KHZG – Digitalisierungsspritze für IT-Infrastruktur
26.03.2021 - Digitalisierung. Manch einem, der dieses Wort liest, wird es so gehen, wie bei dem Wort Corona.
Man möchte es eigentlich nicht mehr lesen oder hören. Aber das geht nicht. Denn die Digitalisierung stellt weiterhin eine der größten Herausforderungen für die Krankenhäuser dar. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) will die Bundesregierung die chronisch unter finanzierten Kliniken und Krankenhäuser dabei unterstützen.
Kluge, gut bezahlte Berater erstellen regelmäßig Studien mit Befunden, die sich oft nur in ihrer Gewichtung unterscheiden. Roland Berger empfiehlt in der Krankenhaus-Studie vom Sommer 2020: „statt mit dem großen Sprung, lieber mit kleinen konsequenten Schritten an(zu)fangen“. Bei was genau? Der „Schließung der richtigen Digitalisierungslücken: Viele Kliniken stehen vor einer Mammutaufgabe, wenn es darum geht, ihr Geschäftsmodell fit für das Digitalzeitalter zu machen. Entmutigen lassen sollten sie sich dadurch nicht.“
Die Konkurrenz von pwc Deutschland veröffentlichte ganze vier Tage nach dem Inkrafttreten des KHZG ein „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ und erklärte darin u.a.: „bislang fehlte den Kliniken der finanzielle Spielraum für Zukunftsprojekte und IT-Infrastruktur. Besonders Krankenhäuser, die als Kritische Infrastrukturen (KRITIS) die hohen Anforderungen des Branchenspezifischen Sicherheitsstandards (B3S) gegenüber dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nachweisen müssen, konnten den Finanzierungsbedarf nicht decken.“
Etwas allgemeiner gehalten – vor dem Hintergrund einer weltweiten Studie, auf die sich die Autoren beziehen – sind die Formulierungen bei Deloitte aus dem Jahr 2017: „Angesichts einer veralteten Infrastruktur in einigen Ländern und der steigenden Nachfrage nach mehr Betten in anderen, sollten Klinikvorstände und Politiker darüber nachdenken, wie ambulante und stationäre Betreuung optimiert und digitale Technologien in traditionelle Krankenhausleistungen integriert werden können, um ein barrierefreies Gesundheitssystem zu schaffen.“
Nachgedacht haben die bundesdeutschen Gesundheitspolitiker im Zuge der Covid-19-Pandemie und haben das KHZG, ergänzend zu den zahlreichen Digitalisierungsgesetzen der Ära Spahn, auf den Weg gebracht. Als Teil des Corona-Konjunkturpaketes der Bundesregierung hat das Gesetz ein Investitionsvolumen von drei Mrd. € (plus maximal 1,3 Mrd. € über die Länder). Zielrichtung ist die Modernisierung der Notfallversorgung von Krankenhäusern, aber eben auch die der IT-Infrastruktur und als konstitutiver Bestandteil aller Maßnahmen die Stärkung der IT-Sicherheit im Krankenhaus.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?
4,3 Mrd. € hört sich im ersten Moment wie eine gewaltige Investition in das deutsche Gesundheitswesen und speziell die Krankenhausinfrastruktur an. Georg Baum, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (dkg) begrüßt die Bereitstellung der Bundesmittel für eine gezielte Förderung der Digitalisierung. Mit den eingeplanten 4,3 Mrd. € aus Bundes- und Landesmitteln würde den Kliniken zum richtigen Zeitpunkt die Möglichkeit eröffnet, durch moderne digitale Infrastruktur Behandlungsprozesse zu optimieren, aber auch die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter zu verbessern.
Zwei Fragen stehen derzeit im Raum: reicht die Summe für die Modernisierung des Gesundheitswesens? Und kommen die Gelder überhaupt bzw. bei den richtigen Projekten an? Das Deutsche Krankenhausinstitut (dki) stellte im Juni 2020 fest, dass die „Unterfinanzierung der Krankenhausinvestitionen zu einem erheblichen Investitionsstau führt. Für die nächsten fünf Jahre beträgt der Investitionsbedarf der deutschen Krankenhäuser rund 7 Mrd. € pro Jahr. Die öffentliche Förderquote durch die Bundesländer lag in den letzten Jahren nur bei 2,7 Mrd. € pro Jahr. Der Investitionsbedarf ist damit um das Zweieinhalbfache höher als aktuell die öffentlichen Fördermittel für Krankenhausinvestitionen.“ Die 4,3 Mrd. € des KHZG muten im Vergleich zu diesem sich in fünf Jahren auf 35 Mrd. € aufhäufenden Bedarf wie ein Tropfen auf den heißen Stein an. Ähnliche Zahlen hatte z.B. auch schon ver.di genannt.
