IT & Kommunikation

Telemonitoring und die Rolle des Krankenhauses: Von konventioneller Betreuung zum persönlichen Gesundheitsumfeld

13.08.2014 -

Telemonitoring und die Rolle des Krankenhauses: Von konventioneller Betreuung zum persönlichen Gesundheitsumfeld. Immer mehr ältere Menschen, mehr chronische Krankheiten, mehr Multimorbiditäten – die demographische Veränderung erhöht den Bedarf an Gesundheitsleistungen. Ein verstärktes Gesundheitsbewusstsein steigert zudem die Nachfrage auch bei der Prävention.
Die Betreuung gemäß konventionellen Modellen kann niemand mehr bezahlen; zugleich stehen heute digitale Sensoren und Geräte, eine angemessene Kommunikationsinfrastruktur und die entsprechende Logistik – mit Datenbanken und medizinischen Servicezentren – zur Verfügung, um medizinische Daten am Patienten zu erheben ... unabhängig davon, wo er sich befindet.
Telemonitoring ist somit die Alternative – so Ende 2005 der Industrieverband VDE: Einsparungen von bis 30 % sind möglich, ohne dass die Qualität der Versorgung leidet.
Bezahlmodelle dürften von dem Schweregrad der Indikation abhängen. – Ähnliches gilt für sämtliche modernen Gesellschaften.

Aktuelles Beispiel
Die Hamburg Münchener Krankenkasse (HMK) bietet ihren chronisch herzkranken Versicherten in mehreren Bundesländern eine verbesserte Betreuung durch das Telemedizinprojekt „TelemedCare Herz“ von AnyCare.
In Deutschland erkranken jährlich rund 200.000 Menschen an chronischer Herzschwäche. Diese verursacht jährlich Kosten von etwa 7 Mrd. €; 1,5 Mrd. € davon sind Klinikkosten.
Durch die kontinuierliche Überwachung mit TelemedCare Herz wird eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes rechtzeitig erkannt.
Das hilft nachweislich, die Zahl der Klinikeinweisungen um etwa 50 % zu vermindern. – Wichtigster Indikator für den Gesundheitszustand eines Patienten mit Herzschwäche ist das Gewicht.
Denn eine akute Verschlechterung kündigt sich durch Wasseransammlungen im Körper an, die zu einem plötzlichen Gewichtsanstieg führen; eine Fernüberwachung der Gewichtsdaten ermöglicht frühzeitige Intervention (siehe Beitrag).
Inzwischen haben namhafte Anbieter und Leistungserbringer diesen Bedarf erkannt und schließen sich international zusammen, um bei der Entwicklung von Lösungen standardbasierte Interoperabilität zu schaffen und Synergien zu finden: Im Juni gründeten 22 Medizintechnik- und ITK-Unternehmen die „Continua Health Alliance“ in Portland/ Oregon.

Dem Bedarf international gerecht werden
„Wir haben uns zusammengefunden, um diesem demographischen Trend, der konventionelle Gesundheitssysteme vor unlösbare Aufgaben stellt, Lösungen entgegenzusetzen“, fasst David Whitlinger zusammen, Direktor Healthcare Device Standards and Interoperability bei Intel und Präsident der Continua Health Alliance.
„Mit Telemonitoring können Menschen stets ihren Gesundheitszustand überprüfen und ggf. Hilfe erhalten. Die Lebensqualität dieser Menschen, die weiter in ihrem persönlichen Umfeld leben können, steigt immens.“
Beteiligte an der Allianz – mit Hauptsitz in Portland/Oregon und einem Kernteam von sieben Software- Ingenieuren und Systemarchitekten sowie zahlreichen Mitarbeitern in Partnerunternehmen – sind Hersteller aus Medizintechnik, Elektronik, Telekommunikation und IT; ferner sind Leistungserbringer und – künftig – Versicherer mit dabei.
„Wir planen ein gemeinsames Branding von Produkten ab 2008, zwecks Wiedererkennung und Glaubwürdigkeit“, beschreibt Whitlinger die Ziele, „sowie die Entwicklung von Standards, die allen beteiligten Unternehmen offen stehen“.
Die resultierende Interoperabilität beschert den Kostenträgern Zukunftssicherheit.
Als Zielgruppen sieht der Manager Gesundheitsbewusste, deren Prävention etwa gegen Adipositas – meist wohl auf eigene Kosten – unterstützt wird; zum anderen chronisch Kranke, die Hilfe u.a. bei Diabetes und KHK erhalten; manche von ihnen dürfen wohl auf eine Kostenerstattung durch Kostenträger hoffen.
Die dritte Gruppe besteht aus den Älteren, die sich auf ein unabhängiges Leben mit ständiger Kontrolle ihres Zustandes und rasche Hilfe bei Schwierigkeiten freuen können; die Finanzierung ist hier noch zu klären.
„Wir sind bereits in den USA aktiv – und in Großbritannien“, fährt Whitlinger fort – „dort macht es das zentralisierte Gesundheitswesen für innovative Ideen weitaus leichter, Fuß zu fassen. Japan und Korea werden folgen, und danach werden wir unseren Ansatz in weitere Länder tragen.“
Wo liegen die Vorteile für Leistungserbringer? Krankenhaus-Entscheider, erläutert Whitlinger, profitieren von einer stärkeren Interaktion mit Patienten und Niedergelassenen, sowie von besseren und aktuelleren Daten sowie von Kostenreduktionen.
Der Allianz-Präsident ist begeistert: „Wir bieten eine außergewöhnliche Plattform für Leistungserbringer, um Leistungen zu geringeren Kosten anzubieten; die Industrie erhält ein enormes Potential für die Entwicklung und Vermarktung intelligenter Systeme zum Vorteil der Patienten und der gesamten Gesellschaft.“

