Hodensonographie - wichtigste ergänzende Diagnostik
20.08.2015 -
Welche Möglichkeiten und Grenzen bestehen für die Hodensonographie im Säuglings- und Kindesalter?
Die Sonographie ist ein ubiquär verfügbares, nicht invasives Diagnostikum, welches schmerzfrei in seiner Anwendung ist und keiner Sedierung bedarf. Die Sonographie ist damit das wichtigste diagnostische Instrument im Säuglings- und Kindesalter.
Bei der Abklärung von entzündlichen, tumorösen oder traumatischen Erkrankungen am äußeren Genitale ist die Sonographie maßgeblich an der Diagnosefindung beteiligt. Durch die Sonographie erhält man Informationen über die Gewebebeschaffenheit und die Durchblutungssituation im Gewebe.
Entscheidend für den erfolgreichen Einsatz dieses diagnostischen Verfahrens im Säuglings- und Kindesalter sind das Vorhandensein von geeigneten Ultraschall-geräten und ein versierter Untersucher.
Die Problematik bei der Hodensonographie liegt in den erschwerten Schallbedingungen. Zum einen verlaufen im Hoden die zarten arteriellen und venösen Gefäßbahnen in enger Nachbarschaft und werden beim Farbdoppler oft zeitgleich abgeleitet. Dadurch ist die arterielle Flusskurve stets von der venösen überlagert. Darüber hinaus ist der Hoden ein sog. low-flow,/low-resistance Organ. Gerade beim Säuglings- und Kleinkindhoden bedeutet dies arterielle Flussgeschwindigkeiten unter 4 cm/sec. (low-flow) sowie einen erniedrigten Gefäßwiderstand (Resistance Index RI 0,56), bedingt durch eine breite diastolische und eine flache systolische Amplitude. Dadurch ist die Verwendung von hochfrequenten Linearschallköpfen von mind. 12 MHz unabdingbar. Nur mit Hilfe einer hochauflösenden Ultraschallsonde gelingt es den intratestikulären Blutfluss zu detektieren und aussagekräftige Informationen über die Durchblutungsverhältnisse im Hoden zu erhalten.
Während sich mit zunehmendem Alter die Flussgeschwindigkeit in den intratestikulären Gefäßen erhöht, bleibt der Gefäßwiderstand stabil.
Eine der häufigsten, notfallmäßigen Einweisungsdiagnosen, mit denen man in der Kinderurologie konfrontiert wird, ist das sog. „akute Skrotum“. Bei dieser Einweisungsdiagnose gilt es schnellst möglichst die Durchblutungssituation im Hoden zu beurteilen, um eine „Hodentorsion“ auszuschließen, welche andernfalls unverzüglich einer operativen Behandlung zugeführt werden muss.
Hodentorsion
Bei der sog. Hodentorsion handelt es sich um eine Torquierung des Samenstranges. Dieser ist für die Blutversorgung des Hodens zuständig. Somit hat eine Samenstrangstorquierung die Unterbindung der Blutversorgung des Hodens zur Folge. Hält dieser Zustand über sechs Stunden an, führt dies zwangsläufig zur Gefährdung der Hodenvitalität und zum Auftreten irreversibler Schäden am Hodenparenchym. Eine zügige Diagnosestellung ist somit entscheidend wichtig, um den Hoden schnellst möglich freilegen und den Samenstrang detorquieren zu können, um die Durchblutung des Hodens wiederherzustellen. Zwei Häufigkeitsgipfel für das Auftreten von einer Hodentorsion gibt es: das Säuglingsalter und die Pubertät. Während sich im Säuglingsalter der Hoden zusammen mit seinen Hodenhüllen um den Samenstrang dreht (supravaginale Torsion), tritt bei größeren Kindern die Hodenverdrehung zumeist innerhalb der Hodenhüllen auf (intravaginale Torsion). Eine Hodentorsion ist bedingt/wird begünstigt durch eine unzureichende Fixierung des Hodens. Beim Auftreten einer Hodentorsion wird deshalb auch die vorbeugende Orchidopexie des gesunden Gegenhodens empfohlen.
Duplexsonographisch eindrücklich ist bei einer Hodentorsion das völlige Fehlen des intratestikulären Blutflusses. Durch den komplett unterbundenen venösen Abfluss treten ödematöse Veränderungen im Hodenparenchym auf (interstitielles Ödem). Der betroffene Hoden imponiert echoärmer und größer, und es bildet sich häufig eine Begleithydrozele aus.
