Aus den Kliniken

Erforschung altersbedingter Makuladegeneration

10.02.2020 -

Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist eine chronisch verlaufende Netzhauterkrankung und bei Menschen über 50 Jahren in den westlichen Ländern die häufigste Ursache für schwerste Seheinbußen bis hin zur kompletten Erblindung.

Schätzungen zufolge leiden mindestens sieben Millionen Menschen allein in Deutschland an dieser Erkrankung. Die Behandlungsoptionen sind bisher noch eingeschränkt: Während die feuchte AMD (geographische Atrophie) bis zu einem gewissen Grad behandelt werden kann, gibt es für die trockene (neurovaskuläre) AMD derzeit keine Therapie.

Wissenschaftler um Prof. Simon Clark vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Tübingen haben in Nature Communications die Ergebnisse ihrer Studie publiziert. Ziel der Forschungsarbeit war es, den Einfluss des Proteins Faktor-H (FH) und dem Komplementfaktor H (CFH) assoziierte Gene (CFHR1-5) für die Prädisposition der AMD Erkrankung zu ermitteln und entsprechende Ansatzpunkte für eine pharmakologische Intervention zu finden.

Risikofaktor für die AMD

Seit über 20 Jahren ist bekannt, dass Entzündungsprozesse bei der Entstehung der AMD eine zentrale Rolle spielen. Die Tatsache, dass ein Gendefekt im Protein Faktor-H (FH) ein Risikofaktor für die AMD ist, rückte das Komplementsystem, dem im Immunsystem eine Schlüsselfunktion bei der Auslösung von Entzündungen zukommt, in das Interesse der Forschung. Die Annahme, dass AMD durch eine Störung der Komplementregulierung im Auge verursacht wird, hat die Entwicklung vieler Medikamente zur Komplementhemmung bei der feuchten AMD ausgelöst.
Doch um effektive Medikamente zur Behandlung der AMD entwickeln zu können, muss zunächst verstanden werden, was in der Fein-Regulation des Komplementsystems falsch läuft.

Kontrollverlust im Immunsystem

Die Wissenschaftler aus Tübingen, Manchester, Cardiff, London und Nijmegen gingen daher der Frage nach, ob auch andere Regulatoren des Komplementsystems beim Kontrollverlust im Immunsystem eine Rolle spielen. Ein starker genetischer Risikofaktor für die AMD ist das Protein Faktor-H (FH), das Teil dieser komplexen Kaskade des Immunsystems ist.

Eines dieser Proteine, das Faktor H assoziierte Protein 4 (FHR4), wurde im Blut von AMD-Patienten in erhöhtem Maße gefunden. Im Vergleich zwischen gesunden Personen und Menschen, die unter AMD leiden war das Ergebnis statistisch hochsignifikant. Insgesamt wurden 484 Patienten- und 522 Kontrollproben aus zwei unabhängigen Untersuchungen analysiert. Auch Untersuchungen von Augen, die post-mortem zu Forschungszwecken gespendet worden waren, wiesen das FHR4-Protein in den von AMD-betroffenen Teilen des Auges, in denen die Komplementaktivierung stattfindet, nach. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das FHR4-Protein zum Kontrollverlust des Komplementsystems bei AMD beiträgt.

Cluster auf Chromosom 1

Das Forscherteam untersuchte nun auf genetischer Ebene, ob die gesteigerten FHR4-Mengen eine Ursache oder eine Folgeerscheinung von AMD sind. Alle Gene, die für FH, FHR4 und andere FH-Familien-Mitglieder kodieren, findet man zusammen in einem engen räumlichen Cluster auf Chromosom 1. Erstaunlicherweise offenbarte eine genomweite Assoziationsstudie, dass Varianten in diesem Gencluster die größte Auswirkung auf FHR4-Mengen im Blut haben und diese Varianten sich mit denjenigen stark überlappen, die das gut etablierte genetische Risiko eine AMD zu entwickeln auf Chromosom 1 bestimmen.

Diese, auf Ebene der Proteine und Genen gelieferten Ergebnisse, sind überzeugende Beweise, dass FHR4 ein kritischer Regulator von Komplement im Auge ist. Genetisch höhere FHR4-Mengen im Blut führen zu mehr FHR4 im Auge, welches seinerseits das Risiko einer unkontrollierten Komplementaktivierung erhöht, und damit die Krankheit verstärkt.

„Diese Studie ändert grundlegend unser Verständnis davon, wie die Komplementaktivierung die AMD vorantreibt“, fasst Simon Clark zusammen. „Bisher wurde nur auf die Rolle der FHR-Proteine geschlossen. Die neuen Untersuchungen zeigen aber einen direkten Zusammenhang. Damit kommen wir der Behandlung dieser schweren Augenerkrankung einen greifbaren Schritt näher“.

Neben einem besseren Verständnis, was die AMD verursacht, liefert diese Studie eine Möglichkeit, das Risiko auf Erkrankung an AMD durch Messen der Mengen von FHR4 im Blut zu prognostizieren. Damit eröffnet sich eine neue Möglichkeit der Behandlung: Indem man die FHR4-Mengen im Blut reduziert, um die Komplementkontrolle im Auge wiederherzustellen.

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Universitätsklinikum Tübingen

Hoppe-Seyler-Str. 6
72076 Tübingen

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