Gesundheitsökonomie

"Patientensicherheit" als neues nationales Gesundheitsziel

07.07.2015 -

Der Kooperationsverbund gesundheitsziele.de nimmt im hocharbeitsteilig organisierten und durch gesetzliche Vorgaben geprägten Gesundheitswesen eine Sonderstellung ein.

Ohne einen gesetzlichen Auftrag hat sich ein stetig wachsender Kreis von Akteuren auf freiwilliger Basis zusammengefunden, um im Konsens nationale Gesundheitsziele zu definieren und für sie Teilziele und Umsetzungsstrategien zu entwickeln. Das Zusammenwirken der Akteure wird organisiert durch eine Geschäftsstelle bei der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und –gestaltung (GVG).

Das Projekt gesundheitsziele.de wurde infolge eines Beschlusses der 72. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) im Jahr 2000 aufgesetzt. Als Modellprojekt erhielt es bis 2006 eine Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Seit 2007 wird gesundheitsziele.de von mittlerweile 16 Trägerorganisationen finanziert. Inzwischen sind im Netzwerk gesundheitsziele.de rund 120 Akteure zusammengeschlossen; zu ihnen zählen gesetzliche und private Kostenträger, Leistungsanbieter, Patientenvertreter und Selbsthilfeorganisationen, Wissenschaftseinrichtungen ebenso wie der Bund, Länder und Kommunen. Im Jahr 2010 verpflichteten sich die Akteure in einer gemeinsamen Erklärung, „im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten ihre eigenen Aktivitäten an den Gesundheitszielen auszurichten und zielführende Maßnahmen umzusetzen“.

Nationale Gesundheitsziele zielen auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung und auf die Optimierung von Strukturen ab, die Einfluss auf die Gesundheit und die Krankenversorgung haben. Sie durchlaufen dafür einen kontinuierlichen Aktionszyklus. Ihre Auswahl erfolgt anhand einer Kriterienanalyse, gestützt auf epidemiologische und gesundheitsökonomische Daten ebenso wie auf ethische Aspekte, auf Partizipationsmöglichkeiten von Patient und Bürger sowie eine Analyse der Mess- und Machbarkeit. Multiprofessionell und versorgungssektorenübergreifend besetzte
Arbeitsgruppen formulieren Teilziele und Zielerreichungsmaßnahmen.

Wichtig ist an dieser Stelle des Prozesses das Konsensprinzip, dem jedes Mitglied des Kooperationsverbunds mit Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zugestimmt hat. Es stellt sicher, dass die erreichten Ergebnisse von allen Akteuren im Kooperationsverbund getragen und in freiwilliger Selbstverpflichtung umgesetzt werden. Der Zielerreichungsgrad ausgewählter Teilziele wird in einem Evaluationsprozess monitoriert. Unter Berücksichtigung vorhandener Daten- bzw. Informationsquellen erarbeitet der Evaluationsbeirat des Kooperationsverbunds Evaluationskonzepte und wendet diese an. Eine mögliche Konsequenz aus diesem Evaluationsprozess ist die Erkenntnis, dass ein Ziel oder Teilziel aufgrund erfolgreicher Umsetzung, neuer Daten oder veränderter Rahmenbedingungen einer Aktualisierung bedarf. Hiermit wird wiederum die Facharbeitsgruppe beauftragt, die das Ziel erarbeitet hat. Zwischen den Jahren 2000 und 2012 rief der Kooperationsverbund sieben nationale Gesundheitsziele aus. Dazu zählen Gesundheitsziele mit Krankheitsbezug ebenso wie solche zur Gesundheitsförderung und Prävention, für Bevölkerungs- und Altersgruppen und Ziele mit Bürger- und Patientenorientierung. Ausgewählte Gesundheitsziele wurden zwischenzeitlich evaluiert und aktualisiert, darunter das nationale Gesundheitsziel „Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patient(inn)ensouveränität stärken“. Die Arbeitsergebnisse und die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen für alle Gesundheitsziele sind auf der Website des Kooperationsverbunds gesundheitsziele.de abrufbar.

Das nationale Gesundheitsziel „Patientensicherheit“

Patientensicherheit ist das achte nationale Gesundheitsziel. Die Auswahl erfolgte auf der Grundlage eines Gutachtens unabhängiger Expertinnen und Experten, gestützt auf den Kriterienkatalog des Kooperationsverbunds. Anfang Oktober 2014 konstituierte sich die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Günther Jonitz, Gründungsmitglied des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, Präsident der Ärztekammer Berlin und Vorsitzender der Qualitätssicherungsgremien der Bundesärztekammer. In den kommenden Monaten wird die Arbeitsgruppe Teilziele und Umsetzungsstrategien entwickeln. Mögliche Themenfelder sind Diagnostik, Infektionsschutz, Sicherheit bei operativen Eingriffen, Arzneimitteltherapiesicherheit, Sicherheit in der Pflege und beim Einsatz von Medizinprodukten. Ein besonderes Augenmerk wird, themenfeldübergreifend, auf der Stärkung der Sicherheitskultur liegen.

Ausblick

Zusammenarbeit, die positive Orientierung auf Lösungen und ein gemeinsames Werteverständnis sind Voraussetzungen für eine möglichst weitreichende Patientensicherheit. Die Auswahl des Gesundheitsziels ‚Patientensicherheit‘ und die nun anstehende Formulierung von Teilzielen und Umsetzungsstrategien folgen einem wachsenden Bewusstsein für die Notwendigkeit, einzelne Aktionen in übergeordneten Strategien zu verankern. Die Auswahl des Gesundheitsziels „Patientensicherheit“ bindet die Thematik in die Struktur des Gesundheitszieleprozesses ein. So können Synergien hergestellt und Zielkonzepte mit den vielfältigen Akteuren im Kooperationsverbund entwickelt werden. Der Befähigung und Partizipation von Patienten kommt eine besondere Rolle zu. Sie kann über die Verzahnung mit dem im Jahr 2011 aktualisierten Gesundheitsziel „Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patient(inn)ensouveränität stärken“ erreicht werden. Sinnvolle Vernetzungen können ebenfalls zu lebensphasenbezogenen und krankheitsbezogenen Gesundheitszielen eingeleitet werden. Der Kooperationsverbund gesundheitsziele.de bietet so eine Plattform für eine interdisziplinäre und sektorenübergreifende Zusammenarbeit zur Stärkung der Patientensicherheit.

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