Hygiene

Multiple Sklerose: Frühtherapie mit Betaferon bringt Vorteile

26.06.2011 -

Multiple Sklerose: Frühtherapie mit Betaferon bringt Vorteile. Die Frühtherapie mit Interferon beta-1b (Betaferon) senkt bei Patienten mit einem ersten Schub Multipler Sklerose das Risiko, einen weiteren Schub zu erleiden und somit an klinisch gesicherter Multipler Sklerose (Clinical Defined MS, CDMS) zu erkranken. Der Vorsprung, den eine solche sofort einsetzende Behandlung bedeutet, lässt sich mit später einsetzenden Therapiemaßnahmen nicht aufholen.

Dies war das wichtigste Ergebnis der BENEFIT-Studie (BEtaferon in Newly Emerging multiple Sclerosis For Initial Treatment), deren Fünfjahresergebnisse der Studienleiter Prof. Dr. Mark Freedman, Ottawa, in Leverkusen vorstellte.

In der BENEFIT-Studie wurden 468 Patienten mit ersten Symptomen und mindestens zwei auf MS hindeutenden klinisch stummen Läsionen im Kernspintomogramm randomisiert und entweder alle zwei Tage mit 250 Mikrogramm Betaferon oder mit Placebo behandelt. Nach spätestens zwei Jahren oder bei Manifestation eines akuten MSSchubes erhielten alle Patienten das Verum. Dadurch ergab sich in der Studie also eine „Verzögerung“ der Betaferon-Therapie bei den zunächst mit Plazebo Behandelten von maximal zwei Jahren, im Durchschnitt lag sie bei 1,4 Jahren. Trotz dieses relativ geringen Zeitunterschiedes profitierten die Patienten auch nach fünf Jahren immer noch von der Frühtherapie: Ihr Risiko, an einer klinisch gesicherten MS zu erkranken, lag um 37 % niedriger als das der zunächst mit Placebo Behandelten. Anders betrachtet, entspricht dies einer Verzögerung der CDMS um 750 Tage oder fast zwei Jahre (Abbildung 1). Damit bestätigen die Fünfjahresdaten der BENEFIT-Studie die Ergebnisse, die bereits in der Erstauswertung nach drei Jahren eine Risikoreduktion von 41 % erbracht hatten, berichtete Freedman. Im Kernspintomogramm zeigt sich dies in einer geringeren Anzahl aktiver Läsionen im Gehirn der frühzeitig mit Betaferon Behandelten.

Diese Verzögerung der MS-Manifestation bedeutet für die Betroffenen einen handfesten Vorteil, denn sie schiebt auch die Behinderung hinaus. Der EDSS-Score (Expanded Disability Status Scale), der zur Beurteilung des Behinderungsgrades herangezogen wird, war nach drei Jahren in der Verumgruppe um 40 % niedriger als in der Placebogruppe, nach fünf Jahren lag der Vorteil noch bei 24 % (Abbildung 2).

Die Kunst besteht nun darin, die nach der kurzen ersten Episode – meist einer Optikusneuritis – wieder beschwerdefreien Patienten zu einer Dauertherapie mit Interferon zu motivieren. „Die Frühtherapie ist deswegen so wichtig, weil der größte akute Schaden an den Axonen gerade in der frühen, mit hoher Entzündungsaktivität einhergehenden Krankheitsphase entsteht“, betonte Prof. Dr. Ralf Gold, Ruhr Universität Bochum. Dabei führen auch klinisch stumme, nur im Kernspintomogramm sichtbare Herde im Gefolge der entzündlichen Aktivität durchaus zu axonalen Schäden und Hirnatrophie.

