Gesundheitsökonomie

Zuweisungsalltag: Von Kavalieren und Gauklern

15.08.2011 -

Der Gaukler bekommt eine Fangprämie für die Zuweisung seiner Patienten im Krankenhaus, der Kavalier bekommt eine vor- und nachstationäre Vergütung. Ob der Sache damit langfristig gedient ist, steht infrage. Ein Appell an einen neuen Weg.

Das machen doch alle! Zwei Ärzte sind seit langer Zeit mal wieder beim Bier zusammen und plaudern über die gemeinsame Studienzeit und die danach unterschiedlich eingeschlagenen Karrie¬ren. Der eine Chefarzt der Orthopädie einer renommierten Klinik der Stadt, der andere konservativ tätiger niedergelassener Orthopäde, gar nicht weit von der Klinik. Dann kommt das Thema auf die Zuweisungen. „Wo weist du denn deine stationären Patienten ein?" - dann gespielt witzig - „Bei uns ist noch keiner angekommen?" Der andere empört: „Was kann ich dafür, wenn eure Klinik keine Zuweiserpauschalen zahlt? Auf die bin ich inzwischen angewiesen!" „Nein, das dürfen wir nicht! Wir haben da einen Kodex!" „Papperlapapp, das machen doch alle, und die Juristen haben da einen Weg gefunden ... Wir machen das jetzt nicht mehr so offensichtlich. Ich bekomme jetzt vor- und nachstationäre Leistungen bezahlt" ... Augenzwinkern in Richtung des Kollegen ... Der meint: „Blöder Kodex!"

Den Kopf aus dem Sand heben

Das dürfte mittlerweile allgemeiner Usus sein, was die Zuweisungspauschalen zwischen Krankenhäusern und Niedergelassenen betrifft. Sofern die Zuweisungen entgeltet werden, trifft den Arzt kaum ein Unrechtsbewusstsein. Die Sicherheit, dass das ja sowieso alle machen, lässt ihn in dem trügerischen Glauben, wenn überhaupt, handle es sich um ein Kavaliersdelikt, welches sich sicherlich schnell aus der Welt schaffen ließe. Die immer wieder in der Presse auftauchenden Berichte von Strafverfolgungen und Krankenkassenermittlern bringen den Niedergelassenen nur wenig aus der Ruhe. Das Kollektiv des Standes kann nicht irren, die schwarzen Schafe haben es lediglich übertrieben.

Für die Krankenhäuser sind die Zuweisungspauschalen häufig schlichtweg existenziell. Größere Häuser und Klinikketten haben Sorge vor presseträchtigen Skandalen und haben daher jede Art von Zuwendung durch einen Kodex oder durch Transparenz-Richtlinien zum Tabu erklärt. Das saubere Image wird in diesen Fällen vom Marketing genutzt, um durch saubere Aktionen die Zuweisenden dennoch bei der Stange zu halten.

Hebt man den Kopf aus dem Sand, dürfte allen Beteiligten klar sein, dass das Thema Zuweiserpauschalen gerade erst seinen Anfang genommen hat. Bei all dem Nebel und der guten Hoffnung - aber auch bei aller Begehrlichkeit - schreit das Thema nach einer Lösung, die sowohl dem Gesetz und der Ethik entspricht und auch die Ansprüche der Beteiligten befriedigt. Mit etwas Mut und Würde müsste es doch gelingen, den Kavalier eindeutig vom Gaukler zu unterscheiden.

Allgemeiner Usus bei Zuweisungspauschalen

Die aufflammenden Fälle in der Presse und bei den Staatsanwaltschaften haben inzwischen allen mit dem Thema Befassten klargemacht, dass man die plumpe Fangprämie wohl nicht mehr anwenden sollte. Pfiffige Juristen halten heute die folgenden Lösungen parat:

  • Honorierung von vor- oder nachstationären Leistungen,
  • Anmietung und günstigere Vermietung von Praxisräumen oder deren Teilen oder auch Gerätschaften,
  • Kostenübernahme und damit Entlastung der Praxen,
  • Konsilverträge oder Gutachtenaufträge mit Honorarzahlungen an den Arzt.

Der Anspruch an diese Umgehungen bleibt jedoch häufig derselbe wie bei der plumpen Fangprämie: Der niedergelassene Arzt soll einen finanziellen Vorteil dafür erlangen, dass er seine Patienten in das Krankenhaus zuweist, und dies möglichst ohne eine weitere Leistung zu erbringen. Genau dies ist aber gerade die rechtliche Hürde, die insbesondere § 31 der Musterberufsordnung für Ärzte im Rahmen des Verbotes der Zuweisung gegen Entgelt zu regulieren versucht.

