Untersuchung von Proteinen und Metaboliten im klinischen Labor – was können moderne Massenspektrometer leisten?
PD Dr. Uta Ceglarek, Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik, Universitätsklinikum Leipzig
Neben dem Einsatz im Neugeborenenscreening, wo angeborene Stoffwechselerkrankungen untersucht werden, findet man Massenspektrometer im klinischen Routinelabor vor allem in den Bereichen, in denen die klassischen Verfahren, wie Immunoassays, limitiert sind, so zum Beispiel in der toxikologischen Analytik oder im Therapeutischen Drug Monitoring. Ebenso hat die Massenspektrometrie ein großes Potential für die qualitative und quantitative Untersuchung des Proteoms und Metaboloms in Körperflüssigkeiten, worauf in diesem Artikel näher eingegangen wird.
Massenspektrometrie
Die Methode der Massenspektrometrie (MS) ist inzwischen circa hundert Jahre alt, jedoch gelang ihr der Durchbruch als wichtige Analysenmethode in der organischen Chemie erst um 1960. Allen massenspektrometrischen Analysatoren ist die Fähigkeit gemeinsam, Ionen entsprechend ihres Masse-zu-Ladungs-Verhältnisses (m/z) zu unterscheiden. Im Gegensatz zu anderen analytischen Methoden bestimmt man mit der Massenspektrometrie nicht nur durch die chemische Struktur bedingte Eigenschaften eines Moleküls, wie z.B. die Färbung oder Fluoreszenz, sondern das Molekül selbst.
Es gibt verschiedene Massenspektrometer-Typen, wie Quadrupole, Flugzeitmassenspektrometer oder Ionenfallen, die auf unterschiedlichen physikalischen Prinzipien basieren und deshalb in ihrer Sensitivität, Massenauflösung und -genauigkeit sowie Massenbereich variieren.
Der Quadrupol ist der am häufigsten verwendeten Analysatortyp für die quantitative Analytik. Werden Moleküle im Massenspektrometer zusätzlich fragmentiert und die entstehenden Bruchstücke analysiert, spricht man von Tandem-Massenspektrometrie (MS/MS). In sogenannten MRM (Multiple Reaction Monitoring)-Experimenten ist es mit Quadrupol-Geräten möglich, hochsensitiv und gezielt bis zu 300 Substanzen in Körperflüssigkeiten simultan zu quantifizieren, was besonders in der Proteom- und Metabolomanalytik von großer Bedeutung ist.
Die Ionisierbarkeit der Moleküle ist Voraussetzung für die Bestimmung deren Masse. Erst seit Ende der 1980er Jahre können durch die Entwicklung der schonenden Ionisierungstechniken MALDI (Matrix-Assistierte Laser Desorption/Ionisation) und ESI (Elektrospray Ionisation) große Biomolekülen, wie Peptide und Proteine, analysiert werden.
In Kombination mit der Flüssigkeitschromatografie finden auch die Atmosphärendruck-Chemische-Ionisation (APCI) und Atmosphärendruck-Photoionisation (APPI) Anwendung.
Eine chromatografische Auftrennung der Analyten ist bei komplexen Probengemischen wie Plasma, Serum oder Urin sinnvoll. Deshalb wird in vielen Applikationen die Flüssigkeitschromatografie der massenspektrometrischen Analyse vorgeschaltet. Diese Gerätekonfiguration wird als LC/MS/MS (Liquid Chromatography/Tandem Mass Spectrometry) bezeichnet. Eng verbunden mit der Leistungsfähigkeit ist die Entwicklung der HPLC (High Performance Liquid Chromatography) und UHPLC (Ultra High Performance Liquid Chromatography).
Durch Anwendung kleinster Partikel (Durchmesser 1,7 µm) in chromatografischen Trennsäulen werden verbesserte chromatografische Trennleistungen in kurzen Analysenzeiten erzielt. Der resultierende Rückdruck (bis etwa 1.200 bar) wird durch den Einsatz von leistungsfähigen HPLC-Pumpensystemen ermöglicht. Eine weitere, in den vergangenen Jahren immer bedeutendere Entwicklung ist die Miniaturisierung der LC-Säulen. Durch den Einsatz von Säulen mit Innendurchmessern von 75 µm bei Flussraten von 200 nl/min ist es möglich, Probenmengen von wenigen Nano- bis Picogramm zu trennen. Dieses Verfahren wird als Nano-LC bezeichnet.
