Stellenwert von Cetuximab in der Therapie von Kopf-Hals-Tumoren
04.11.2011 -
Der Einsatz von Cetuximab, ein anti-EGFR-Antikörper, ist sowohl in der Therapie lokal fortgeschrittener Tumoren als auch in der palliativen Situation seit einigen Jahren fest etabliert.
Auf einem von Merck Serono unterstützten Symposium im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schwei-zerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie (DGHO) unter Vorsitz von Prof. Tim Brümmendorf, Aachen, stellten Experten der jeweiligen Fachrichtung aktuelle Ergebnisse zu Cetuximab beim SCCHN und daraus folgende neue Behandlungskonzepte vor.
Prof, Jan Gosepath, Wiesbaden, erläuterte, dass die Chirurgie vor allem in der Therapie früher Stadien des SCCHN große Bedeutung besitzt und auch bei lokal fortgeschrittenen Tumoren oft Nutzen zeigt. „Bei inoperablen Tumoren oder möglichem Verlust der Organfunktion sind alternative Therapieansätze erforderlich, um Organe zu erhalten oder eine spätere Operation zu ermöglichen", so Gosepath.
„Hierzu werden eine Reihe von Studien durchgeführt, in denen auch der Stellenwert von Cetuximab evaluiert wird." So erhielten in der Phase-II-Studie von Argiris et al.1 37 Patienten eine aus Docetaxel, Cisplatin und Cetuximab (TPE) bestehende Induktionstherapie, gefolgt von einer Radiochemotherapie (RCT) in Kombination mit Cetuximab und einer anschließenden Cetuximab-Erhaltungstherapie. Während 86% der Patienten bereits nach der Induktionsphase in Komplett- oder partieller Remission waren, betrug das Gesamtansprechen nach der Erhaltungstherapie 100% (CR 24%, PR 76%), wobei 74% der Patienten nach drei Jahren noch am Leben waren.
Sehr gute Ergebnisse zeigte auch der Einsatz von Cetuximab im Anschluss an eine Induktionschemotherapie. In der TREMPLIN-Studie2 (n=153) erhielten Patienten mit operablem Larynx/Hypopharynx-Karzinom der Stadien III/IV zu-nächst eine aus Docetaxel, Cisplatin und 5-FU bestehende Induktionschemotherapie (TPF).
Darauf ansprechende Patienten wurden in zwei Studienarme randomisiert und entweder mit einer Radiotherapie (RT) plus Cisplatin (Arm A) oder einer RT plus Cetuximab (Arm B) weiterbehandelt. In den Endpunkten Erhalt des Kehlkopfs nach drei Monaten (95% vs. 93%)3 und im Gesamtüberleben nach 18 Monaten (92% vs. 89%)3 ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Studienarmen.
Deutliche Differenzen zeigten sich jedoch in der Verträglichkeit: Während im Cetuximab-Arm 71 % der Patienten das vollständige Regime erhielten, waren es im RCT-Arm nur 43 %3. „Bei vergleichbarer Wirksamkeit war die Kombination der RT mit Cetuximab aufgrund der geringeren Raten an Akut- und Spättoxizitäten deutlich verträglicher als die herkömmliche RCT", fasste Gosepath zusammen.
RT plus Cetuximab mindestens so wirksam wie RCT mit Cisplatin
Der Strahlentherapeut Prof. Dirk Rades, Lübeck, betonte, dass die Kombination einer RT mit Cetuximab gemeinsam mit der simultanen RCT mittlerweile parallele Standards in der Therapie des lokal fortgeschrittenen SCCHN sind. „Der Wirksamkeit der RCT stehen jedoch Akuttoxizitäten gegenüber, die nicht selten zu Therapieabbrüchen oder Dosisreduktionen zwingen."
Ebenfalls hochwirksam, aber verträglicher ist hingegen die Zugabe von Cetuximab zu einer RT, was in der Zulassungsstudie von Bonner et al.4 nachgewiesen wurde. In der randomisierten Phase III-Studie erhielten 424 Patienten mit lokal fortgeschrittenem SCCHN der Stadien III/IV entweder eine alleinige RT, oder eine RT plus Cetuximab.