So schön der neue Name der Fangprämie auch lauten mag, sie wird immer unzulässig sein, wenn der Arzt nicht für eine weitere gesonderte Leistung bezahlt wird, sondern wegweisend weiterhin für die Zuweisung. Eine rechtliche Konstruktion, die nicht die Zuweisung, sondern nur gesonderte Leistungen entgeltet, wird für jeden Zuweiser grundlegend uninteressant sein. Ein Teufelskreis, der nicht zu einer harmonischen Lösung zwischen Wirklichkeit und Gesetz führen kann. Somit steht auch fest, dass der allgemeine Usus immer nur eine vorübergehende Lösung sein kann, um die jeweiligen Gemüter oder Gewissen zu beruhigen. Eine langfristige Lösung scheint nicht in Sicht.

Die Lösung liegt in der Wertschöpfung

Der Unterschied zwischen einem Kavalier und einem Gaukler dürfte in diesem Fall darin liegen, dass der Gaukler allein seinen Vorteil zum Nachteil des anderen vor Augen hat und der Kavalier Freude daran hat, seine Vorteile und Vorzüge zu teilen.

Eine nachhaltige Lösung im Rahmen der Zuweisungsprämien wird nur dann erzielt werden können, wenn die Beteiligten sich langfristig damit abfinden, dass ein plumper finanzieller Vorteil für den Zuweiser - sei er auch rechtlich noch so geschickt getarnt - keine Lösung sein kann. Das muss aber nicht bedeuten, dass den Beteiligten nun nichts mehr einfallen kann. Die Bereitschaft, die Patienten zuzuweisen, und die Bereitschaft, Unternehmungen in diese Richtungen finanziell zu fördern, besteht ja weiterhin. Dieser Bereitschaft muss jedoch nicht nur ein anderer Name gegeben werden, sondern auch ein anderer Zweck. Die alleinige Bereicherung des Arztes fällt als nachhaltiger Zweck auf jeden Fall weg. Werden die auf dieses Ziel gerichteten Scheuklappen jedoch erst einmal abgenommen, wird der Blick frei auf all die herrlichen sonstigen Bereicherungen, die das Zusammenspiel zwischen Zuweiser und Krankenhaus sonst noch so bieten. Beispielhaft wären da:

  • Aufbau eines fachspezifischen Netzwerkes rund um die Zusammenarbeit,
  • fachspezifische Fortbildung und fachlicher Austausch zwischen Klinik und Ärzten,
  • Aufbau und Kontrolle einer leitliniengerechten Versorgung in dem Fachgebiet,
  • Aufbau einer internen nachhaltigen Kommunikation,
  • Qualitätskontrolle,
  • fachspezifische Studien,
  • Aufbau und Entwicklung neuer Abrechnungsmodelle (z. B. integrierte Versorgung),
  • Informationen für den Patienten,
  • Verknüpfungen der EDV,
  • betriebswirtschaftliche, steuerliche und rechtliche Unterstützungen und Schulungen.

Das Krankenhaus kann diese Zwecke (ggf. zusammen mit anderen, die von Zuweisungen profitieren) nur im Sinne seiner Zuweiser finanziell und tatkräftig fördern. Die Zuweiser wiederum können zum einen mitwirken und zum anderen durch eine konsequente Lenkung des Patientenstromes die Zwecke dieses gemeinsamen Vorhabens fördern. So stehen Patienten, Ärzte, Krankenhaus und finanzielle Mittel zur Verfügung, um endlich dort anzusetzen, wo es eh schon lange überfällig ist: am Ausbau der integrierten und vernetzten Versorgungsstrukturen. Die Zuweiserprämie bekommt dann einen anderen, diesmal aber nachhaltigen neuen Namen: Investitionsbeitrag für den Aufbau gemeinsamer Versorgungsstrukturen.

Dieser Beitrag wird langfristig den Ärzten und dem Krankenhaus zugute kommen. Ethisch und rechtlich hoch anständig werden sich so klare Vorteile für die Zuweiser als Bestandteil der Wertschöpfungskette einstellen. Wie vom Gesetz gewollt, werden diese Investitionsbeiträge unweigerlich dazu führen, dass die Zuweisung nicht nur der Bereicherungsabsicht, sondern insbesondere neu geschaffenen sachlichen Gründen folgt.

Derartige Modelle werden bereits in die Tat umgesetzt. Häufig wird hierfür eine neue Gesellschaft gegründet, die die Investitionsbeiträge im Sinne aller lenkt und verwaltet. Diese Gesellschaft steht unter klarer Kontrolle z. B. durch einen Kodex oder einen Beirat, in der Hoffnung, dass die Gaukler langfristig den Kavalieren weichen.

Ist die Zeit schon reif?

Die einzige Frage, die dieses neue Modell der Zuweisungsbereicherung nicht standhält, ist diese: „Und wo bekomme ich dann jetzt mein Geld?" Hierauf ist jedoch klar zu entgegnen, dass dies nur die Frage eines Gauklers sein kann.

 

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