Identifizierung und Quantifizierung von Protein- und Peptid-Biomarkern
Das junge Gebiet der Proteomik hat zum Ziel, die Gesamtheit aller Protei¬ne (das Proteom) eines Organismus, einer Körperflüssigkeit oder eines Gewebes unter definierten Bedingungen zu identifizieren und zu quantifzieren. Dies weckte erhöhte Hoffnungen, Biomarker im Plasma zu entdecken. Die meisten auf der Proteomik basierenden Biomarker-Studien haben zum Ziel, Proteine bzw. Peptide zu identifizieren, die spezifisch mit einer bestimmten Krankheit assoziiert sind, indem ein vergleichendes Profiling von - z. T. vorfraktionierten - Plasmaproben von gesunden Probanden und Erkrankten durchgeführt wird. Verschiedene Proteomik-Techniken werden für diesen Zweck angewendet, wie die zwei-dimensionale Gelelektrophorese, SELDI-TOF (Surface-Enhanced Desorption/Ionization-Time-of-Flight (Flugzeit))-Massenspektrometrie, Vergleiche von LC/MS-Mustern, LC/MS/MS-Shotgun-Analyse sowie Protein-Array-Methoden.
Der Prozess zur Identifizierung neuer Protein-Biomarker kann in vier Phasen unterteilt werden. In der initialen Entdeckungsphase werden Proteine mit unterschiedlicher Abundanz im Plasma identifiziert und klassifiziert. Anschließend werden die vielversprechendsten Kandidaten in einem zweiten Schritt qualifiziert und ein Teil davon in einer dritten Phase verifiziert. In der letzten Phase werden die verbliebenen Kandidaten als potentielle Biomarker mithilfe eines Hochdurchsatz-Assays, meist ELISA, validiert. Während dieses Prozesses muss eine große Anzahl an Proben analysiert werden, wobei sich die Zahl der möglichen Biomarker von Hunderten auf einige wenige Kandidaten verringert. Die restlichen Kandidaten müssen verifiziert und validiert werden, indem ihre diskriminierende Potenz in klinischen Studien in Kohorten von Patienten und gesunden Probanden gezeigt wird.
Bis jetzt wurde die Massenspektrometrie praktisch ausschließlich für die Identifzierung potentieller Biomarker-Kandidaten genutzt, während die Verifizierung und Validierung traditionell mittels immunologischer Hochdurchsatzmethoden durchgeführt wurde. Neue analytische MS-Plattformen mit erhöhter Selektivität und Sensitivität haben nun die Kapazität nicht nur für die initiale Phase der Biomarker-Identifizierung, sondern auch für die nachfolgenden Schritte in der Klinik erreicht. Multiplex-Messungen von Biomarker-Kandidaten mittels zielgerichteter Methoden, wie dem Selected Ion Monitoring (SRM) oder Multiple Reaction Monitoring (MRM), werden hier angewandt. Diese Methoden werden zukünftig für die klinische Routineanalytik an Bedeutung gewinnen.
Untersuchung von Metaboliten
Nach der Untersuchung des Genoms und Proteoms rückt zunehmend das Metabolom in den Fokus der Labormedizin. Mit dem Begriff „Metabolom" wird die Gesamtheit der niedermolekularen Stoffwechselintermediate und -endprodukte (Metaboliten) bis zu einem Molekulargewicht von 1.500 Da bezeichnet. Die Identifizierung und Quantifizierung des Metaboloms wird als Metabolomik bezeichnet und ist in seinen Ansätzen komplementär zu den analytischen Genom- und Proteomansätzen. Für die Untersuchung des Metaboloms werden unterschiedliche analytische Konzepte angewendet. Die Methoden der „Target-Untersuchung" umfassen die hypothesengetriebene Suche nach definierten Zielmolekülen oder Substanzklassen. Auf diesem Gebiet wird vor allem die LC/MS/MS mit Quadrupolmassenspektrometern eingesetzt, die eine Quantifizierung multipler Metaboliten in geringen Probenvolumina nach selektiver Probenvorbereitung erlauben. Das „Non-target"-Screening wird hingegen hypothesenfrei durchgeführt.
Durch die unterschiedlichen chemischen Strukturen sowie Konzentrationsunterschiede (g/l bis ng/l) von Metaboliten in Körperflüssigkeiten ergeben sich für die Analytik unterschiedlichste Anforderungen. Ein Beispiel zeigt das LC/MS/MS Chromatogramm; die simultane Analytik von Steroidhormonen aus Serum, die in sehr geringen Konzentrationen vorliegen (pg-ng/ml). Während mit Immunoassays lediglich Einzelbestimmungen möglich sind, können 13 Steroidhormone simultan nach einer on-line Probenanreicherung in zwei Minuten aus nur 100 µl Serum mit LC/MS/MS analysiert werden.