Die Zahl der Herde im frühzeitig durchgeführten Kernspintomogramm ist demzufolge ein guter Prädiktor für die Aktivität der Erkrankung und damit das Einsetzen und Fortschreiten einer Behinderung. So lagen Patienten, die nach ersten Anzeichen einer MS im Kernspintomogramm bereits mehr als 10 aktive Herde aufwiesen, zu 53 % nach 14 Jahren bei einem EDSSWert von 6 oder mehr. Das entspricht einer Gehstrecke von nur noch 100 m mit Gehstützen. Von den Patienten mit weniger als 10 Herden waren nur 11 % so stark behindert (Brex PA et al. NEJM 2002; 346: 158–64). Diese Erkenntnisse führten 2005 zu einer Überarbeitung der 2001 erstmals publizierten McDonald-Kriterien zur Diagnostik der MS. Dadurch lässt sich die Erkrankung wesentlich früher diagnostizieren als bisher, und das Warten auf den zweiten Schub entfällt. Beim ersten Schub wird ein Kernspintomogramm angefertigt, und 31 Tage später ein zweites. Ist in diesem Zeitraum ein weiterer Herd aufgetreten, gilt die Diagnose einer MS als gesichert, und eine Behandlung kann eingeleitet werden.

Zur Dauertherapie bewegen

Ein Problem bleibt allerdings durch die frühe Diagnostik weiterhin ungelöst: die Notwendigkeit, einen scheinbar gesunden, beschwerdefreien Patienten nach folgenlosem Abklingen des ersten, oft relative kurzen Schubs zu einer Dauertherapie mit einem Medikament zu bewegen, das injiziert werden muss. Andererseits ist die gute und langfristige Compliance der Betroffenen der wichtigste Schlüssel zum Erfolg. Bayer Vital hat daher rund um das Präparat Betaferon die „integrierte Dienstleistung Betaplus“ aufgebaut, wie Michael Staschewski, Marketingleiter Specialized Theapeutics, es formulierte. Bei Betaplus handelt es sich um ein Betreuungsprogramm für MS-Patienten, das eine individuelle Beratung der Betaferon-Anwender durch speziell geschultes Pflegepersonal vorsieht. Die Patienten können sich telefonisch über eine spezielle Rufnummer beraten lassen, werden aber auch in regelmäßigen Abständen von der Betreuungsstelle telefonisch kontaktiert, beraten und mit Informationsmaterial versorgt. Viele Patienten werden zudem durch eine geschulte Krankenpflegekraft, die sogenannte Betaplus- Schwester, persönlich betreut und zu diesem Zweck mehrfach zu Hause aufgesucht. Sie kann so z. B. die Patienten schulen, die Injektionstechnik überwachen und korrigieren. Das Internet-Portal www.msgateway. de und die Zeitschrift „Lidwina“, benannt nach der Patientin Lidwina von Schiedam, bei der erstmalig eine MS beschrieben wurde, runden das Angebot ab. Mithilfe des Betaplus-Programms ließ sich die Abbrecherquote über 24 Monate auf unter 10 % senken, während sie bei MS-Patienten mit immunmodulatorischen Therapien ohne Begleitprogramm über diesen Zeitraum bei 60 % und mehr liegt.

Trotz des Erfolges mit Betaferon ruht sich das Unternehmen keineswegs auf den Lorbeeren aus, sondern hat mit dem monoklonalen Antikörper Alemtuzumab eine weitere therapeutische Option in der Pipeline, berichtete Dr. Jörg Czekalla, Leiter Medizin, Immunologie/Neurologie bei Bayer Vital. Alemtuzumab ist als MabCampath bereits zur Behandlung der Leukämie zugelassen und wird derzeit in zwei Phase-III-Studien an mehreren Tausend Patienten geprüft. In der Phase-II-Prüfung konnte Alemtuzumab über drei Jahre die Rate akuter MS-Schübe gegenüber einer Therapie mit Interferon 1a um bisher unerreichte 75 % senken. Mit einer Zulassung für MS mit Fokus auf Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf ist jedoch frühestens 2012 zu rechnen, sagte Czekalla.

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