Medizin & Technik

Dr. Donald S. Baim im Interview: Wirkstoff abgebende Stents auf dem Prüfstand

28.09.2012 -

Dr. Donald S. Baim im Interview: Wirkstoff abgebende Stents auf dem Prüfstand. Die zwei randomisierten klinischen Studien PASSION und TAXUS II weisen erneut auf die Sicherheit und Wirksamkeit von Drug Eluting Stents (DES) hin. Im Editorial der September-Ausgabe des „New England Journal of Medicine“ (NEJM) wird bestätigt, dass es beim Einsatz von DES zu geringeren Revaskularisierungsraten als bei konventionellen Stents kommt. Dennoch hält die Diskussion um ein später erhöhtes Thromboserisiko an. Management & Krankenhaus befragte im Rahmen des World Congress of Cardiology, Anfang September 2006 in Barcelona, Dr. Donald S. Baim, Executive Vice President, Chief Medical and Scientific Officer von Boston Scientific, wie sich seine Firma dieser Herausforderung stellt.

Management & Krankenhaus: Sind Drug Eluting Stents (DES) wirklich besser als konventionelle?

Donald Baim: Bei konventionellen unbeschichteten Stents, den sog. Bare Metal Stents, ist das Risiko relativ hoch, dass Gewebe nachwächst (Restenose) und den Stent verschließt, was einen weiteren Eingriff notwendig macht. Der Wirkstoff, der von Drug Eluting Stents (DES) freigesetzt wird, reduziert dieses Wachstum. Es konnte gezeigt werden, dass der Einsatz eines DES die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Eingriffs im Vergleich zum konventionellen Stent über einen Zeitraum von vier Jahren halbiert. Bei 10 % der Patienten mit einem TAXUSStent wurde eine Reintervention für notwendig befunden, im Gegensatz zu 20 % bei Patienten mit einem konventionellen Stent. Wie die in Barcelona vorgestellten Vier-Jahres- Ergebnisse der TAXUS II-Studie belegen, ist der DES auch nach diesem Zeitraum noch wirksam und sicher. Die Langzeitergebnisse zeigen, dass der TAXUS-Stent die Restenoserate und die Häufigkeit der Revaskularisation des Zielgefäßes (TLR) signifikant senkt. Die TLR-Rate betrug 7,2 % für die Slow-Release-Formulierung und 3,7 % für die Moderate- Release-Formulierung. In der Kontrollgruppe mit einem konventionellen Stent lag dieser Wert bei 15,7 %. Dies ergibt für die Slow-Release- Formulierung eine Verringerung der Restenose- und TLR-Rate von 54 % und für die Moderate-Release- Formulierung eine Verringerung von 76 % im Vergleich zur Kontrollgruppe. Der TAXUS-Stent mit der Moderate-Release-Formulierung ist nicht auf dem Markt erhältlich.

Management & Krankenhaus: Es werden aber weiterhin Nachteile der DES bei der Langzeitanwendung diskutiert….

Donald Baim: In der Tat kann der gleiche Wirkstoff, der die Restenose verhindert, auch die Rate verlangsamen, mit der der Stent von normalen Endothelzellen bedeckt wird. Diese Zellen separieren den Stent vom Blut und könnten somit vor Verklumpung der Blutzellen schützen. Dies könnte Unterschiede in der Thromboserate zwischen DES und konventionellen Stents bewirken. Ältere Studien zeigen, dass beide über einen Beobachtungszeitraum von sechs Monaten eine ähnlich niedrige Thromboserate von 0,7 % aufweisen. Das ist beruhigend. Die statistische Auswertung von Langzeitdaten zeigte, dass es keine Unterschiede bezüglich der Thromboserate gab, wenn man den Zeitraum von Studienbeginn bis zu drei Jahren betrachtete. Vergleicht man jedoch den Zeitraum von Monat sechs bis Jahr drei, so zeigt sich ein kleiner aber signifikanter Unterschied von 0,5 %. Möglicherweise ist dies auf eine erhöhte Thromboserate zurückzuführen. Die späten Unterschiede ließen sich nur mit unserer Betrachtungsweise entdecken, weil sie durch gleiche Raten am Anfang überdeckt werden. Erst der statistische Vergleich von späteren Zeiträumen mit den ersten sechs Monaten deckt dann die Unterschiede auf. Wir waren die ersten, die die Ergebnisse vorlegten und unter anderem mit der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA besprachen. Für andere DES steht diese Art der statistischen Auswertung noch aus. Wir glauben, dass der Effekt nicht auf TAXUSStents beschränkt ist, sondern gehen vielmehr von einem Klasseneffekt aller DES aus.

Management & Krankenhaus: Wichtig ist nicht nur die Thromboserate, sondern auch die Mortalität und Häufigkeit von Herzinfarkten. Wie bewerten Sie die aktuelle Datenlage?

Donald Baim: Tatsächlich beobachteten Basler Kardiologen in der BASKETLATE Studie, dass zwischen 7 und 18 Monaten die Inzidenz schwerwiegender Ereignisse (Tod, Myokardinfarkt) höher war, wenn statt eines reinen Metallstents ein Cypher- oder TAXUS-Stent implantiert worden war. Allerdings war die Zahl der Studienteilnehmer klein. Jeweils 250 Patienten mit Cypher-, TAXUS- oder konventionellen Stents wurden verglichen. Aus den Ergebnissen wurde geschlossen, dass die DES nur bei Patienten mit einem erhöhten Restenoserisiko verwandt werden sollten. Unsere Beobachtung von rund 3.500 Patienten mit TAXUS-Stents zeigte keine Unterschiede zu konventionellen Stents bezüglich Mortalität und Herzinfarktrate. Eine Schweizer Metaanalyse betrachtete alle TAXUS- und Cypher-Studien. Sie bestätigte unsere Auswertung, zeigte jedoch für Cypher-Stents eine signifikante Erhöhung der Mortalitätsund Herzinfarktraten.

Management & Krankenhaus: Wie sollten Ärzte und Patienten auf die Diskussion reagieren?

Donald Baim: Es wäre sicherlich schlecht, würden sie aus Angst auf die DES verzichten. Die TAXUS-Stents bleiben sehr effektiv und sicher. Ärzte und Patienten sollten sich die Daten anschauen, bewerten und entsprechend handeln. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt eine Thrombozytenaggregationshemmung von sechs bis 12 Monaten bei TAXUS- und Cypher-Stents. Ich glaube, 12 Monate machen Sinn, wenn keine Blutungskomplikation auftreten. Damit wird möglicherweise die Zahl der Patienten, bei denen das Endothel den Stent vollständig beschichtet, vergrößert. Wir als Hersteller arbeiten an einer neuen Generation der DES, die weiterhin die Restenoserate gering hält, aber das Wachstum des Endothels nicht verhindert.

Management & Krankenhaus: Wie kann dies konkret aussehen?

Donald Baim: Die neuen Stents werden nur an der Außenseite den Wirkstoff abgeben. Die Innenseite wird so beschaffen sein, dass das Endothel wachsen kann und den Stent vom Blutstrom abschirmt. Zusätzlich wird der Stent den Wirkstoff vollständig abgeben, so dass kein Rest- Wirkstoff das Endothelwachstum hemmen kann. Der DES wird so nach sechs Monaten zum konventionellen Stent. Auch die Entwicklung auf dem Gebiet der biologisch resorbierbaren Stents beobachten wir zum Beispiel in einer Zusammenarbeit mit Guidant. Ich bin überzeugt, dass die zwanzigjährige Erfolgsstory unserer Stents weitergeht.

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