Algorithmus Fast-track Rehabilitation: schnellere postoperative Genesung
09.07.2012 -
Algorithmus Fast-track Rehabilitation: schnellere postoperative Genesung. Chirurgen, Anästhesisten und Pflegewissenschaftler aus universitätsmedizinischen Einrichtungen haben mit Unterstützung des Unternehmens Baxter einen Leitfaden für die optimierte perioperative Versorgung vorgelegt. Der „Algorithmus Fast-track Rehabilitation“ stellt am Beispiel der elektiven Kolonchirurgie die Handlungsabläufe vor. Das Konzept hinter der Fast-track Rehabilitation präsentierten zwei Mitglieder des Autorengremiums anhand eines Fallbeispiels auf einem von Baxter Deutschland veranstalteten Workshop anlässlich der 54. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DAC) im Mai 2007 in Hamburg.
„Fast-track Rehabilitation“ steht für die multimodale und interdisziplinäre Versorgung chirurgischer Patienten nach den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin. Der Algorithmus zeigt auf, wie der operative Eingriff von der stationären Aufnahme bis zur ambulanten Wiedervorstellung möglichst komplikationsfrei und zügig ablaufen kann. Fast-track Patienten können beispielsweise oft schon am fünften Tag nach einer Darmoperation das Krankenhaus verlassen. Die Anwendung des Behandlungskonzepts und eine damit einhergehende rasche Entlassung sind auch auf andere Operationen übertragbar.
Dabei ist das Ziel der Fast-track Rehabilitation nicht die Verkürzung des stationären Aufenthaltes nach operativen Eingriffen, sondern das schnelle Erreichen der Entlassungsfähigkeit bei unveränderten Entlassungskriterien. So tragen eine schonende Narkose beispielsweise mit dem volatilen Anästhetikum Desfluran und der Verzicht auf Magensonden und intraperitoneale Wunddrainagen zur schnellen Genesung des Patienten bei. „Allein bei elektiven Darmresektionen können mit Fast-track pro Jahr etwa 15.000 allgemeine Komplikationen und schätzungsweise eine halbe Million Krankenhaustage gespart werden“, schätzt Prof. Wolfgang Schwenk von der Charité Berlin. Bei einer TED-Befragung der Workshop-Teilnehmer gaben 46% der Anästhesisten an, bereits nach den Prinzipien des Fast-track zu arbeiten. Schwenk vermutete allerdings, dass dies nicht überall konsequent und unter Berücksichtung moderner pathophysiologischer Ansätze umgesetzt werden kann. „Dazu gehört auch die schnelle Wiedererlangung der Homöostase und ein weitgehender Schutz der Patientenautonomie in der prä- und postoperativen Phase“, erläuterte Schwenk. Die Fast-track Rehabilitation beruht auf folgenden Prinzipien:
- Patienteninformation, -schulung und -motivation
- Reduktion und Modifikation der posttraumatischen Stressreaktion
- Aufrechterhaltung der Homöostase
- effektive Schmerztherapie,
- sowie Erhaltung oder Wiederherstellung der Patientenautonomie.
Für das Funktionieren des Fast-track Konzeptes ist letztendlich das Zusammenspiel verschiedener Einzelmaßnahmen entscheidend, die erst bei konsequenter interdisziplinärer Anwendung synergistisch ineinander greifen. Ein gutes Beispiel sind laparoskopische Kolonresektionen. Gerade bei diesen Operationen ist eine enge und gut funktionierende Planung und Abstimmung zwischen Anästhesist und Chirurg über den gesamten Operationszeitraum hinweg wichtig, um auch bei notwendiger Konversion zur offenen Operationstechnik ein optimales Ergebnis zu erzielen.
