Medizintechnik: Verständigungsprobleme zwischen Mensch und Maschine
08.12.2011 -
Medizintechnik: Geräten im medizinischen Bereich fehlt es oft an einfachen Bedienkonzepten, was zu Fehlern bei der täglichen Arbeit führen kann. Anwender verlangen daher nach intuitiv nutzbarer Oberfläche, die sie von ihren Smartphones kennen.
Das beste Gerät bringt nichts, wenn Menschen gar nicht oder nur ungern damit arbeiten wollen. Daher gibt es im Klinikumfeld einigen Handlungsbedarf. Denn die Bedienbarkeit vieler technischer Geräte lässt zu wünschen übrig. Das gilt für Technik aller Art. „Die mangelnde Benutzerfreundlichkeit ist eine der größten Hürden beim Einsatz von IT im Krankenhaus", heißt es etwa in der Einleitung der Usabil-IT-Studie, welche die Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) gemeinsam mit dem Branchenverband bvitg (damals VHitG) durchgeführt hat.
Dieses Defizit bei der Usability ist gerade im medizinischen Bereich fatal. Schließlich hängt die Gesundheit von Patienten davon ab, dass das Krankenhauspersonal mit den Geräten sachgerecht umgehen kann. Eine schlechte Nutzbarkeit kann direkten Einfluss auf die Arbeitsqualität haben, wie eine andere Studie aus dem Jahr 2006 zeigt. Unter der Leitung von Ulrich Matern, heute Geschäftsführer beim Beratungshaus wwH-c, wurden 425 Chirurgen und 190 Pflegekräfte nach ihren Arbeitsbedingungen und der Sicherheit im Operationssaal befragt. Eines der Ergebnisse: 70% der Chirurgen und die Hälfte der Pflegekräfte gaben an, dass sie hin und wieder Probleme mit der korrekten Bedienung der Geräte hätten und dies in vielen Fällen zur Gefährdung der im OP befindlichen Personen geführt habe. Auch wenn die Untersuchung bereits einige Jahre alt ist - das Problem, dass die falsche Bedienung von technischen Geräten zu Fehlern führt, ist noch immer aktuell.
Schlechte Nutzeroberflächen bringen aber nicht nur Patienten in Gefahr. Sie sorgen auch dafür, dass der Einsatz der dazugehörigen Systeme aufwendiger und teurer wird als nötig. Denn wenn sich die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine einfach bedienen lässt, kann die gesamte Lösung schneller eingerichtet und somit eher genutzt werden. Eine Bedienführung, die weitgehend selbsterklärend ist, reduziert zudem den Schulungsaufwand. Das Krankenhaus spart Kosten für die Trainingseinheiten. Die Mitarbeiter sind flexibler einsetzbar, weil nicht nur einige wenige mit einem bestimmten Gerät umgehen können.
Der Alltag in deutschen Kliniken sieht jedoch oft anders aus. Dies lässt sich zumindest aus der Usabil-IT-Studie schließen, für die rund 4.500 Personen aus 378 Krankenhäusern befragt wurden. Dabei bemängelten die Anwender die uneinheitliche Bedienphilosophie der verschiedenen IT-Systeme. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Nutzer die Zufriedenheit mit den Systemen insgesamt nur als mittelmäßig beschreiben. Der Einsatz von IT in der Klinik kostet zudem Zeit, die in der Versorgung der Patienten fehlt.
Die Autoren der Studie wünschen sich daher von den Herstellern eine stringente Verwendung von Styleguides - also Gestaltungsrichtlinien - bei der Entwicklung von Nutzeroberflächen. „Die Berücksichtigung plattformspezifischer Styleguides könnte den Wiedererkennungswert für den Anwender erhöhen und potentiell zu einer einheitlicheren Oberfläche über Systemgrenzen hinweg führen", heißt es in der Untersuchung. Gefordert sind aber nicht nur die Anbieter. Wenn es um die Anpassung der Systeme an die speziellen Erfordernisse der Klinik geht, sollten die Technikverantwortlichen in den Krankenhäusern ebenfalls auf projektspezifische Styleguides zurückgreifen, so die Meinung der Studienautoren. Zudem sei die einheitliche Nutzung der Software mithilfe eines Betriebskonzeptes sicherzustellen.
Unternehmen wie Phoenix Design oder UID haben sich auf das Design von Bedienoberflächen spezialisiert. Nach Meinung von Manfred Dorn, Director der Abteilung Interface bei Phoenix Design, ließen sich viele Probleme mit den Nutzerschnittstellen vermeiden, wenn deren Konzeption und Gestaltung nicht nur in den Händen von Ingenieuren und Programmierern liegt. Spezielle Usability-Experten und Psychologen sollten von Beginn an in den Entwicklungsprozess einbezogen werden. Den Anwendern empfiehlt Dorn, bei der Auswahl eines Geräts darauf zu achten, dass das Bedienkonzept auf Standards basiert.
Mobile Kleincomputer
Als Vorbild für gelungene Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine dienen moderne Smartphones - allen voran das iPhone von Apple. Der Erfolg dieser Geräte liegt unter anderem darin begründet, dass sie sehr einfach zu nutzen sind. Anwender ohne technische Vorkenntnisse können mit den mobilen Kleincomputern umgehen - vom Kind bis zum Rentner. Am Beispiel des iPhones verdeutlicht Dorn die Stärken des Konzepts: „Die Grundfunktionen waren bei den Konkurrenzprodukten vorher auch vorhanden. Jedoch wurden diese von Apple völlig neu interpretiert und mit einem Look and Feel versehen, das durch seine intuitive, gestenorientierte Bedienung überzeugt."
Nach dem Erfolg des iPhones zogen die anderen Smartphone-Hersteller nach und bieten nun auf ihren Geräten die gleichen Möglichkeiten. Mittlerweile kann ein mobiles Device kaum erfolgreich sein, wenn es nicht Bedienfunktionen wie etwa Multitouch bietet.
Die Mitarbeiter in den Krankenhäusern, die den Umgang mit den mobilen Endgeräten aus ihrem privaten Alltag gewohnt sind, erwarten mittlerweile, dass sich auch die medizinischen Systeme ähnlich intuitiv verwenden lassen. Ärzte und Pflegekräfte fragen entsprechende Bedienkonzepte bei den Herstellern nach.
Die Zufriedenheit des Klinikpersonals mit den Nutzeroberflächen dürfte künftig steigen. Seit März 2010 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass bei der Entwicklung von Medizinprodukten ein Usability-Engineering-Prozess durchgeführt wird. Dieser Prozess muss zudem durchgängig dokumentiert werden.
Doch nicht alles, was technisch möglich ist, muss auch sinnvoll sein. So lassen sich Multitouch-Oberflächen im medizinischen Bereich zwar umsetzen. Doch wichtig ist nicht, dass dem Anwender ein schickes Gerät zur Verfügung steht. Er sollte damit seine Tätigkeit bestmöglicht erledigen können, und das System muss dafür die passenden Funktionen bieten. Die Nutzbarkeit hängt nicht allein von der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ab. Ein iPhone-Design macht aus einem schlechten medizinischen Gerät nicht zwangsläufig ein gutes.