Noch viel zu tun
Bis zur Durchsetzung dieser Ansätze wird es noch einige Jahre dauern: Die Verteilung und Wartung von Geräten und deren Kommunikation mit Leistungserbringern muss auf die Schiene gebracht werden, und in Systemen mit disparater Gesundheitskostenstruktur wie hierzulande steht ein Verhandlungsmarathon bezüglich der Finanzierung an.
Allerdings liegt es auf der Hand, dass Krankenversicherer ein starkes Interesse an kosteneffizienten Lösungen haben; zudem wachsen (Ko-)Finanzierungsbereitschaft und IT-Akzeptanz in der Bevölkerung.
Bei den Krankenhäusern wird diese Entwicklung völlig neue Arten der Leistungserbringung nach sich ziehen; neben den hier angesprochenen indirekten Effekten bieten sich ihnen Chancen, direkt – etwa durch Einstellungsgebühren – zu profitieren.

Michael Reiter

Anbieter-Statement:
Cisco „Die Allianz ist ein wichtiger erster Schritt in der Entwicklung eines technologiebasierten Umfeldes zur größtmöglichen Gesundheitsförderung.
Menschen werden in die Lage versetzt, ihre eigene Gesundheit zu managen – das bringt bessere Gesundheit bzw. bessere Therapieergebnisse“ – Dr. Jeff Rideout, Vice President und Corporate Medical Director von Cisco.
Nick Agostinos vom Bereich Healthcare Architecture & Innovation der Cisco Internet Business Solutions Group (IBSG) fährt fort: „Die Technologieplattform für wirkungsvolle persönliche Gesundheitsvorsorge wird Lösungen hervorbringen, die bis vor kurzem noch als Science Fiction erschienen wären.
Vernetzungslösungen von Cisco werden im Continua- Umfeld – mit Standards und Zertifizierungen – eine wichtige Rolle spielen.
In diesem Markt interoperabler persönlicher Gesundheitssysteme können Krankenhäuser z.B. Dienste wie ein ständiges posttherapeutisches Monitoring und das Hosten medizinischer Daten und Patientenakten anbieten – eine plausible Einnahmequelle.“

Anbieter-Statement: IBM
„Mit Hilfe von Telemedizin lässt sich der Patient kontinuierlich in den Versorgungs- und Behandlungsablauf einbinden, auch wenn er sich nicht im Krankenhaus oder in der Praxis befindet.
Dies führt erwiesenermaßen zu verminderten und verkürzten Krankenhausaufenthalten – wirkt also direkt Kosten senkend – und entlastet medizinisches Fachpersonal. Allerdings sind die derzeit verfügbaren Produkte reine Insellösungen.
IBM hat sich daher innerhalb des Konsortiums der neu gegründeten „Continua Health Alliance“ zum Ziel gesetzt, die Interoperabilität elektronischer Behandlungs- und Überwachungsgeräte zu verbessern und offene Systeme zu etablieren, die eine problemlose Einbettung neuer E-Health-Lösungen beispielsweise in bestehende KIS gewährleisten können“: Hagen Wenzek, IBM IBV Leader Global Electronics Industry.

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