Hygiene

Borreliose – eine durch Zecken übertragbare Erkrankung

12.07.2018 -

Mythen und Wissenschaft

Die in Europa am häufigsten durch Zecken übertragene Erkrankung ist die Lyme-Borreliose. Im Unterschied zu den Viren der Frühsommermeningoenzephalitis (FSME), gegen die man sich durch eine Impfung schützen kann, handelt es sich dabei um Bakterien, die mit Antibiotika behandelt werden können. In welchem Stadium der Erkrankung Antibiotika sinnvoll sind und wie man diese heute diagnostiziert, darüber gibt es selbst in Fachkreisen immer wieder Diskussionen.

Dies wurde  zum Anlass genommen, über die Behandlung des Themas auf dem Freiburger Infektiologie– und Hygienekongress im Oktober 2017 zu berichten.

Dr. Volker Fingerle vom Nationalen Referenzzentrum für Borrelien vom  Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit Borrelien und nahm in seinem Vortrag „Borreliose: Diagnostik, Therapie und Umgang mit der Zecke“ Stellung zu verschiedenen Fragen:

Borreliose – einige „Basics“

Die Erkrankung wird durch eine Infektion mit Borrelien verursacht. Dabei neigen die Erreger zur Verbreitung im Körper. In den meisten Fällen eliminiert das Immunsystem den Erreger; zurück bleibt dann als sogenannte  „Seronarbe“ nur ein positiver Antikörper-Titer ohne Krankheitswert. Bei einigen wenigen  Menschen kommt es jedoch zu einer Borreliose-Erkrankung wie zum Beispiel einem Erythema migrans (Wanderröte) oder selten zu problematischen Spätmanifestationen wie der Borrelien-Arthritis im Kniegelenk. Ab einem gewissen Punkt wird die Entzündung durch das körpereigene Immunsystem weiter unterhalten und verursacht Symptome selbst dann noch, wenn sich die Borrelien im Gelenk gar nicht mehr vermehren. Sie können jedoch durch Nachweis ihres Erbguts (DNA-Nachweis) noch als tote Bakterien festgestellt werden.

Wie aber verläuft die Erkrankung langfristig? Gibt es die viel zitierte  „post-lyme-disease“?

Dr. Fingerle gab einen Überblick zu einigen epidemiologischen Untersuchungen, bei denen Patienten mit Erythema migrans oder anderweitig nachgewiesener Borreliose über längere Zeit nachbeobachtet wurden. Dabei ergaben sich in verschiedenen Untersuchungen in 5-10 % der Fälle Hinweise auf weiter bestehende unspezifische Symptome (Kopfschmerzen, Leistungsknick, „chronic fatigue syndrom“, Depression u.v.m.) und somit der Verdacht auf eine nicht vollständige Ausheilung. Dabei wurden aber Kontrollgruppen  in der Familie und im Freundeskreis zugeordnet, die nachweislich keine Borreliose hatten. Interessanterweise hatten auch Menschen in diesen Kontrollgruppen (definitiv ohne Borreliose) im gleichen Prozentsatz die gleichen unspezifischen chronischen Beschwerden (Nemeth et al. 2016). Die so genannte „Post-Lyme-Disease, PDL“ muss also mit einem sehr großen Fragezeichen versehen werden. Sofern Patienten viele Jahre nach einer stattgehabten Borreliose zu ca. 3 % solche unspezifischen Symptome aufweisen, finden diese sich somit auch in einer vergleichbaren Kontrollgruppe. Es gab aber sehr wohl Unterschiede was die Nebenwirkung der Antibiotika anging: In der therapierten Gruppe kamen häufiger Fotosensitivität und Allergien vor, wobei dies zu den möglichen Nebenwirkungen bei den zur „Therapie“ verwendeten Antibiotika passt.

Fazit: Unspezifische Symptome wie chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen usw., die nach einer Borreliose ohne ursächliche Verbindung auftreten können, unterscheiden sich nicht von der Hintergrundprävalenz dieser Symptome, die in der Bevölkerung aus verschiedensten Gründen vorkommen. Vor unsachgemäßen Antibiotikatherapien in diesem Zusammenhang muss gewarnt werden.

Hat sich das Borreliose-Risiko in den letzten Jahren verändert bzw. wie wirkt sich der Klimawandel diesbezüglich aus?

Immer wieder wird spekuliert, dass nach besonders warmen oder kalten bzw. trockenen oder feuchten Wintern besonders viele Zecken auftreten und demnach ein besonders schlimmes Borrelien-Jahr zu erwarten sei. Dies erscheint auf den ersten Blick plausibel, lässt sich aber nicht belegen. Schlussendlich bleibt der Eindruck, dass die Häufigkeit der Borreliose in Zusammenhang mit den Kontaktmöglichkeiten mit Zecken steht und fällt, d.h. mit der Arbeitsumgebung (Waldarbeiter) und dem Freizeitverhalten (Aufenthalt im Wald) korreliert und damit mit dem Wetter.

Vorkommen der Borreliose

Die Borreliose kommt zwischen dem 40. und 60. Breitengrad (Nord) vor, d.h. also in Europa, in Nordamerika und auch in Asien. Hat man beispielsweise nach einem Zeckenbiss auf einer Safari in Südafrika Symptome, so muss nach anderen Ursachen als einer Borreliose gesucht werden.