Schonende Narkoseverfahren für den Patienten
Die Fast-track Rehabilitation ist ein in den 1990er Jahren in Dänemark entwickeltes und mittlerweile weltweit praktiziertes Behandlungskonzept für chirurgische Eingriffe. Es setzt auf schonende Narkoseverfahren, eine effektive postoperative Schmerztherapie und eine frühe Mobilisierung der Patienten. Ziel der Fast-track Rehabilitation ist es, den Patienten möglichst stressfrei durch die perioperative Phase zu bringen. „Optimal steuerbare Narkosemittel wie zum Beispiel das Inhalationsanästhetikum Desfluran (Suprane) sorgen für eine schnelle Narkoseeinund -ausleitung“, erklärte Prof. Thomas Standl aus Solingen in seinem Vortrag. „Dadurch ermöglichen sie ein sehr angenehmes rasches Einschlafen und Erwachen aus der Narkose.“
Durch Messung der Narkosetiefe mittels spezieller EEG-Geräte kann die Steuerung der Allgemeinanästhesie noch exakter und effektiver durchgeführt werden, so dass die Narkose nur noch wenige Minuten länger als die Operation dauert. Das Auswaschverhalten des volatilen Anästhetikums Desfluran wird dabei im Vergleich zu den anderen Inhalationsanästhetika am wenigsten von der vorangegangenen Anästhesiedauer beeinflusst. Gleiches gilt für das Opioid Remifentanil, das auch nach mehrstündiger Infusionsdauer nicht kumuliert. Mit der Kombination von Desfluran und Remifentanil liegt gerade bei langen Operationen die derzeit am besten steuerbare Anästhesieoption vor, da diese Patienten selbst nach sechs- bis zehnstündigen Eingriffen planbar und schnell extubiert werden können. Standl schlug vor, Narkosen mit Sufentanil und Propofol einzuleiten und anschließend mit Desfluran und Remifentanil aufrecht zu erhalten. Neben der Anästhesietechnik sind für die effektive Fast-track Rehabilitation eine Reihe weiterer Maßnahmen erforderlich, die jeweils individuell an die Operationssituation angepasst werden müssen. So können bestimmte Narkoseverfahren und Medikamente auch bei Risikopatienten postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV) unterdrücken.
Eine konvektive Wärmezufuhr mittels Warmluftdecken und angewärmten Infusionen verhindert eine intraoperative Auskühlung der Patienten, die eine Vielzahl von Komplikationen wie z.B. Blutgerinnungsstörungen und postoperatives Muskelzittern mit erhöhtem Sauerstoffverbrauch verursachen. Bis zu zwei Stunden vor dem Eingriff dürfen die Patienten noch etwas trinken, z.B. gezuckerten Kaffee oder Tee. Nach der Operation folgt eine Elektrolyt-Infusion und drei Stunden später bereits wieder Getränke, dazu zwei Joghurts am Abend. „Wer wach ist und trinken kann, wird relativ früh vom Aufwachraum auf die Pflegestation verlegt“, betonte Standl. Dort beginnt bereits am Operationstag die Mobilisierung. Für die postoperative Schmerztherapie ist die thorakale Epiduralanästhesie (TEA) die Methode der Wahl. Möglicherweise wird durch die TEA sogar die Ausbildung eines „Schmerzgedächtnisses“ auf Rückenmarkebene verhindert und so das Risiko einer Schmerzchronifizierung minimiert. Im Aufwachraum wird die TEA mit einem niedrig konzentrierten Lokalanästhetikum fortgesetzt, um postoperative Schmerzen wirksam zu bekämpfen.
Systemische Verabreichungen von starken Schmerzmedikamenten (Opioiden), die durch ihre sedierende Wirkung und die Verursachung von Darmträgheit einer raschen Erholung entgegenstehen, sind bei Patienten mit einer TEA praktisch nicht mehr notwendig. „Allerdings setzt die bei Fast-track angestrebte frühe Verlegung eines Patienten mit Schmerzkatheter die Betreuung durch einen Akutschmerzdienst voraus“, erklärte Standl. In diesem Fall kann für die postoperative Schmerztherapie eine patientenkontrollierte Epiduralanalgesie (PCEA) angeboten werden, die vom Fast-track Konzept als besonders schonend empfohlen wird. Der Patient ist über die Bolusapplikation von Anfang an aktiv in die postoperative Phase eingebunden. Der Katheter kann meist zwischen dem dritten und fünften Tag entfernt werden, wenig später gehen die Patienten nach Hause.
Ein praxisorientierter Leitfaden
Der Algorithmus ist in fünf Kapitel gegliedert, die den fünf Phasen der Fast-track Rehabilitation entsprechen. Darin finden sich Details und Hintergrundinformationen zur Patientenvorbereitung, Narkose und postoperativen Pflege. Checklisten und Beispielformulare erleichtern die individuelle Umsetzung. „Die Handlungsempfehlungen können örtlichen Besonderheiten angepasst werden und sind im Prinzip auch auf andere Operationen übertragbar“, resümierte Schwenk. „Eine optimale perioperative Therapie kann letztendlich nur durch die enge Kooperation von Chirurgie, Anästhesie und Pflege erreicht werden, wie sie das Fast-track Konzept vorsieht.“ Der praxisorientierte Leitfaden wurde von Vertretern universitätsmedizinischer Einrichtungen in Berlin, Marburg, Münster, Köln und Tübingen erarbeitet und kann als Heft oder CD bestellt werden.