Katheter-assoziierte Infektionen - Hygiene ist das A und O
30.05.2011 -
Katheter-assoziierten Infektionen lassen sich Studien zufolge durch eine einwandfreie Hygiene fast komplett verhindern.Prof. Dr. Walter Popp ist Hygieniker am Universitätsklinikum Essen und kennt die Problematik von Katheter-assoziierten Infektionen. Er spricht über deren Folgekosten, die Prävention und die Ansteckungswege.
M&K: Wie viele Infektionen sind prozentual auf Venenkatheter zurückzuführen?
Prof. Dr. Walter Popp: Zentrale Venenkatheter sind für 90% aller durch Gefäßzugänge verursachten Infektionen verantwortlich. Nach Schätzungen des Kompetenznetzes Sepsis sind 60.000-90.000 Sepsis-Fälle in Deutschland jährlich durch einen Krankenhausaufenthalt bedingt, nach anderen Schätzungen werden rund 30.000 Sepsis-Fälle durch einen Aufenthalt im Krankenhaus und gleichzeitig durch einen zentralen Venenkatheter verursacht.
Mit welchen Folgen und Folgekosten muss ein Krankenhaus nach einer Katheter-assoziierten Infektion rechnen?
Prof. Dr. Walter Popp: Zunächst einmal verlängert sich nach einer solchen Infektion internationalen Studien zufolge die Liegedauer um mehrere Tage. Es finden sich Angaben zwischen zwei und 25 Tagen. Außerdem belegen internationale Studien, allen voran aus den USA, dass die Zusatzkosten bei mindestens 10.000 US-$ liegen - teilweise wurden sogar Zusatzkosten von bis zu 30.000 US-$ ermittelt.
In einer italienischen Studie, die wohl eher die deutschen Verhältnisse abbildet, lagen die Zusatzkosten pro Fall bei 16.000 €. Nach einer deutschen Untersuchung, die von Martin Wernitz vom Berliner Vivantes Klinikum im Friedrichshain auf Basis des Krankenhausvergütungssystems DRG durchgeführt wurde, verursachen Sepsis-Fälle durch MRSA einen Verlust für das Krankenhaus von durchschnittlich 8.500 €.
Was muss das Klinikpersonal bei der Prävention strikt beachten?
Prof. Dr. Walter Popp: Geht es nach den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, kurz Krinko, sind regelmäßige Schulungen, zentrale Venenkatheter aus Silikon und Polyurethan - statt PVC und Polyethylen - und möglichst ein Zugang über die Schlüsselbeinvene wichtig. Das Klinikpersonal muss zudem darauf achten, dass beim Legen eines Katheters unbedingt Mund-Nasen-Schutz, Kopfhaube, steriler Kittel und Handschuhe angelegt werden. Auch muss die Einstichstelle korrekt desinfiziert und anschließend mit einem großen sterilen Tuch abgedeckt werden. Nicht zuletzt gehört zur Prävention die hygienische Desinfektion der Hände vor dem Anlegen der Schutzkleidung.
Was sind die häufigsten Risiken für eine Infektion?
Prof. Dr. Walter Popp: In Deutschland ist verunreinigtes Material als Ursache unwahrscheinlich. Als Risiken kommen eher Faktoren infrage, die beim Patienten selbst liegen - z.B. eine massive Immunschwäche infolge der Krankheit. Wie amerikanische Untersuchungen zeigen, ist allen voran Hygiene von großer Bedeutung. Denn ist diese einwandfrei, können Sepsis-Fälle infolge von zentralen Venenkathetern weitgehend komplett verhindert werden. Deshalb haben große amerikanische Hygiene-Organisationen wie die APIC (Association for Professionals in Infection Control and Epidemiology) eine Initiative zur Verhinderung aller nosokomialer Infektionen gestartet. Sie orientieren sich dabei an den Konzepten und Vorgehensweisen bei der Ausrottung anderer Krankheiten wie Polio, Tuberkulose und Syphilis. Auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene diskutiert darüber, und ich gehe davon aus, dass auch sie dieses Ziel für die kommenden Jahre erklären wird.
Aber ist die Verhinderung aller nosokomialer Infektionen überhaupt ein realistisches Ziel?
Prof. Dr. Walter Popp: Natürlich ist dieses Ziel nur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe erreichbar. Das bedeutet, dass für eine massive Reduktion von Krankenhausinfektionen in Deutschland mehr Forschung und mehr Schulung, eine bessere Ausbildung, mehr Hygienepersonal und nicht zuletzt die Schaffung neuer Hygienelehrstühle an Universitäten erforderlich sind.
Eine Katheter-assoziierte Infektion kann auf verschiedenen Wegen entstehen. Welche sind das?
Prof. Dr. Walter Popp: Katheter-assoziierte Infektionen, die in mehr als 30% der Fälle durch Koagulase-negativen Staphylokokken verursacht werden, können auf drei Wegen entstehen: Bei der extraluminalen Form wandern Keime der Hautflora an der Außenseite des Katheters entlang in die Gefäße. Handelt es sich um eine luminal bedingte Infektion, entsteht diese mit zunehmender Liegedauer des Katheters. Die Keime gelangen durch Manipulation - beispielsweise durch das Aufstecken einer Spritze - über das Katheterlumen in die Blutbahn. Bei der Katheterfernen Infektion schließlich wird der Katheter über die Blutbahn mit Keimen besiedelt. Wahrscheinlich sind die ersten beiden Infektionswege am bedeutendsten.
Wie oft muss ein Katheter gewechselt werden?
Prof. Dr. Walter Popp: Nach den Krinko-Empfehlungen soll der Katheter täglich inspiziert, bei Gazeverbänden abgetastet werden. Hier muss der Verband auch täglich gewechselt werden, wenn der Patient nicht ansprechbar ist. Für Transparenzverbände gilt: Spätestens nach sieben Tagen wechseln. Der Wechsel soll dabei nicht routinemäßig erfolgen, sondern zusätzlich bei einer Entzündung beziehungsweise Tunnelinfektion sowie bei Anlage im Rahmen von Notfällen durchgeführt werden. Die Indikation muss also täglich neu überprüft werden.