Labor & Diagnostik

POCT-Plattform auf Basis der Siliziumchiptechnologie

Mobile Multiparameteranalytik zur immunologischen In-vitro-Diagnostik.

13.09.2012 -

Der demografische Wandel, also die fast weltweit stetig steigende Bevölkerung, deren teilweise Überalterung und die gleichzeitig steigende Lebensqualität stellt gerade den medizinischen Bereich vor neue Herausforderungen. In Zukunft sollte sichergestellt sein, dass auch in entlegenen Gegenden mit geringer Ärzte- und Krankenhausdichte eine medizinische Grundversorgung gewährleistet ist. Zuallererst steht in solchen Fällen die Diagnostik, um zu erkennen, ob Patienten z. B. an Infektionskrankheiten leiden, die therapiert werden können und müssen.

Des Weiteren spielt die Diagnostik in der Unfallmedizin und somit auch im Krankenhaus eine wichtige Rolle. Dabei kommt es z. B. darauf an, den Patienten in kurzer Zeit auf einen Herzinfarkt oder eine Vergiftung zu testen. In beiden genannten Fällen bedarf es einer Diagnostik, die portabel, schnell und anwenderfreundlich ist und gleichzeitig die gegebenen Standards der Medizin bezüglich Empfindlichkeit und Reproduzierbarkeit gewährleistet. Im Gegensatz zu der etablierten Labordiagnostik wird hier in dem Bereich des sogenannten „Point-of-Care Testing" (POCT) direkt am Ort des Patienten gemessen und das Ergebnis nahezu sofort erhalten. Die Tests sollten bei sehr einfacher Bedienung automatisiert und kostengünstig durchführbar sein. Die gewonnenen Daten können je nach Anwendung bzw. Anwender entweder direkt angezeigt oder auch in verschlüsselter Form via Mobiltelefon oder über das Internet zu einem behandelnden Arzt gelangen.

Im Gebiet der Point-of-Care-In-vitro-Diagnostik werden genau auf diese Anforderungen zugeschnittene tragbare Messgeräte entwickelt. Die Mehrzahl der Tests basieren derzeit auf optischen Nachweisverfahren, was von relativ einfach aufgebauten Streifentests bis hin zu mikrofluidisch arbeitenden Multiparameter-Systemen reicht.

Am Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISIT) in Itzehoe wird ein Point-of-Care-Detektionssystem entwickelt, welches auf einer eta­blierten Biochiptechnologie mit elektrochemischer Multiparameter-Detektion basiert. Diese Biochips (Abb. 1) werden hochpräzise und reproduzierbar in der institutseigenen Halbleiterfertigungslinie hergestellt und positionsspezifisch im Nanoliter-Maßstab mit biologischen Fängermolekülen (z. B. Antikörper, Antigene) beschichtet. Die Integration des Chips in eine, auf die direkte Vollblut-Probennahme hin entwickelte Biochip-Kartusche ermöglicht neben der langzeitstabilen, monatelangen Lagerung eine vollautomatische Analyse in einem mobilen POC-Diagnosegerät. Es werden vom Probanden lediglich 2 µl Vollblut benötigt, um innerhalb von 15 Minuten eine verlässliche Diagnostik durchzuführen. Der Nachweis einer Hepatitis-C-Infektion wurde als Beispielapplikation auf dem System etabliert und kann für die schnelle Vor-Ort-Diagnose in Gegenden mit geringer Ärztedichte, für Hilfsorganisationen in Schwellenländern und beim Katastrophenschutz Anwendung finden.

Funktionsprinzip der Biochip-Plattform am Beispiel des ­Nachweises von Hepatitis-C-Infektionen

Der auf dem ELISA-Prinzip basierende Test wird wie folgt vollautomatisch in dem Gerät durchgeführt (Abb. 2 links). Ein Finger des Patienten wird mit einer Einmallanzette punktiert und der Blutstropfen an den Probeneingang der Biochip-Kartusche gehalten, in den sich 2 µl automatisch einsaugen. Die Kartusche wird verschlossen, in das Gerät geschoben und der Test gestartet.