Im Falle einer länger bestehenden Hodentorsion sind Gewebeinfarzierungen zu beobachten und das Hodengewebe beginnt sich mit einsetzender Lyse zystisch umzustrukturieren. Auch im Rahmen dessen findet sich eine nachweisliche Hydrozelenbildung. Zurück bleibt dann letztendlich ein sog. atrophes Hoden-Nubin.
Klinisch geht das Akutereignis zumeist mit stärksten Schmerzen im Genitalbereich und in der Leistenregion einher, verbunden mit Übelkeit oder Erbrechen, bedingt durch reflektorische Ausstrahlung ins Abdomen. Dies führt v.a. nachts zum plötzlichen Erwachen des Kindes. Bei Säuglingen wird oft eine Unruhe, Weinerlichkeit bemerkt. Inspektorisch ist eine Schwellung und Rötung der betroffenen Skrotalhälfte zu beobachten. Der oft höher stehende Hoden ist massiv druckschmerzhaft. Der Cremasterreflex ist zumeist aufgehoben.
Differentialdiagnose – Hydatidentorsion
Bei der Hydatidentorsion handelt es sich um die Torquierung eines Anhängsels am Hodenoberpol, ein Rudiment des ehemaligen Müllerganges. Der Symptomenkomplex ähnelt der einer Hodentorsion und ist deshalb oft nur schwer davon abzugrenzen. Klinisch imponiert das sog. blue dot-sign, welches durch das Durchschimmern der livide verfärbten, torquierten Hydatide bedingt wird. Sofern der Patient dies zulässt, ist die druckdolente, prall elastische Hydatide am Hodenoberpol oft gut abgrenzbar.
Sonographisch ist die torquierte Hydatide als hyperechogene oder inhomogene Struktur darstellbar, weist aber sonstig, auch duplexsonographisch, keine diagnosespezifischen Befunde auf. Somit ist bei nachweislicher Hodenperfusion die Hydatidentorsion häufig eine Ausschlussdiagnose.
Differentialdiagnose – Epididymitis
Die Epididymitis dominiert durch ihren langsamen Beginn und isoliert entzündlichen Lokalbefund. Klinisch tastet sich der druckdolente Nebenhoden deutlich vergrößert und zum Teil nur unschwer vom Hoden abgrenzbar. Duplexsonographisch weist der vergrößerte Nebenhoden eine auffällige Hyperperfusion mit teilweiser Verdickung der Tunica albugina und Begleithydrozelen auf.
Differentialdiangose – Idiopathisches Skrotalödem
Das idiopathische Skrotalödem ist eine isoliert entzündliche Reaktion der Skrotalhaut, die durch eine Schwellung und scharf abgegrenzte Rötung der jeweilig betroffenen Skrotalhälfte imponiniert. Ähnlich eindrücklich auf dem klinischen Bild ist sonographisch die deutlich erkennbare Skrotalwandverdickung als auch die Hyperämie, die bei beidseitigem Befall ein springbrunnenartiges Phänomen erzeugt (fountain sign). Weder Nebenhoden noch Hoden sind von diesem entzündlichen Geschehen betroffen, welches selbstlimitierend folgenlos abheilt. In ausgeprägten Formen kann auch die Leistenregion oder der Penis von der Schwellung betroffen sein.
Differentialdiagnose – Granulosazelltumor
Wenn auch sehr selten, können ebenso tumoröse Veränderungen am Hoden das Bild eines „akuten Skrotums“ imitieren. Gerade die Ultraschalldiagnostik ist richtungsweisend bei diesem Krankheitsbild. Wie im Falle des Granulosozelltumors lässt sich eine inhomoge, teils zystische Raumforderung im Hoden abgrenzen, welche eine Hyperperfusion aufweist.
Fazit
Betrachtet man die Vielzahl an möglichen Diagnosen, die ein „akutes Skrotum“ verursachen können, ist die Hodensonographie die wichtigste ergänzende Diagnostik im Säuglings- und Kindesalter, welche die Diagnosefindung mit entscheidend beeinflusst. Lassen sich die Epididymitis und das idiopathische Skrotalödem noch vergleichsweise einfach klinisch und sonographisch von der Hodentorsion abgrenzen, so stellt bereits die Hydatidentorsion eine diagnostische Herausforderung dar. Nur durch den sicheren Nachweis einer Hodenperfusion kann eine Hodentorsion ausgeschlossen werden.
Der souveräne Umgang mit der Sonographie in dieser Altersgruppe bedarf deshalb nicht nur allein eines geeigneten Equipments, sondern v.a. eines erfahrenen Untersuchers. Aber selbst dies macht unter Umständen bei Non-Compliance des Patienten eine aussagekräftige Diagnostik durchaus unmöglich. Deshalb gilt unbestritten die Prämisse: Im Zweifelsfall Hodenfreilegung.