Inkretinhormone für Diabetespatienten
19.03.2013 -
Inkretinhormone. Zwischen den medizinischen Fachgesellschaften besteht große Einigkeit darin, dass in der Diabeteseinstellung die Normoglykämie quasi als therapeutischer Imperativ einzufordern ist.
Deshalb haben sich für das HbA1c als Maß der Stoffwechselkontrolle Grenzwerte < 7 % in den meisten Leitlinienwerken durchgesetzt. Ebenso unbestritten ist die Schwierigkeit, diese aus epidemiologischen Erhebungen abgeleiteten Zielwerte therapeutisch zu erreichen.
In der hochselektierten Problem-Patientengruppe von Typ- 2-Diabetikern mit beginnenden mikroangiopathischen Endorganschäden erreichen weniger als 20% der Betroffenen, selbst unter optimalen Versorgungsbedingungen wie im Steno-Memorial-Hospital, den geforderten HBA1C-Wert.
Nach wie vor fehlen Instrumente, die eine klinisch einfache und nebenwirkungsarme Erreichung der Zielwerte möglich machen.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die symptomatische Hypoglykämie und vor allem die Hypoglykämie mit Bewusstseinstrübung eine hoch gefährliche Therapienebenwirkung darstellt, die dazu führt, dass zwischen der Blutzuckerhöhe und den Endpunkten wie der Sterblichkeit eine sog. J-Kurvenfunktion besteht.
Genauer gesagt verschlechtert sich mit der Frequenz symptomatischer Hypoglykämien die Prognose des Patienten. Deshalb ist eine Erweiterung des therapeutischen Werkzeugkastens zu fordern, die uns den Zielwertvorgaben näher bringt.
Eine Innovation in der klinischen Diabetologie ist die zunehmend bessere Kenntnis um die sog. enteroinsulinäre Achse, die den Verdauungsprozess und damit die Glukoseaufnahme funktionsendokrinologisch beschreibt.
In diesem Kontext ist neben einer Plethora unterschiedlicher gastrointestinaler Hormone vor allem die Freisetzung von Glucagon Like Peptide-1 (GLP-1) und Gastric Inhibitory Polypeptide (GIP) interessant, die neben einer Suppression der Glukagonfreisetzung aus den Alphazellen des Pankreas insbesondere die glukoseabhängige Insulinsekretion permissiv erhöhen.
Diese Effekte sind besonders gut für GLP-1 untersucht. Es besteht eine neue therapeutische Strategie darin, über eine Erhöhung der Blutspiegel dieses Inkretinhormons die beiden zentralen Mechanismen der insulinabhängigen Glukoseaufnahme sowie der glukagonabhängigen Glukoneogenese der Leber positiv zu beeinflussen.
Dies gelingt pharmakologisch durch GLP-1-Mimetika, die aufgrund ihrer kurzen Halbwertzeit zum jetzigen Zeitpunkt parenteral (s.c.) verabreicht werden müssen bzw. über – Hemmstoffe des GLP-1 – abbauenden Enzyms Aminopeptidase DPP-4 oral bioverfügbar sind und eine Bereichung der oralen Antidiabetika darstellen.
Neben der unbestrittenen blutzuckersenkenden Aktivität dieser therapeutischen Neuerungen besteht ein wichtiges Substanzmerkmal darin, dass über die Glukoseabhängigkeit des insulinsekretorischen Effekts die Hypoglykämie als Nebenwirkung nahezu ausscheidet.
Neben weiteren Effekten auf die intestinale Motilität, welche die Behandlung bei Typ-2-Diabetikern unterstützen können, ist die Therapie über Modulation der Inkretinhormone eine sinnvolle Ergänzung verfügbarer, besonders oraler antidiabetischer Substanzen.
Damit kann ein Schritt in Richtung Optimierung patientenindividueller Therapiepläne gegangen werden.
Die Diabetestherapie bedient sich neben der Substitution des Betazellhormons Insulins neuerdings pharmakologischer Strategien, die der endokrinologischen Regulation der Nahrungsaufnahme entspringen und neben der zentral nervösen Appetitsteuerung in das enge Geflecht zwischen Gastrointestinaltrakt, Zerebrum und Endokrinium an mehreren Stellen pathophysiologisch eingreifen.
Prof. Dr. Diethelm Tschöpe
Direktor des Diabeteszentrums
am Herz- und Diabeteszentrum NRW
Universitätsklinik der
Ruhr-Universität Bochum
Georgstr. 11 · 32545 Bad Oeynhausen
Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung
„Der herzkranke Diabetiker" in der
Deutschen Diabetes-Stiftung