Biennale in Mannheim: DGKL-Jahrestagung mit neuem Konzept
03.09.2014 -
Biennale in Mannheim: DGKL-Jahrestagung mit neuem Konzept. Management & Krankenhaus sprach mit Univ.- Prof. Dr. Michael Neumaier, dem Tagungspräsidenten der diesjährigen Jahrestagung der Fachgesellschaft.
M & K: Die DGKL hat in diesem Jahr ihren Turnus durchbrochen und führt ihren Jahreskongress nicht im Vorfeld der Medica durch, sondern bereits im Oktober im Mannheimer Rosengarten. Welche Gründe waren hierfür ausschlaggebend?
M. Neumaier: Die Fachgesellschaft hat sich 2005 entschlossen, den lange bestehenden Kooperationsvertrag mit der Medica zu kündigen.
Die Gründe sind vielschichtig.
So sind von Seiten der Mitglieder der Fachgesellschaft, den Teilnehmern als auch der Industrie die hohen Kosten für Unterbringung oder Präsenz kritisiert worden.
Man konnte in den letzten Jahren eine zunehmende Ausdünnung der Repräsentanz der labormedizinischen Diagnostikanbieter beobachten. So sind viele Unternehmen nicht mehr vertreten gewesen.
Auch die zeitliche Veranstaltungsabfolge von Kongress und Medica erforderte von den Teilnehmern der Jahrestagungen eine verlängerte Präsenz vor Ort, wollte man sich über neue diagnostische Trends auf der Messe informieren sowie am Kongress teilnehmen.
Weil sich dies heute immer weniger Kolleginnen und Kollegen erlauben, wurden manche Teile der Tagung schlecht besucht. All dies hat zu einer unbefriedigenden Resonanz geführt und legte eine grundsätzliche Umformierung nahe.
Das Präsidium hat daher entschlossen, die Jahrestagung zu verlegen und mich gebeten, die Jahrestagung auszurichten. Besonders glücklich bin ich darüber, dass in der Nachfolge des Standortes Medica es nun in Mannheim eine Biennale geben wird.
So werden wir in zweijährigem Abstand für unser Fach turnusmäßig einen festen Veranstaltungsort und -termin haben.
Das wird den Tagungen meiner Meinung nach durchaus gut tun.
Mannheim selber ist ja durch seine gute Erreichbarkeit und den Rosengarten für viele und große medizinische Kongresse seit langem ein beliebtes Ziel.
Gerade durch den derzeit noch laufenden Ausbau des Kongresszentrums wird diese Attraktivität weiter steigen und bietet so auch Wachstumsmöglichkeiten für die Zukunft.
M & K: Wie haben die beteiligten Industrieunternehmen die Abnabelung von der Medica aufgenommen?
Der Jahreskongress wird von über 60 Sponsoren/ Ausstellern unterstützt – werden diese bereits zur DGKL-Jahrestagung ihre Neuheiten präsentieren oder erst zur Medica?
M. Neumaier: Natürlich gab es zunächst eine gewisse Reservierung speziell bei den Vertretern der Industrie, welche noch auf der Medica präsent ist.
Bei den anderen, die aus genannten Gründen der Medica den Rücken gekehrt hatten, wurde der Schritt begrüßt.
Inzwischen sind 65 Aussteller angemeldet, die ihre Produkte auf über 800 m² präsentieren werden.
13 Industriesymposien ermöglichen eine weitere umfängliche Beteiligung. Insgesamt wurden diese Rahmenbedingungen tatsächlich überaus erfreut zur Kenntnis genommen und genutzt.
Ich weiß, dass eine Reihe ausgesprochener Neuerungen in Ausstellung wie auch in Symposien dargestellt und diskutiert werden sollen.
M & K: Die Tagung wird zusammen mit der SGKC, ÖGLMKC, der SULM und dem dtva durchgeführt.
Welche Impulse erwartet die DGKL von dieser Kooperation?
M. Neumaier: Die Kooperation mit ausländischen, besonders den deutschsprachigen Schwestergesellschaften ist ja seit vielen Jahren ein Thema, und ein wichtiger Schritt hierzu wurde mit der Einbeziehung der ÖGLMKC ja bereits in Jena gemacht.
