Experimental-OP: Ressourceneinsatz und Profitabilität
29.01.2012 -
Experimental-OP: Ressourceneinsatz und Profitabilität. Eine Chirurgische Abteilung verdient ihr Geld überwiegend im Operationssaal bei den zu operierenden Patienten. Daraus ergibt sich ein hoher Stellenwert für das „Profit-Center“ OP und in der Kalkulation der „Dienstleistung Operation“. Welche Faktoren sind für einen reibungslosen Prozess im OPTrakt notwendig?
Das gut ausgebildete Personal steht im Vordergrund. Es kann Mängel der Architektur und Ablauforganisation durch persönliches Engagement bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Doch wirtschaftlich wird der OP dadurch noch nicht. Bisherige Ansätze, diese Prozesse zu optimieren, führten dazu, dass die Wechselzeiten zwischen 15 – 45 % auf 57 min (Kiel, 16 %), 52 min (Zürich, 20 %), 38 min (Boston, 43 %), bzw. 28 min (Gainesville, 37 %) reduziert wurden. Diese Wechselzeitreduktionen, welche zu höherer Produktivität und Profit im OP geführt haben, wurden teilweise durch einen höheren Personalaufwand erreicht. Die zusätzlich notwendigen räumlichen Veränderungen bezogen sich auf die Einrichtung von Ein- und Ausleitungszonen – dort wo diese bisher nicht vorhanden waren. Durch diese Korrekturmaßnahmen war es möglich, Teilprozesse verschiedener Patienten parallel durchzuführen.
Unvoreingenommene Analyse
Beobachtet man die Teilprozesse eines Patientenwechsels, fällt dem unbeteiligten Außenstehenden sofort auf, dass die für die Spezialisten des jeweiligen OP-Teams logisch erscheinenden Prozesse unstrukturiert ablaufen. Dies betrifft nicht nur das Abrufen des nächsten Patienten von Station. Natürlich weiß jeder im OP, was gemacht werden muss, um am Ende operieren zu können. Die einzelnen Schritte dahin scheinen aber nicht geordnet und mehr zufällig und dadurch ineffizient.
Eine unvoreingenommene und videobasierte Analyse der einzelnen Handlungen, verbunden mit dem Training optimierter Prozesse, könnte die Effektivität der OPTeams steigern. Aus Sicht der Betreiber ist jedoch eine weitergehende Optimierung der Prozesskette sinnvoll, um die Auslastung der Räumlichkeiten nachhaltig zu erhöhen. Doch leider kann in Deutschland dieses Ziel in vielen Kliniken nicht erreicht werden, weil:
- ein Einleitungsbereich/-raum nicht vorhanden ist
- der Einleitungs- u. o. Ausleitungsbereich/- raum zu klein ist
- die notwendigen Geräte fehlen
- die Gas-Anschlüsse in der Ausleitung fehlen Personal (Anästhesisten, Anästhesie-Pflegekräfte) fehlt.
Die baulichen, gebäude- und medizintechnischen sowie personellen Ressourcen sind also nicht vorhanden, um effizient und ergonomisch zu wirtschaften. Dabei würde sich die Investition in Gebäude, Technik und Personal durchaus im Sinne eines rentablen Prozesses, aber auch im Sinne des Zeitgewinns für das ärztliche Personal – Zeit für die Patienten rechnen. Denn durch das Wegfallen unnötiger und belastender Wartezeiten auf die nächste Operation im OP könnte diese Zeit für Patienten in Ambulanz und auf Station genutzt werden, was sich auch in Qualität und Sicherheit, sowie einer positiven Wahrnehmung durch die Patienten (Stichwort Kundenbindung und -gewinnnung) bemerkbar machen würde.
