Gesundheitsökonomie

Rechtsanwalt Dr. Henning C. Schneider im Interview zur Privatisierung von Krankenhäusern

05.07.2012 -

Rechtsanwalt Dr. Henning C. Schneider im Interview zur Privatisierung von Krankenhäusern. Rechtsanwalt Dr. Henning C. Schneider hat langjährige Erfahrung bei der Beratung in Privatisierungsverfahren und gilt laut Juve-Handbuch für Wirtschaftskanzleien 2005/2006 als einer der „führenden Namen im Krankenhausrecht“. Er ist Partner der Sozietät Latham & Watkins LLP.

Management & Krankenhaus: Wo sehen Sie die aktuellen Entwicklungen bei den Privatisierungen von Krankenhäusern?

Henning Schneider: Der Privatisierungstrend bleibt ungebrochen. Viele Gesundheitseinrichtungen, wie Krankenhäuser oder Alten- und Pflegeheime, sowie deren Träger kommen zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Ein Grund sind die Fallpauschalen. Zu nennen ist auch die zunehmende Ambulantisierung von bisher stationären Leistungen. In der Vergangenheit durchgeführte interne Optimierungsmaßnahmen haben dagegen oft nicht zu einer merklichen Entspannung der Finanzlage geführt.

Management & Krankenhaus: Wer sind die Käufer und neuen Betreiber? Und warum sollen diese ein Krankenhaus denn besser führen können?

Henning Schneider: In den Privatisierungsverfahren sehen wir regelmäßig ein gutes Dutzend von renommierten deutschen Krankhausbetreibern, die bereits seit längerer Zeit gut und erfolgreich Krankenhäuser führen. Ein solches Unternehmen, das beispielsweise bereits 40 Krankenhäuser führt, kann natürlich in der Regel über ein besseres Management Know-how verfügen als eine Kommune, die nur ein oder zwei Einrichtungen betreibt. Gleichzeitig kann man so auf der Kostenseite, etwa durch größere Einkaufsvolumina, Kosten reduzieren. Klassische Finanzinvestoren wie Private Equity haben im Krankenhausmarkt bisher keine relevante Bedeutung.

Management & Krankenhaus: Was ist in einem Privatisierungsverfahren zu beachten?

Henning Schneider: Die Privatisierung von Unternehmen der öffentlichen Hand unterliegt regelmäßig nicht dem streng-formalen Vergabeverfahren. Dennoch sind allgemeine Vergabegrundsätze zu beachten, wie die Gebote zur Transparenz und Gleichbehandlung. Um eine rechtliche oder auch politische Unangreifbarkeit des Verfahrens zu gewährleisten, hat sich daher in der Praxis das sog. „strukturierte Bieterverfahren“ bewährt. Dieses besteht aus folgenden Phasen: Bekanntmachung, Informationsmemorandum, Abgabe von indikativen Angeboten, Datenraum-Phase, verbindliche Angebote, Vertragsverhandlungen und Vertragsbeurkundung.

Management & Krankenhaus: Gibt es denn Besonderheiten bei den Verhandlungen über einen Kaufvertrag, wenn ein Krankenhaus zum Verkauf ansteht?

Henning Schneider: Ja, natürlich. Sie verkaufen ja nicht irgendeine „Schraubenhandlung“. Bei Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen geht es um wichtige und sensible Aspekte wie die Krankenversorgung oder die pflegerischen Strukturen einer Region. Diese müssen auch nach dem Verkauf dauerhaft sichergestellt werden. Der bisherige Träger darf also seine Einrichtungen nicht einfach verkaufen, nur um einmalig einen hohen Kaufpreis zu erzielen. Vielmehr muss der kommunale oder gemeinnützige Träger frühzeitig seine sonstigen Privatisierungsziele definieren. Um diese langfristig zu sichern, kommen umfassende Vertragsregelungen in Betracht: Klauseln zur Standorterhaltung und zum Ausbau der medizinischen Vorsorgung oder Investitionsverpflichtungen. Der Kaufvertrag sollte die in diesem Bereich üblichen, detaillierten Vertragsregelungen beinhalten wie etwa Gewährleistungen, Vertragsstrafen, Rücktrittsrechte oder Grunddienstbarkeiten. Wichtig sind freilich auch ausgewogene Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer, denn eine Privatisierung gegen den Willen der Mehrheit der Arbeitnehmer wird nach meiner Auffassung am Ende meist ohne Erfolg bleiben.

Schließlich gibt es bei der Trägerschaftsüberführung von Gesundheitseinrichtungen noch einige „Spezialthemen“, die zwischen Käufer und Verkäufer mit Sorgfalt geregelt werden müssen. Zu beachten sind Pensionslasten (z.B. VBL – Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder), kommunale Versicherungssysteme (z.B. KSA – Kommunaler Schadensausgleich), öffentliche Fördermittel (z.B. für zweckgebundene Baumaßnahmen) und Steuern (z.B. Grunderwerbsteuern beim Erwerb einer Krankenhausimmobilie oder Rückversteuerungsrisiko bei Verletzung der Gemeinnützigkeit).

Management & Krankenhaus: Das Bundeskartellamt prüft bei Transaktionen im Krankenhausmarkt und hat erste Privatisierungsverfahren gestoppt. Wird damit die Privatisierungswelle bei Krankenhäusern abgeschwächt?

Henning Schneider: Bei einigen Krankenhausbetreibern wird zumindest ein Umdenken erforderlich sein. Das Bundeskartellamt stellt nämlich das von vielen Betreibern verfolgte Geschäftsmodell der „Cluster“-Bildung in Frage: Bisher sollten, betriebswirtschaftlich durchaus sinnvoll, durch regionale Schwerpunkte Synergien ermöglicht werden. Die neue Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes könnte, sofern sie Bestand hat, zu gewissen Veränderungen auf der privaten Betreiberseite führen. Regional starke Unternehmen werden nun eher über bundesweite Akquisitionen wachsen. Auch sind alternative Strukturen (Fondsmodelle) und der Markteintritt ausländischer Betreiber, wie etwa der schwedischen Capio- Gruppe, nun eher zu erwarten.

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