglichen, um mögliche Zusammenhänge zu erkennen“, erläutert Hinkov.

Das Projekt von Dr. Hinkov „Die Effekte der Herz-Lungen-Maschine auf das intestinale Mikrobiom und die Relation zum postoperativen SIRS“ erhält aufgrund seines innovativen Forschungsansatzes daher auch die Dr. Rusche-Projektförderung der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) 2023 in Höhe von 58.800 Euro, die jährlich von der DSHF zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) für ein Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Herzchirurgie vergeben wird. Die DSHF wurde von der Deutschen Herzstiftung 1988 gegründet. Der Antrag der Berliner Nachwuchsforscher wurde im Februar auf der 52. Jahrestagung der DGTHG ausgezeichnet.

Kontakt

Deutsche Herzstiftung e.V.

Bockenheimer Landstr. 94-96
60323 Frankfurt
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+49 69 9551280

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