Die Vollblutprobe wird automatisch mit Pufferlösung verdünnt, um die Gerinnung zu verhindern und um ein geeignetes Probenvolumen für die Messung bereitzustellen. Die so verdünnte Probe wird anschließend über den Biochip gepumpt. Eventuell vorhandene Hepatitis-C-Antikörper im Blut des Probanden binden selektiv an immobilisierte Antigene auf den Messpositionen des Biochips. Diese gebundenen Antikörper werden enzymmarkiert und anschließend nach Substratzugabe positionsspezifisch detektiert. Das Markierungsenzym setzt hierbei das Substrat in eine elektrochemische, mittels „Single Electrode Redox Cycling" amperometrisch nachweisbare Form um.
Die Enzymmarkierung und auch das Ausleseverfahren verstärken das Signal deutlich. Abbildung 2 rechts zeigt die Ergebnisse einer Negativ- und einer Positivprobe. Die Kontrollpositionen (Positiv 1-3 und Negativ 10-12) geben unabhängig von der Probe das maximale bzw. minimale Signal. Die Analyse erfolgt sowohl qualitativ wie auch semi-quantitativ mit Nachweisgrenzen im unteren ng/ml-Bereich. Mit der Normierung der Signale auf die mitlaufenden Kontrollpositionen erreicht das System eine Reproduzierbarkeit von +/-7 %.

Durch die Wahl von drei Hepatitis-C-spezifischen Antigenen werden falsch negative Testergebnisse minimiert. Wenn nur ein Target positiv ist, kann man den Patienten als potentiell Hepatitis-C-infiziert einstufen. In erster Linie werden Antikörper gegen das Core-Antigen gebildet, in einigen Fällen aber auch - oder sogar nur - gegen das NS3- und NS4A-Antigen. Diese Patienten können mit dem System ebenfalls als potentiell Hepatitis-C-positiv erkannt werden. Die Doppelbestimmungen sichern das Ergebnis zusätzlich ab, und Querkontaminationen können aufgrund der Ausführung der Biochip-Kartuschen als Einwegartikel nicht auftreten.

Neben der Entwicklung und dem Einsatz der Biochip-Plattform in verschiedenen Forschungsprojekten wurden insbesondere die Hepatitis-C-Tests im Rahmen der präklinischen Validierung begleitend zur Produktentwicklung zahlreich eingesetzt.

Dabei konnte das mobile Detektionssystem bei der Analyse von Serum- und Vollblutproben vor allem durch Sensitivität und Spezifität sowie kurze Testdauer, einfache Bedienbarkeit und Robustheit überzeugen.

Auf Basis der ersten Beispielapplikation, dem Nachweis von Hepatitis-C-Infektionen, erfolgt zukünftig die Erweiterung des Systems auf weitere Tests im Bereich der Tumormarker- und Infektionsdiagnostik. Dabei soll insbesondere auch das Format der Multiparameter-Detektion, d. h. die gleichzeitige Analyse einer Probe auf verschiedene Analyten, ausgebaut werden. Des Weiteren sind Verbesserungen im Bereich der Kalibrierung bzw. Eichung der Tests z. B. durch die parallele Messung einer Referenzprobe in einer Biochip-Kartusche geplant.

Die POCDIA GmbH wird als Ausgründung vom Fraunhofer ISIT die Plattform gemeinsam mit dem In­stitut weiterentwickeln und anschließend vermarkten. Die Etablierung weiterer diagnostischer Tests erfolgt dabei in Verbindung mit der kundenorientierten Erweiterung des Anwendungsspektrums. Die POCDIA GmbH vereint biologische und technische Kompetenz unter einem Dach und kann somit schnell und flexibel auf gegebene diagnostische Anforderungen reagieren.

 

Kontakt

ISIT Fraunhofer Institut für Siliziumtechnologie

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