Parallele Prozesse
Um diese Ziele zu erreichen, müssen Prozesse im OP parallelisiert werden; d. h. die Narkose des nächsten Patienten muss während der laufenden OP eingeleitet werden, die Ausleitung findet außerhalb des OPsaals statt. Gleiches gilt für das Auf- und Abrüsten der Instrumententische. In einem idealen Fall mit entsprechenden architektonischen und medizintechnischen Voraussetzungen kann dies bedeuten, dass die Wechselzeit auch unter Einhaltung höchster Hygienestandards auf bis zu 10 min gesenkt werden kann. Lagerung, Hautantiseptik und Abdecken des Patienten könnten gemäß dem mit dem „Management- Preis 2006 der RFH-Köln“ ausgezeichneten Konzept ebenfalls in der Einleitung erfolgen. Der Patient erreicht den OP-Saal sozusagen „just in time“ nach der Reinigung des Saals zu seiner Operation. Die Ausstattung des „Experimental-OP“ in Tübingen unterstützt diesen Prozess.
Geht man davon aus, dass eine OP- Minute 7 € kostet, ergibt sich aus einer Reduktion der Wechselzeit um 25 min eine Zeitersparnis im Wert von etwa 132 T€/anno sowie eine Anhebung des „Umsatzes“ um 20 – 50%. Natürlich muss sich mehr Personal um die jeweiligen Patienten kümmern, dies ist aber durch diesen optimierten Prozess und den damit verbundenen Mehrwerten gesichert.
Das Beispiel einer operativen Einheit, die sehr exakt ihre Prozessdaten dokumentiert, verdeutlicht den potenziellen Erfolg. Hier werden in einer Woche in zwei Sälen 25 Patienten operiert. Die Wechselzeiten sind mit 30 – 35 Minuten bereits sehr gut. Trotzdem wird in diesem OP zwischen 7:00 Uhr morgens und 22:00 Uhr abends gearbeitet, um das Pensum erfolgreich zu bewältigen. Diese Daten wurden Grundriss- und personalbezogen in die Simulationssoftware „MedModel“ eingegeben, analysiert und auf den Grundriss und das Konzept des „Experimental-OP“ übertragen. Die Simulation zeigt, dass sich die gleichen 25 Patienten auch in einer Schicht zwischen 7:00 Uhr morgens und 19:00Uhr abends operieren lassen. Allerdings ist nun das Programm nicht Freitagabend um 22:00 Uhr beendet, sondern donnerstags um 18:00 Uhr! Ein Tag zur freien Verfügung: für Überstundenabbau, Patienten in Ambulanz und Station oder für weitere Operationen.
Zusammengefasst bedeutet dies:
- die produktive Zeit der Operateure wird erhöht
- die Auslastung des OP-Saals wird erhöht
- durch die höhere Produktivität sind weniger Operationssäle notwendig, d. h. vorhandene Räume können anderweitig produktiv genutzt werden
- diese Erhöhung der Produktivität führt nicht zwangsläufig zu anderen Arbeitszeitmodellen (Überstunden/Mehrschichtbetrieb)
- die Konzentration in den spezialisierten OP-Prozessen erhöht Qualität und Routine und führt dadurch zu mehr Sicherheit
Kompensation der Kosten
Dieser Lösungsansatz bedeutet eine andere Architektur (also mehr Kosten) und mehr Personal (was mehr Aufwand bedeutet) in den vorbereitenden OP-Prozessen. Diese Kosten bzw. dieser Aufwand werden durch zusätzlich erbrachte und verrechenbare Leistungen (also höheren Umsatz) mehr als kompensiert. Durch das straffere Management können weitere positive Effekte bei den Arbeitszeitmodellen rund um den OP erzielt werden.
Vor dem Hintergrund dieser ersten Studienergebnisse des „Experimental-OP“ scheint es sinnvoll zu sein, die eigenen Prozesse genau zu analysieren und zu simulieren, ob mit mehr Personal und optimierter Ausstattung nicht profitabler, sicherer und humaner im OP agiert werden könnte.