Dieses Jahr konnten wir zusätzlich die Schweizer Gesellschaft und die SULM gewinnen, die sich bisher ganz hervorragend mit eingebracht haben.
Die Kooperation mit dem dtva lag mir persönlich am Herzen, weil ich glaube, dass eine Mannheimer Biennale ein Signal für den verstärkten Austausch zwischen allen im klinischen Labor Tätigen darstellen kann.
Die ist bisher recht gut gelungen, und beim derzeitigen Engagement aller bei der Gestaltung dieser Tagung Aktiven kann man heute schon sehen, wie sich diese Zusammenarbeit in Mannheim zunehmend müheloser gestaltet, was ich für ein schönes Signal für die Zukunft halte.
M & K: Der Kongress zielt auf eine weitere Vertiefung in der Kommunikation zwischen einer modernen Laboratoriumsdiagnostik und den klinischen Fächern in der Medizin. Was konkret soll hier verbessert werden?
M. Neumaier: Es ist in den letzten Jahren bedauerlicherweise festzustellen, dass zwar einerseits die Bedeutung der Labordiagnostik für die Medizin unstrittig ist, es andererseits bei der Wiederbesetzung von Lehrstühlen an den Fakultäten zu Verzögerungen kommt, bzw. akademische Leitungspositionen an Krankenhäusern nicht besetzt werden.
Dahinter steckt meines Erachtens eine Wahrnehmung unseres Faches als eine eher technische Disziplin und eine Sichtweise, deren heutige Auswirkungen man aus der Historie der letzten 25 Jahre vielleicht erklären kann.
Vertreter dieser Sichtweise springen aber deutlich zu kurz.
Die Erfahrung zeigt, dass die Sichtbarkeit, mit der sich Labormedizin an der Krankenversorgung beteiligt, nur aus der ständigen Kommunikation zu generieren ist.
Diese muss proaktiv sein; eine reine Kommunikationsbereitschaft reicht da nicht. Viele Klinische Fächer suchen den Dialog auch.
Es ist doch kein Zufall, dass überall dort, wo die Interpretation von Ergebnissen komplex ist und gut überlegt werden will, die Labormedizin traditionell stärker war oder ist – nehmen Sie nur die Endokrinologie, die Hämostaseologie, spezielle Hämatologie oder Entzündung.
Dies wird sich verstärken, wenn erst die komplexen multiparametrischen Analysen in die Betrachtung mit einbezogen werden.
Hier denke ich an Patterndiagnostik beim Stichwort Molekulare Diagnostik oder Proteomik.
Unser Fach muss Fragestellungen bearbeiten und nicht nur Messergebnisse abliefern.
M & K: Wird das Thema „Zusammenarbeit der medizinischen/theoretischen Fächer“ während des Kongresses weiter vertieft? (Wir nehmen hier Bezug auf den DGKL-Kongress in 2005 und den BDL-Herbstkongress sowie die Pathologentagung im Frühjahr 2006 in Berlin.)
M. Neumaier: Die Konsolidierung von technischen Plattformen und methodischen Strategien macht es notwenig, darüber nachzudenken, wie die diagnostischen Fächer ihre spezifischen Expertisen bündeln können.
Vielleicht führt der Zentrumsgedanke hier weiter. Der Kliniker übergibt Material, Informationen und eine diagnostische Frage dem Zentrum.
Die Beantwortung der Frage geschieht im Innenverhältnis, ist quasi eine kooperative Äußerung und in vielen Fällen abgestimmt.
Das erleichtert auch der Klinik die Arbeit. Die technischen Voraussetzungen hierzu sind doch schon seit Jahren verfügbar.
M & K: Welchen „brennenden“ Themen in der Lehre bzw. in der Aus- und Weiterbildung soll während des Kongresses Raum gegeben werden?
M. Neumaier: Aus- und Weiterbildung sind speziell diesmal zentrale Themen.
Die medizinische Ausbildung in der Labordiagnostik wird umfangreich thematisiert. Mannheim hat ja mit der Schaffung des Status als medizinische Vollfakultät an der Universität Heidelberg mit dem Ausbildungsgang „MaReCuM“ auch ein völlig neues Konzept der Medizinerausbildung geschaffen.
