Zelluläres Modellsystem für die Arzneimittelentwicklung bei Fettlebererkrankungen
10.09.2024 - Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg haben ein Modellsystem entwickelt, mit dem Arzneimittel auf ihre Wirksamkeit bei Fettlebererkrankungen hin überprüft werden können.
Es handelt sich um ein dreidimensionales (3D) In-vitro-Zellkultursystem auf der Basis von primären menschlichen Leberparenchymzellen (Hepatozyten). Das Modellsystem kann auch dabei unterstützen, neuartige Zielmoleküle für die Behandlung von Fettlebererkrankungen zu identifizieren. Und es kann dazu genutzt werden, Behandlungsstrategien zu entwickeln, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und der ethnischen Zugehörigkeit der Patienten berücksichtigen.
Erkrankungen der Leber stellen weltweit eines der größten Gesundheitsprobleme dar und zählen zu den häufigsten Todesursachen. Die Ursachen für Lebererkrankungen sind vielfältig. Häufig haben sie mit Stoffwechselstörungen zu tun und sind mit Übergewicht und Diabetes assoziiert. Jeder vierte Bürger ist von einer solchen Fettlebererkrankung (sog. metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease, MASLD) betroffen.
Die Zahl der MASLD-Erkrankungen nimmt weltweit zu, ohne dass Medikamente für diese Indikation zur Verfügung stehen. Therapien, die auf verschiedene molekulare Signalwege abzielen, sind noch in der Erprobung. Daher konzentrieren sich die Behandlungsstrategien weitestgehend darauf, Ursachen und Risikofaktoren, die die Entwicklung einer Fettleber begünstigen, zu beseitigen.
Diese Maßnahmen, die Lebensstil und Ernährung betreffen, gehen allerdings mit einer geringen Compliance der Patienten einher. Daher besteht ein dringender Bedarf an zuverlässigen und wirksamen Medikamenten zur Behandlung von mit Stoffwechselstörungen assoziierten Fettlebererkrankungen.
Das von einem Forscherteam der Abteilung „Grundlagen Metabolischer Erkrankungen“ am European Center for Angioscience (ECAS) unter der Leitung von Professor Dr. Anja Zeigerer entwickelte System unterscheidet sich von anderen In-vitro-Zellkulturmodellen darin, dass hier anstelle von immortalisierten humanen Zelllinien, wie sie in der Forschung oft verwendet werden, primäre menschliche Hepatozyten verwendet werden.
Die direkt aus der Leber isolierten und in einem 3D-Kollagen-Sandwich-System kultivierten Zellen haben den Vorteil, dass sie ihre für Leberzellen typische bipolare Morphologie und damit auch ihre zelltypspezifischen und metabolischen (Zucker- und Fettstoffwechsel-) Funktionen beibehalten.
Die Leberzellen stammen von mehreren gesunden Spendern. Um die Primärzellen in typische Fettleberzellen mit den dafür charakteristischen Pathologien zu überführen, reicht eine einfache Behandlung mit niedrigen Konzentrationen von freien Fettsäuren über ein paar Tage hinweg aus. Diese Behandlung macht aus den primären Hepatozytenkulturen ein ideales In-vitro-System für die Untersuchung der MASLD.
Tatsächlich hat das Modellsystem bereits zu einer neuen Erkenntnis geführt: Entgegen der wissenschaftlichen Annahme, dass Nahrungsfett und die Neusynthese von Fettsäuren in der Leber – zusätzlich zu freien Fetten aus dem Fettgewebe – zur Entstehung von MASLD beitragen, zeigt dieses System, dass freie Fettsäuren allein ausreichen, um die Krankheit in vitro realistisch zu simulieren.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stellt die Plattform vor allem ein vorklinisches Validierungssystem dar, mit dem die Wirksamkeit von Medikamenten nahe am menschlichen System untersucht werden kann. In künftigen Studien werden die Mannheimer Forscher das System dafür nutzen, um die Pathogenese von Fettlebererkrankungen genauer zu erforschen, etwa indem sie die Beteiligung verschiedener Nährstoffe bei der Krankheitsentstehung untersuchen.
Originalpublikation: Kwon Y, Gottmann P, Wang S, Tissink J, Motzler K, Sekar R, Albrecht W, Cadenas C, Hengstler JG, Schürmann A, Zeigerer A; Induction of steatosis in primary human hepatocytes recapitulates key pathophysiological aspects of metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease, Journal of Hepatology, 2024, https://doi.org/10.1016/j.jhep.2024.06.040
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