Die zusätzliche Gabe des Antikörpers verlängerte die mediane lokoregionäre Tumorkontrolle im Vergleich zur alleinigen RT um 9,5 Monate (24,4 vs. 14,9 Monate) und reduzierte das lokoregionäre Progressionsrisiko signifikant um 32% (HR: 0,68, p=0,005). Auch das Gesamtüberleben wurde durch die Kombi-nationstherapie signifikant verlängert (49,0 vs. 29,3 Monate; p=0,018)4, ohne dass sich die Hinzunahme von Cetuximab negativ auf die Lebensqualität der Patienten auswirkte.5 Fünf Jahre nach der Randomisierung lebten noch 45,6 % der Patienten im Versuchsarm und 36,4% der Patienten im Kontrollarm.6
Häufigste Nebenwirkungen unter Cetuximab waren akneiforme Hautreaktionen, wobei das Mortalitätsrisiko bei Patienten mit Reaktionen der Grade II bis IV um 51% geringer war als bei solchen mit Reaktionen vom Grad 0 bis I.6 „Wie der Vergleich von Studienergebnissen zeigt, ist die Kombination von Cetuximab mit einer Radiatio beim lokal fortgeschrittenen SCCHN mindestens so effektiv wie eine RCT mit Cisplatin", erläuterte Rades.
Weiteren Aufschluss hierüber soll die Phase-III-Studie RTOG 1016 bringen. Bei HPV-positiven Patienten mit lokal fortgeschrittenem Oropharynx-Karzinom wird die Wirksamkeit der Kombination einer intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT) entweder mit Cisplatin oder mit Cetuximab verglichen. Primärer Endpunkt ist das 5-Jahres-Überleben, während progressionsfreies Überleben, lokoregionäres Versagen und Toxizität zu den sekundären Endpunkten zählen.
Cetuximab-Kombination ist Therapiestandard in der palliativen Situation
Den hohen Stellenwert von Cetuximab in der Erstlinientherapie des rezidivier-ten/metastasierten SCCHN erläuterte der internistische Onkologe Dr. Thomas Gauler, Essen. In der Behandlung rezidivierter/metastasierter SCCHN ist die Kombination des Antikörpers mit einer platinbasierten Chemotherapie (CT) mittlerweile Therapiestandard. Dieses Regime zeigte in der EXTREME-Studie7 erstmals nach 30 Jahren eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens. Die randomisierte Phase-III-Studie umfasste 442 Patienten, die entweder eine platinbasierte CT (Cis- oder Carboplatin plus 5-FU), oder die platinbasierte CT plus Cetuximab mit anschließender Cetuximab-Erhaltungstherapie bis zum Progress erhielten.
Die Zugabe des Antikörpers verlängerte das mediane Gesamtüberleben um 2,7 Monate (10,1 vs. 7,4 Monate) und reduzierte das Sterberisiko signifikant um 20% (HR: 0,80; p=0,04). Auch in den sekundären Endpunkten progressionsfreies Überleben (5,6 vs. 3,3 Monate; HR: 0,54, p<0,001) und Ansprechen (36 vs. 20%, p<0,001) war die Kombination aus platinbasierter CT mit Cetuximab und anschließender Cetuximab-Erhaltungstherapie signifikant überlegen. „Die Gabe von Cetuximab beeinträchtigte dabei die Lebensqualität der Patienten nicht, sondern führte in vielen Fällen sogar zu einer Verbesserung der Symptomkontrolle8", erläuterte Gauler.
Weitere Verbesserungen in der Therapie rezidivierter/metastasierter SCCHN erhofft man sich u. a. von der Kombination von Cisplatin und Cetuximab mit Docetaxel. So zeigte die TPEx-Studie9 (n=54), in der nach bis zu vier Zyklen dieser Kombination eine Erhaltungstherapie mit Cetuximab bis zum Progress zum Einsatz kam, nach 12 Wochen eine objektive Ansprechrate von 42,6 %, wobei das mediane Gesamtüberleben mittlerweile elf Monate übersteigt. „Dies sind sehr positive erste Ergebnisse in der palliativen Situation für dieses Regime, dessen Toxizitäten handhabbar sind", so Gauler abschließend.
Referenzen:
- Argiris A. et al. JCO 2010 ; 28 (36) : 5294-5300
- Lefebvre J. et al. ASCO 2009; Abstract 6010
- Lefebvre J. et al. ASCO 2011; Abstract 5501
- Bonner J. A. et al. N Engl J Med 2006; 354: 567-78
- Curran D. et al. J Clin Oncol 2007; 25: 2191-7
- Bonner J. A. et al. Lancet Oncol 2010; 11: 21-28
- Vermorken J. B. et al. N Engl J Med 2008; 359: 1116-1127
- Mesia R. et al. Ann Oncol 2010;21: 167-1973
- Guigay J. et al. ASCO 2011; Abstract 5567
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