In MaReCuM nimmt die Ausbildung in Biochemie und Pathobiochemie – und damit quasi im Dreisprung auch in der klinischen Chemie – einen ungleich höheren Stellenwert im Studium ein.
Mittelfristig verspreche ich mir hiervon eine veränderte Perspektive auf unser Fach bei den nachwachsenden jungen Kolleginnen und Kollegen.
In der Weiterbildung ist in den letzten Jahren ebenfalls viel passiert, und die DGKL hat durch die Schaffung von entsprechenden Arbeitsgruppen die Bedeutung der Qualität der Weiterbildung zum klinischen Chemiker nachhaltig betont.
In diesem Bereich beschäftigen sich ja einige Mitglieder der Gesellschaft seit Jahren mit großem Engagement.
Ganz ähnlich gilt dies auch natürlich für Aus- und Weiterbildung im MTD-Bereich durch den dtva bzw. das diw. Diesem soll entsprechender Raum gegeben werden.
M & K: Wie sehen Sie die Entwicklung der Laboratoriumsmedizin in den kommenden Jahren?
Welchen Einfluss hat die Einführung der DRGs auf die Labormedizin? Was hat sich geändert und was wird sich noch ändern?
M. Neumaier: Die Laboratoriumsmedizin hat sich stets schnell geändert, wenn die medizinischen Notwendigkeiten dies erforderten. Die neuen Vergütungsmodi erfordern stärker denn je ein interdisziplinäres Vorgehen, um effizient zu sein.
Es ist einsichtig, warum innovative und effiziente Laboratoriumsdiagnostik dort eine große Rolle spielen wird.
Von Bedeutung wird sein, ob die Labordiagnostik ihre medizinische – nicht technische – Rolle im Kanon der Fächer bei der Definition von diagnostischen und klinischen Pfaden ihrer Bedeutung entsprechend wird darstellen können.
M & K: Wie beurteilt die DGKL das Thema „Personalisierte Diagnostik“?
M. Neumaier: Eine offizielle Position der DGKL kann ich hier selbstverständlich nicht vertreten. Labordiagnostik war und ist aber immer personalisiert im Sinne von „auf die jeweilige Person bezogen“; daran kann sich nichts ändern.
Unter Ihrer Frage verstehe ich zunächst nicht eine präventive Life-Style Analytik.
Wenn Sie mit personalisierter Diagnostik den Einsatz von Testverfahren meinen, die für einzelne Individuen etabliert werden müssen, so denke ich, wird es diese in Zukunft geben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
So muss der deutlich höhere Aufwand medizinisch gerechtfertigt sein. Die für diesen Aufwand einzusetzenden Technologien müssen den geeigneten Durchsatz haben, preiswert verfügbar sein und ihre Ergebnisse in akzeptabler Zeit verfügbar sein.
Beispiele sind in der Onkologie bekannt, wo z.B. bei hereditären Formen der hohe Aufwand zur Klärung molekularer Defekte unmittelbare präventiv-therapeutische Schritte nach sich ziehen kann.
Nicht selten müssen hierfür PCR-Tests für individuelle Mutationen aufgebaut oder angepasst werden.
Ein anderes Beispiel sind als Therapieversager imponierende IMATINIB-resistente Zellen bei Patienten mit chronischmyeloischer Leukämie nach IMATINIB- Therapie.
Hier werden seltene und teils individuelle Punktmutationen im BCR/ABL-Fusionsgen gefunden, deren Nachweis dann zu gezielten Anpassungen der Therapie führt.
Diese und andere Beispiele zeigen die vielfältigen Möglichkeiten, wo die Laboratoriumsdiagnostik als Teil des gesamtmedizinischen Prozesses auf die Notwendigkeiten bei den einzelnen Patienten eingeht.
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Michael Neumaier
Universitätsklinikum Mannheim der Universität
Heidelberg
Institut für Klinische Chemie
D-Mannheim
Tel.: 0621/383-2222
Fax: 0621/383-3819
michael.neumaier@ikc.ma.uni-heidelberg.de
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