Perspektivwechsel schürt Hoffnungen
Deutscher Krankenhaustag postuliert Erwartungen an neue Koalition
Die Erwartungen, aber auch die Hoffnungen, die Krankenhäuser in die Gesundheitspolitik der neuen Bundesregierung setzen, sind groß. Entsprechend stellte der 32. Deutsche Krankenhaustag (GDK) auf der Medica Perspektiven der Gesundheitsversorgung in der neuen Legislaturperiode ins Zentrum seiner Podiumsdiskussion. Vor vollem Saal diskutierten Dr. Rudolf Kösters, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), und Vertreter des GDK-Verwaltungsrats mit Staatssekretär Daniel Bahr. Im Interview stellte Kösters seine Positionen komprimiert dar.
M&K: Gibt der Koalitionsvertrag von CDU und FDP Hoffnungen für die Gesundheitspolitik?
Rudolf Kösters: Ich freue mich über den doch offensichtlich angestrebten Perspektivwechsel. Das klare Bekenntnis der Regierung zur Bedeutung des Gesundheitswesens als großer und wichtiger Wirtschaftsbereich und seiner Wichtigkeit für Beschäftigung, Wachstum und Innovationen freut uns und macht Hoffnung, dass Gesundheitspolitik in Zukunft nicht primär als Kostendämpfung stattfinden wird.
Wo weist der Koalitionsvertrag aus Sicht der DKG Mankos auf?
Kösters: Leider enthält er keine Lösung für die Investitionsfinanzierungsmisere, in die wir immer tiefer fallen, sondern lediglich einen mäßigen Appell. Wir wünschen uns stabile und auskömmliche Investitionsmittel. Den Auftrag aus dem KHRG zur Kalkulation von Investitionskostenanteilen nehmen wir sehr ernst. Wenn dabei eine angemessene und verlässliche Finanzierung herauskommt, hätten wir nichts dagegen, wenn die Länder diesen Weg zur Regelförderung gehen würden.
Ein weiterer Punkt ist der Personalmangel, besonders der Ärztemangel in deutschen Krankenhäusern. Was sich hierzu im Koalitionsvertrag findet, ist äußerst dünn. Ohne deutliche Aufstockung der Studienplatzzahlen und einer adäquaten Auswahl aus der enorm großen Zahl der Bewerber geraten wir in absehbarer Zeit in ein großes Desaster - oder das System hilft sich mit der Anwerbung ausländischer Ärzte, zum Beispiel aus China und Indien.
Wie sehen Sie die geplante Neuordnung der GKV-Finanzierung?
Kösters: Es ist bekannt, dass die DKG nicht zu den Anhängern des Fonds gehört. Zentraler Punkt für uns ist die nach wie vor zu starke Abhängigkeit der Systemfinanzierung von Beschäftigung und Löhnen. Hier zu einer stärkeren Abkoppelung von den Arbeitskosten zu kommen, ist grundsätzlich richtig und sinnvoll. Die Kunst wird sein, einen bürokratiearmen zeitnahen sozialen Ausgleich zu organisieren. Im Ergebnis muss auf jeden Fall genügend Geld zur Finanzierung der Gesundheitsleistungen bereitgestellt werden. Denn der Bedarf wird weiter steigen, und wer das Gesundheitswesen als wichtigste Wachstums- und Beschäftigungsbranche sieht, muss diesen Mehrbedarf auch zulassen und finanzieren - und zwar beschäftigungsfreundlich und solidarisch.
Wie sehen Sie die Bezuschussung der Gesetzlichen Krankenversicherung aus Mitteln des Bundes?
Kösters: Wir begrüßen es natürlich, dass die Koalition die aus der Wirtschaftskrise resultierenden Einnahmeprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung für 2010 über den Bundeszuschuss deckt. Der Schutzschirm des Staates hat kaum irgendwo mehr Berechtigung als im Gesundheitswesen.
Wie stehen Sie zu den geplanten Änderungen für Medizinische Versorgungszentren, wie zu Änderungen des Paragrafen 116 b SGB?
Kösters: Wir appellieren ganz klar gegen Änderungen bei den Medizinischen Versorgungszentren. Ob Krankenhäuser über Kooperationen, Integrationsverträge oder über die Trägerschaft eines MVZ die medizinische Versorgung der Patienten besser organisieren, sollte keine Rolle spielen. Wenn aber die jetzt vorgesehenen Beteiligungskonstellationen beispielsweise dazu führen, dass die Nutzung von Einrichtung und Personal des Krankenhauses im MVZ mehrwertsteuerpflichtig wird, kann das kein Weg sein. Auch ist wegen der Ärzteknappheit und des höheren Frauenanteils größte Zurückhaltung bei Änderungen geboten.
Was den § 116 b betrifft: Wir kennen die Ängste der niedergelassenen Ärzte und gehen damisorgfältig um. Dennoch darf es hier keinen Gang rückwärts geben. Von rund 2.000 Anträgen sind ca. 400 genehmigt. Die Qualitätsanforderungen, die die Krankenhäuser zu erfüllen haben, sind sehr hoch, höher als in den vertragsärztlichen Praxen.
Ein Wort zu BGA, sektorübergreifender Qualitätssicherung und Bürokratie?
Kösters: Dass wir Krankenhäuser für Qualitätssicherung sind, brauchen wir nicht zu beweisen. Aber wir müssen auch noch Zeit für unsere Patienten haben. Und die würde weiter eingeschränkt werden, wenn das, was derzeit im GBA zur sektorübergreifenden Qualitätssicherung vorgesehen ist, kommen würde: ein gigantischer Bürokratie-Apparat zur Datenerfassung, Auswertung, Visitation und schließlich Sanktionierung. Hier wünschen wir uns vom Ministerium, die mittlerweile berüchtigte „Richtlinie 13" vor Genehmigung genau zu prüfen. Wir sind der Meinung, ehe bundesweit umfassende Datenstrommodelle installiert werden, sollten regional begrenzte Projekte durchgeführt und evaluiert werden.