Zehnmal schneller zum Corona-Testergebnis
24.07.2020 -
Forschende der Universität Bielefeld stellen beschleunigtes Verfahren zum Test auf SARS-CoV-2 vor.
Einen Test auf SARS-CoV-2 durchzuführen und auszuwerten dauert aktuell mehr als zwei Stunden – und so kann ein Labor pro Tag nur eine sehr begrenzte Zahl von Menschen testen. Zellbiologen der Universität Bielefeld haben nun mit mehreren Kooperationspartnern in einer Studie ein Verfahren entwickelt, das rund zehnmal schneller ein Ergebnis liefert. „Der Test dauert nur rund 16 Minuten“, sagt Prof. Dr. Christian Kaltschmidt vom Lehrstuhl für Zellbiologie der Universität Bielefeld. „Die Methode ist zudem günstiger als die herkömmlichen Tests.“
Weltweit sind inzwischen mehr als 10 Mio. Infektionen mit dem Coronavirus bestätigt. Einen wirksamen Impfstoff oder eine Therapie gegen SARS-CoV-2 gibt es bislang nicht. Hinzu kommt: Nicht jede infizierte Person entwickelt auch Symptome. Die wirksamste Methode, um die Verbreitung einzudämmen, sind im Moment deshalb Tests: Wer sich infiziert hat, wird isoliert und verbreitet das Virus nicht.
Das gängigste Verfahren, um zu testen, ob sich jemand mit SARS-CoV-2 infiziert hat, sind PCR-Tests. Sie nutzen das genetische Material des Virus als Grundlage. Das haben auch die Bielefelder Wissenschaftler in ihrer Studie gemacht. PCR-Tests laufen immer nach einem ähnlichen Schema ab. Zunächst wird genetisches Material einer Testperson benötigt. Dies wird in der Regel durch einen Abstrich im Mund-, Nasen- oder Rachenraum gewonnen. „Wenn ein Mensch sich mit SARS-CoV-2 angesteckt hat, dann ist in der Probe auch genetisches Material des Virus enthalten, das als RNA vorliegt“, sagt Kaltschmidt. Die RNA-Moleküle werden in einem chemischen Verfahren isoliert. Allerdings ist danach zu wenig RNA enthalten, als dass ein Test sie sofort nachweisen könnte. Deshalb muss sie vervielfältigt werden.
Methode spart nicht nur Zeit, sondern auch Aufwand
Das geschieht bei einer Polymerase-Kettenreaktion, die dem PCR-Verfahren seinen Namen gegeben hat (Polymerase Chain-Reaction). Sie läuft in einem Gerät ab, das sich Thermocycler nennt. Es fährt die Temperatur nach einem vorher festgelegten Programm hoch und wieder herunter. In Kombination mit bestimmten Zusatzstoffen, einem Enzym mit Kopierfunktion und Stabilität bei hoher Temperatur vervielfältigt sich dadurch das genetische Material, bis so viel vorhanden ist, dass sich damit SARS-CoV-2 nachweisen lässt – sofern jemand infiziert ist.
Die Bielefelder Forschenden haben bei ihrem Verfahren einen speziellen Thermocycler eingesetzt – den NEXTGENPCR. Durch das besondere Design, das mehrere Temperaturzonen umfasst, laufen die Reaktionen in dem Gerät besonders effektiv und vollautomatisch ab. „Beim Vorgehen haben wir uns am sogenannten Drosten-Protokoll der Berliner Charité und am Protokoll des Centers of Disease Control and Prevention in Atlanta orientiert“, sagt Kaltschmidt. Das sind Standards für Tests auf SARS-CoV-2. Die Forschenden konnten mir ihrer Methode die Ergebnisse herkömmlicher PCR-Tests wiederholen – nur in deutlich kürzerer Zeit und mit weniger Aufwand.
Spezialgerät kann stündlich 570 Tests analysieren
Entwickelt hat den Thermocycler das niederländische Unternehmen Molecular Biology Systems. Für die Tests auf das Coronavirus schrieben die Entwickler eine Software, die sowohl die benötigte Zeit als auch die Arbeitsschritte verringert. „Wir haben dazu sehr viele positive Rückmeldungen erhalten“, sagt Gert de Vos, Gründer und Geschäftsführer von Molecular Biology Systems. Das Gerät kann mehrere Proben parallel analysieren – damit sind mit einem einzigen Thermocycler pro Stunde rund 570 Auswertungen möglich. Molecular Biology Systems arbeitet inzwischen mit Regierungen und privaten Laboren in den USA, Europa, dem mittleren Osten und Afrika zusammen.
Kaltschmidt sieht viele Vorteile in dem neuen Verfahren. So könnte ein solcher Test vor allem dort zum Einsatz kommen, wo schnelle Ergebnisse gefragt sind. „Wenn beispielsweise Kreuzfahrtschiffe ihren Betrieb wieder aufnehmen, könnten sie in kurzer Zeit jede Person testen, bevor sie an Bord geht.“
Beteiligt an der Studie waren zudem das Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen, die Arbeitsgruppe molekulare Neurobiologie der Universität Bielefeld, das Evangelische Klinikum Bethel sowie der Forschungsverbund Biomedizin Bielefeld OWL.