IT & Kommunikation

„Digitaler Engel“: Assistenzsystem für leichtere Pflegearbeit

11.11.2019 -

Angespannte Patienten, bedrückende Schicksale, hoher Zeitdruck – Pflegearbeit ist nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und emotional besonders anstrengend.

In Kooperation mit vier Projektpartnern wird das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) nun den Nutzen digitaler Assistenzsysteme im Pflegealltag erforschen. Der „Digitale Engel“ soll die Arbeitskräfte unterstützen, um psychische Fehlbeanspruchung zu vermeiden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Wer in der Pflege arbeitet, ist oft hohen Belastungen ausgesetzt – sowohl körperlich als auch psychisch. Pflegekräfte müssen auf ihre Patienten eingehen, auch auf deren Gefühle. Gleichzeitig müssen sie mit ihren eigenen Emotionen, z.B. gegenüber den Erkrankten oder der Arbeit allgemein umgehen können. Diese Emotionsarbeit kann zu hoher psychischer Belastung, ausgeprägtem Stresserleben, geringer Arbeitszufriedenheit und großer Erschöpfung bis hin zum Burn-out führen.
Um solch hohen Beanspruchungen präventiv begegnen zu können, werden in den kommenden drei Jahren im Projekt „Digitaler Engel“ Assistenzsysteme für die Pflegenden entwickelt, getestet und bewertet. Ähnlich wie ein Assistenzsystem im Auto, das Müdigkeit erkennt, soll der digitale Engel Fehlbeanspruchung erkennen und durch geeignete individuelle Handlungsempfehlungen Pflegekräfte insbesondere bei der Interaktion mit den Patienten gezielt unterstützen. So soll u.a. getestet werden, inwiefern Datenbrillen geeignet sind, um pflegerelevante Informationen zu präsentieren, aber auch Auskunft über die eigene Fehlbeanspruchung und geeignete Gegenmaßnahmen zu geben. Eine Maßnahme wäre beispielsweise sich für eine Kurzpause in einen virtuellen Rückzugsraum zu begeben. Ziel des digitalen Engels ist es, die Arbeit zu erleichtern, die Belastung zu reduzieren und so Burn-out vorzubeugen.

Individuelle Unterstützung
In einem ersten Schritt wird das IfADo mittels Tagebuchstudien und Fragebögen am Pius-Hospital in Oldenburg die Beanspruchung der Pflegekräfte erfassen. So soll ermittelt werden, welche Aspekte auffallend starken Einfluss auf die Gefühlswelt haben und besonders belastend sein können. Dazu gehören beispielsweise Zeitdruck, individuelles Stressempfinden, der persönliche Umgang mit Beanspruchung oder auch die Zusammenarbeit mit Kollegen sowie Vorgesetzten.
Darauf basierend werden Handlungsempfehlungen abgeleitet, die bei der Emotionsarbeit individuell unterstützen sollen. Durch den digitalen Engel sollen diese an die Pflegekräfte situationsspezifisch weitergegeben werden. Dabei wird auch der Patient eine Rolle spielen. Gemeinsam sollen die Pflegekräfte eine Art Stimmungsprofil der Patienten erstellen, das wiederum hilfreich für die adäquate Patienteninteraktion sein wird. Zusätzlich werden begleitende Interventionsmaßnahmen beispielsweise für die Gestaltung der Arbeit, Strategien zur Stressbewältigung oder Schulungen für Führungskräfte entworfen und umgesetzt.

Erhebungen starten Anfang 2020 in Oldenburg
Für die technische Umsetzung ist die Entwicklung drei wesentlicher Elemente geplant: 1) Ein Portal, das alle Daten zusammenführt, dokumentiert und mittels Künstlicher Intelligenz individuelle Handlungsempfehlungen ableitet.
2) Verschiedene körpernahe Sensoren, die direkt vor Ort Daten erfassen.
3) Datenbrillen, die mit dem Portal kommunizieren und auf diese Weise individuelle Handlungsempfehlungen sowie allgemeine Informationen bspw. zum Behandlungsplan oder Patientenstatus geben.
Der digitale Engel wird anschließend vor Ort getestet und zusammen mit den Pflegekräften bewertet – schließlich muss das System anwenderfreundlich und für die Pflegearbeit von Nutzen sein. Die Erhebung am Pius-Hospital startet Anfang 2020. Fünf Kooperationspartner arbeiten gemeinsam am „Digitalen Engel“: das Fraunhofer IML (Projekt-Federführung), das Pius-Hospital, das Fraunhofer ISST, die Firma Ubimax und das IfADo. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über drei Jahre mit rund 2,4 Mio. €.

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