Aus den Kliniken

Erstmals in Deutschland: Echtzeit-Simulatortraining für OP-Teams in Bad Oeynhausen

12.12.2016 -

Was für Piloten schon lange zur Pflicht zählt, soll jetzt auch im OP-Saal zu größerer Sicherheit bei unerwarteten Ereignissen beitragen.

Als erste und größte Herzchirurgie in Deutschland richtet das Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen unter der Leitung von Prof. Dr. Jan Gummert ein Echtzeit-Simulatortraining für Operationsteams ein.

Die Hohe Schule der Patientensicherheit

Die Neuheit kommt aus den USA und wurde von Markus Rudloff, Tagungspräsident und Leiter der Kardiotechnik im Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie und der Jahrestagung für Kardiotechnik als integriertes, klinisches Pilotprojekt vorgestellt. Weltweit sind derzeit erst 30 Simulator-systeme dieser Art (Hersteller: Biomed Simulation Inc., San Diego) im Einsatz.
Das Herzstück des nun erstmals in Deutschland verfügbaren Simulatorgerätes für OP-Teams enthält eine Software, die medizinische und technische Informationen der Anästhesie und Kardiotechnik während einer herzchirurgischen Operation erfasst. Die im HDZ daraus kombinierte Einheit bildet die Arbeitswelt im OP-Saal nach: Sie besteht aus einem Patienten-Dummy mit offenem Brustkorb, der an alle notwendigen Überwachungsgeräte und die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird. Über ein Regiepult können damit Ereignisse in einem OP-Saal simuliert und dabei auch Notfallsituationen nachgestellt werden.

„Aus der Luftfahrt ist bekannt, dass eine gestörte Kommunikation im Cockpit oft zu falschen Entscheidungen führt und damit Menschenleben gefährden kann“, erläutert Prof. Gummert. „Bei herzchirurgischen Eingriffen ist das Geschehen eher noch anspruchsvoller, denn in einem Operationssaal sind im Durchschnitt 8 bis 10 Personen beteiligt.“ Bei dem neuen simulationsgesteuerten Fortbildungstraining gehe es daher nicht um chirurgische Fertigkeiten, sondern um das perfekte Zusammenspiel des Teams und die Minimierung der Risiken, die durch Koordinations- und Kommunikationsaufgaben entstehen können. „Bei der Operation ist nicht der einzelne Spezialist, sondern die Teamleistung aller Fachkräfte entscheidend.“ Der Simulator werde daher zukünftig als fester Bestandteil in der Ausbildung angehender Kardiotechniker aufgenommen werden, ergänzt Markus Rudloff.

Notfälle während der Operation

Die häufigsten Notfälle bei einer Herzoperation entstehen durch eine plötzliche Veränderung des Herz- Kreislaufzustands des Patienten, die zu Stress-Situationen für alle Beteiligte führen kann. Um die Ursachen schnellstmöglich zu finden, sind unzweideutige, direkte und offene Ansagen notwendig, mit der Operateure, Kardiotechniker, Anästhesist und Pflegefachkräfte einerseits über ihre Handlungen, andererseits über medizinische Befunde und Daten sowie über mögliche technische Mängel informieren.

„Mit Hilfe der Simulation soll es nun gelingen, die individuellen, organisatorischen, technischen oder auch hierarchiebedingten Faktoren zu erkennen, die sowohl das Team als auch das Teamumfeld bei der Arbeit stören können“, beschreibt Markus Rudloff die neue Fortbildungsmaßnahme, die vom kommenden Jahr an turnusmäßig im OP-Bereich des HDZ NRW durchgeführt wird. Eine Herausforderung bedeutet dabei auch die Vielfalt der Informationsabhängigkeiten. Denn der Chirurg ist auf die richtigen Informationen des Anästhesisten und Kardiotechnikers angewiesen. Der Anästhesist benötigt für die Überwachung der Lebensdaten die wichtigen Informationen zu den Labordaten und zu den vom Kardiotechniker durchgeführten Einsätzen der Herz-Lungen-Maschine. Und die OP-Fachkräfte müssen das chirurgische Vorgehen kennen, um zur richtigen Zeit sterile Instrumente und Verbrauchsmaterial an- und nachreichen zu können.

4.000 herzchirurgische Eingriffe jährlich

„Das alles kann man trainieren, wobei wir mit dem Ziel der fortlaufenden Verbesserung aller Abläufe zunächst den Fokus auf das Trio Operateur-Anästhesist-Kardiotechnik richten“, sagt Prof. Gummert, in dessen Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie die meisten herzchirurgischen Eingriffe in Deutschland durchgeführt werden. 2015 waren es mehr als 4.100 am Herzen und den herznahen Gefäßen, ein Großteil davon mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine.

Das HDZ NRW ist besonders bekannt für minimalinvasive herzchirurgische Eingriffe sowie als Europas größtes Herztransplantationszentrum. Die Spezialklinik zur Versorgung von Herz- und Diabetespatienten ist Mitglied im Aktionsbündnis Patientensicherheit und bereits drei Mal mit dem Qualitätssiegel für Kommunikation und Transparenz im Gesundheitswesen (KTQ) ausgezeichnet. Das jetzt eingeführte Simulationstraining schließt an die qualifizierte Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter, das etablierte Fehlermanagement (CIRS) und zahlreiche weitere Maßnahmen des klinischen Qualitätsmanagements an.

Als Spezialklinik zur Behandlung von Herz-, Kreislauf- und Diabeteserkrankungen zählt das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen (HDZ NRW), Bad Oeynhausen mit 37.000 Patienten pro Jahr, davon 14.700 in stationärer Behandlung, zu den größten und modernsten Zentren seiner Art in Europa.

In der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie des HDZ NRW unter der Leitung von Prof. Dr. Jan Gummert werden jährlich mehr als 6.900 Eingriffe durchgeführt. Die Klinik ist deutschlandweit führend in den Bereichen Herzklappenoperationen, Herztransplantationen, Kunstherzimplantationen sowie Herzschrittmacher-/ ICD-Eingriffe. Seit 1989 wurden hier mehr als 3.400 Herzunterstützungssysteme implantiert. Mit 75 Herztransplantationen in 2015 (gesamt: über 2.200) ist die Klinik das bundesweit größte Herztransplantationszentrum. Zu den weiteren Schwerpunkten der Klinik zählen die minimalinvasive Klappenchirurgie und die Bypasschirurgie am schlagenden Herzen.
 

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