BRCA-Mutationen: Genomische Stabilität nach Mammographiestrahlung
09.07.2012 -
BRCA-Mutationen: Genomische Stabilität nach Mammographiestrahlung. Etwa 5–10 % aller Brustkrebsfälle sind auf vererbbare Mutationen in einem der beiden Gene BRCA1 oder BRCA2 zurückzuführen. BRCA-Gene spielen u.a. eine Rolle bei der Erhaltung der genomischen Stabilität und bei der fehlerfreien Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen (DSBs), wie sie z.B. durch ionisierende Strahlung induziert werden. Im Zuge der Früherkennung wird für Brustkrebs prädisponierten Personen angeraten, sich bereits in jungen Jahren (fünf Jahre vor Eintritt des frühesten Brustkrebsfalles in der Familie) und regelmäßig (ein- bis zweimal jährlich) mammographieren zu lassen. In einem von der Wilhelm Sander- Stiftung geförderten Projekt möchte das Forscherteam um Dr. Marlis Frankenberg-Schwager, Universität Göttingen, und Prof. Markus Löbrich, Universität des Saarlandes, untersuchen, ob nach Bestrahlung von Zellen von Trägerinnen eine höhere genomische Instabilität vorliegt als bei Wildtypzellen, wodurch die Grundlage für die Entstehung von Krebszellen geschaffen wird.
Die Entartung von Zellen und damit die Tumorentstehung sind gekennzeichnet von Veränderungen des Genoms. Dabei steht die Fehlfunktion von Genen, welche den Zellzyklus regulieren und bei der Behebung von DNA-Schäden benötigt werden in direktem Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs. Da von den meisten Genen im menschlichen Genom zwei funktionelle Versionen vorliegen, kann beim Verlust einer Kopie das zweite Gen die notwendigen Funktionen meist vollständig übernehmen. Alle Zellen einer für Brustkrebs prädisponierten Frau sind BRCA heterozygot (BRCA+/-). Die häufigsten vererbten BRCA-Mutationen resultieren in verkürzten BRCA-Proteinen. Diese sind nicht oder nur eingeschränkt zur Komplexbildung mit anderen Proteinen fähig. In diesem Fall werden vorwiegend funktionsfähige Komplexe entstehen, da nur das Wildtypprotein Komplexbindungen eingehen kann.
Es kommt jedoch vor, dass mutierte Gene Proteine kodieren, welche die Funktion der funktionellen Kopie negativ beeinflussen (dominant negative Interferenz). So könnten mutierte BRCA-Proteine mit nahezu normaler Länge an Komplexbildungen teilnehmen und in Konkurrenz zum Wildtypprotein stehen. In diesem Fall ist zu erwarten, dass die Hälfte der Komplexe nicht oder nur eingeschränkt funktionstüchtig ist. Unter diesen Voraussetzungen kann die zelluläre Antwort auf DNA-Schäden, wie sie durch die Mammographiestrahlung hervorgerufen werden, beeinträchtigt sein. Die vermehrt fehlerhafte Reparatur von DSBs könnte dann zu einer erhöhten mutagenen und karzinogenen Wirkung von ionisierender Strahlung führen. Im geförderten Projekt soll daher untersucht werden, ob heterozygote (BRCA+/-) Zellen von Mutationsträgern nach Exposition mit kleinen Mengen von Mammographie-Röntgenstrahlung eine höhere genomische Instabilität aufweisen als Kontrollzellen (BRCA+/+), oder ob dazu der homozygote Genotyp (BRCA-/-) nötig ist.
Dazu werden Chromosomenveränderungen mit Hilfe der Anfärbung ganzer Chromosomen (whole-chromosome painting/ fluorescence in situ hybridization, WCP-FISH) untersucht werden. Darüber hinaus sollen immunfluoreszenzmikroskopische Studien mit BRCA-hetereozygoten und BRCAhomozygoten Zellen durchgeführt werden, um die Beteiligung der BRCA-Proteine an der DSB-Reparatur aufzuklären und einen Beitrag zum mechanistischen Verständnis dieser Faktoren zu liefern. Die zu erwartenden Ergebnisse können zur besseren Beurteilung eines eventuellen Risikos von Mammographie- Röntgenstrahlen beim Screening von für Brustkrebs prädisponierten Personen beitragen. Die Erkenntnisse aus dem beschriebenen Projekt sind wichtig für die Beurteilung, ob Mammographie-Screening als Methode der Krebsfrüherkennung bei familiär für Brustkrebs prädisponierten Personen geeignet ist.