Aus den Kliniken

UKGM: Erstes deutsches Symposium zur pränatalen Spina-bifida-Chirurgie in Gießen

10.05.2012 -

Erstmalig trafen sich in Deutschland Pränatalmediziner, Kinderärzte, Neurochirurgen, Kinderchirurgen, Gynäkologen und betroffene Familien zu einem Symposium am Universitätsklinikum Gießen, um sich über aktuelle vorgeburtliche Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten von „Spina bifida" und ihre Erfahrungen damit auszutauschen.

Veranstalter des Symposiums waren Prof. Roland Axt-Fliedner, Leiter der Abteilung für Pränatalmedizin und gynäkologische Sonographie am Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des UKGM und Prof. Thomas Kohl, Leiter des Deutschen Zentrums für Fetalchirurgie und minimal-invasive Therapie.

Mittels geschlossener und offener Fetalchirurgie werde der „offene Rücken" bereits an Kliniken in Deutschland, Polen, Großbritannien, Belgien und der Schweiz noch im Mutterleib verschlossen. Die größten Schwierigkeiten damit seien jedoch nicht immer nur medizinischer Natur. „Eines der hartnäckigsten Probleme, gegen das wir ankämpfen, ist die oft noch ablehnende Haltung vieler Pränatalmediziner, Kinderärzte oder Neurochirurgen gegenüber den neuen Therapiemöglichkeiten nach vorgeburtlicher Diagnosestellung einer ‚Spina bifida‘", sagte Prof. Kohl. „Häufig wird betroffenen Eltern, bei deren Kind im Ultraschall ein sogenannter offener Rücken zu sehen ist, aus Unwissenheit nicht nur direkt zu einem Schwangerschaftsabbruch geraten, sondern auch empfohlen neue Behandlungsmethoden nicht wahrzunehmen." So entschieden sich laut Kohl in Deutschland tatsächlich noch die meisten Schwangeren zu einer Abtreibung.

Die Fehlbildung in Form einer „offenen Stelle" trete meistens in Höhe der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins auf und entstehe durch einen fehlenden Verschluss von Rückenmark und Wirbelbögen zu einem noch frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft. Anders als die nachgeburtliche Behandlung der folgeschweren Rückenfehlbildung, die ausschließlich kosmetische Gründe habe und Infektionen vermeiden helfe, biete ein vorgeburtlicher Eingriff die Chance, das Fortschreiten der Erkrankung noch im Mutterleib aufzuhalten.
Da sich durch eine vorgeburtliche Operation gerade den gefürchteten Nebenerscheinungen wie Lähmungserscheinungen, Empfindungsstörungen und der landläufig als „Wasserkopf" bezeichnete Hydrocephalus entgegenwirken lasse, rät Kohl grundsätzlich allen Eltern in dieser Situation, sich und ihrem ungeborenen Kind die Zeit für eine Beratung durch Experten zu geben: „Die nach acht Jahren wegen der eindeutig positiven Ergebnisse vorzeitig abgebrochene MOMS-Studie in den USA hat gezeigt, dass selbst ein offener fetalchirurgischer Eingriff einer nachgeburtlichen Behandlung vorzuziehen ist - dabei sind minimal-invasive Operationen wesentlich schonender bei inzwischen nur noch geringen Risiken für Mutter und Kind."

Nach 15 Forschungsjahren und zehn Jahre nach ihrer klinischen Einführung in Deutschland kämen die am DZFT operierten Spina-bifida-Kinder inzwischen fast alle im letzten Schwangerschaftsviertel zur Welt, einige erst kurz vor ihrem eigentlichen Entbindungstermin. „Damit ist unsere größte Sorge, eine frühe Frühgeburt noch vor der 30. Woche, in den meisten Fällen endlich genommen", betonte Kohl.

Gemeinsam mit seinem polnischen Kollegen Prof. Janusz Bohosiewicz, Chefarzt der Pädiatrischen Chirurgie an der Universitätsklinik in Katowice, referierte er zum „State of the Art" der Fetalchirurgie in Europa und international. Bohosiewicz, der entgegen anders lautender Berichte als erster Mediziner schon 2005 die offene Fetalchirurgie bei Spina bifida in Europa einführte, berichtete von seinen Erfahrungen mit 51 von ihm operierten Kindern.

Der minimal-invasive Verschluss des „offenen Rückens" als technisch schwierigstes vorgeburtliches Operationsverfahren werde bislang weltweit weiterhin ausschließlich am DZFT angeboten. Allein in Gießen wurden seit Mitte 2010 mehr als 30 Ungeborene operiert. Fast die Hälfte der Kinder zeigte nach der Geburt eine weitgehend normale Beinfunktion.

 

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