Klinischer Verlauf

Frühe Manifestationen

Erstes klinisches Zeichen einer Borreliose ist das Erythema migrans; nicht selten verbunden mit subfebrilen Temperaturen (<38°C) und Krankheitsgefühl. In diesem anfänglichen Stadium sind die Antikörper (meist) noch negativ. In 90 % der Fälle bleibt es beim Erythema migrans. Dabei gibt es nicht selten Mischinfektionen  mit Hautkeimen wie Staphylococcus aureus, insbesondere wenn bei Juckreiz stark gekratzt wird oder auch bei der Anwendung von hochdosierten Cortisonsalben. Manchmal treten auch mehrere „Erythemata migrantia“ auf. Dabei handelt es sich nicht um multiple Infektionen durch mehrfache Zeckenstiche sondern um eine Ausbreitung der Infektion, bei der die Borrelien an verschiedenen Hautstellen aktiv werden (Herzer et al. 2014).

Selten können Frühmanifestationen am Herzen oder Nervensystem auftreten (Bannwarth-Syndrom, Fazialisparese bei Kindern).

Späte Manifestationen

Erfolgte kein Behandlungszyklus, kann die Borreliose entweder ausheilen oder es kommt zu charakteristischen und ärztlich diagnostizierbaren Symptomkonstellationen: Borrelienarthritis, späte neurologische Syndrome und bestimmte Hauterscheinungen (Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA)).

Diagnostik

Im Laufe des Lebens steigt in der Bevölkerung das Vorkommen von Borrelien-Antikörpern im Blut bis auf ca. 25 % an, bei Outdoorsportlern und Waldarbeitern auch deutlich höher. Dies hat aber noch keinerlei Krankheitsbedeutung. Antikörperbestimmungen sind also nur in zeitlichem Zusammenhang mit bestimmten Symptomen und Befunden aussagefähig und stellen für sich alleine keine Behandlungsindikation dar.

Therapie

Im Anfangsstadium ergeben sich sehr hohe Heilungsraten. Ein Erythema migrans ist eine ärztliche Blickdiagnose und wird unabhängig von etwaigen Borrelien-Antikörpern behandelt. Antikörperuntersuchungen sind auch nicht zur Kontrolle eines Therapieerfolges geeignet.

Je später im Verlauf und je ausgeprägter erregerunabhängige immunologisch vermittelte Symptomatik auftritt, umso geringer sind die Erfolgsaussichten durch Antibiotika. Dennoch kann auch bei der späten Borreliose durch eine Antibiotikatherapie zumindest ein Fortschreiten verhindert, mitunter sogar eine Besserung erreicht werden.

Fazit

Die Borreliose ist in zweierlei Hinsicht eine schwierige Erkrankung: Zum einen weist auch die medizinisch korrekt verstandene echte Borreliose in Diagnostik und Therapie diverse Fallstricke auf. Dies wird noch überlagert durch zwei völlig unterschiedliche verstandene Definitionen:  Zum einen die wissenschaftlich mit bestimmten Kriterien definierte Erkrankung, zum anderen die so genannte „Post-Lyme-Disease“ (PLD), unter der verschiedene unspezifische Symptome subsummiert werden: Fatigue, Myalgien, Schwindelgefühle, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Gelenkschmerzen u.v.m. Hier sollte auch keine Antikörperdiagnostik auf Borrelien erfolgen, da ein positiver Titer, der ganz häufig vorliegt, zu Verunsicherung und/oder vermeidbaren Therapieversuchen führen kann.

Scharlatanerie und Quacksalberei

Patienten mit chronischen unspezifischen Beschwerden und schwierig diagnostizierbaren Erkrankungen werden mitunter Opfer von Quacksalbern oder im schlimmsten Fall von Scharlatanen, die mehr oder weniger bewusst unter der vermeintlichen Diagnose Borreliose ihr Geschäft betreiben. In diesem Zusammenhang sind auf die Borreliose zielende diagnostische Tests wie Lymphozytentransformationstests (LTT), CD3/CD57 Bestimmungen, diverse HLA-Bestimmungen, spezielle „Borrelien Visus-Tests (VCS)“  zu nennen. Über die einschlägigen Leitlinien hinaus gehende langfristige, wiederholte und /oder überdosierte Antibiotikagaben sind unnötig und mit einem vermeidbaren Nebenwirkungsrisiko verbunden.

Zum Nachlesen

Herzer, P.; Fingerle, V.; Pfister, H-W; Krause, A. (2014): Lyme-Borreliose. In: Internist 55 (7), S. 789-802; quiz 803-4. DOI: 10.1007/s00108-013-3412-7.

Nemeth, Johannes; Bernasconi, Enos; Heininger, Ulrich; Abbas, Mohamed; Nadal, David; Strahm, Carol et al. (2016): Update of the Swiss guidelines on post-treatment Lyme disease syndrome. In: Swiss Med Wkly 146, S. w14353. DOI: 10.4414/smw.2016.14353.

Rauer S., Kastenbauer S. et al., Neuroborreliose, S3-Leitlinie, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien

Kontakt

Deutsches Beratungszentrum für Hygiene BZH

Schnewlinstr. 4
79098 Freiburg

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