Getreu dem Prinzip „lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“ sind die meisten Verbandsvertreter dennoch froh, dass es zu diesem Gesetz und den darin enthaltenen Fördersummen gekommen ist. Konkret sollen Krankenhäuser Fördergelder beispielsweise für die Einführung von Patientenportalen für ein digitales Aufnahme- und Entlass-Management oder automatisierte klinische Entscheidungsunterstützungssysteme bekommen oder eben für Optimierungen der IT-Sicherheit.
Das KHZG regelt, dass die Gelder über die Länder verteilt werden, die umfangreiche Befugnisse bei der Entscheidung darüber, ob und wie ein Krankenhaus gefördert wird, erhalten haben. So befinden sie über die Ko-Finanzierung: Die Förderung über den Bund erhält ein Projekt nur, wenn das Land oder der Krankenhausträger 30% der Investitionsmittel beisteuert. Den Rest zahlt dann der Bund. Das Gesetz regelt auch ziemlich eindeutig, welche Projekte gefördert werden sollen, eben genau solche, die nachvollziehbar und wohl begründet die Digitalisierung vorantreiben wollen. Damit soll eigentlich eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip – jedes Krankenhaus bekommt je nach Größe eine bestimmte Summe – verhindert werden. Manche Bundesländer wollen (Stand Anfang Februar 2021) die Gelder doch über dieses Prinzip verteilen, so ein Bericht aus dem Handelsblatt: „Mindestens vier Bundesländer planen, ihren Anteil der drei Mrd. € zu kontingentieren: Jedem Krankenhaus im jeweiligen Land wird ein fester Anteil des Geldes abhängig von seiner Größe reserviert. Erst dann müssen die Kliniken ihre Anträge an die Länder stellen.“ Der Geschäftsführer des Bundesverbands Gesundheits-IT hält dies nicht für zielführend, weil „nutzenstiftende und effiziente Digitalisierung von Versorgungsprozessen“ nicht wie gewünscht erreicht würde. Auf Innovation ausgerichtete Häuser dürften nicht durch das Gießkannenprinzip benachteiligt werden.
Hinzu kommen Schwierigkeiten mit den sehr engen Abgabefristen für Anträge, was für manche Krankenhäuser in der durch die Pandemie noch angespannten Situation schwierig einzuhalten sein dürfte. Dennoch hat der enge Zeitrahmen auch Vorteile, weil der das KHZG damit die Verantwortlichen in den Krankenhäusern zur Konzentration auf das Wesentliche zwingt. Bis 31. Dezember müssen die Anträge spätestens beim Bundesamt für Soziale Sicherung abgegeben sein.
Gezielt einzelne Projekte angehen
Krankenhäuser sollten angesichts dieser Situation eine genaue Analyse der dringlichsten Digitalisierungsprojekte in ihrer IT-Infrastruktur erstellen und darauf aufbauend Anträge zum im Rahmen des KHZG stellen. Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands hatte Anfang März im „Entscheider-Event“ mit Führungskräften aus den Krankenhäusern fünf eigene Digitalisierungsthemen ausgewählt. Diese sollen bis zum Herbst von Projektgruppen aus Krankenhäusern, IT-Firmen und Beratungsunternehmen gemeinsam erarbeitet werden.
Angesichts der geballten Fachkenntnis und Expertise können sie Krankenhäusern Hinweise auf wichtige Themen für ihre Digitalisierungsprojekte bzw. Anträge zum KHZG geben. Sie reichen von Single Sign-On zum Vereinfachen der Arbeitsabläufe klinischer Mitarbeiter, über optimale Bettenauslastung und Patientenfluss innerhalb eines Krankenhauses mit Echtzeit-Patientenfluss-Informationen, interoperable Archivierung, Sprachverständnis mithilfe von Künstlicher Intelligenz, bis hin zu Videosprechstunde & Chatfunktion als unabdinglicher Bestandteil der digitalen Patientenaufnahme.
Schritt für Schritt könnte so endlich, das intelligente Krankenhaus Gestalt annehmen, das dank interner Digitalisierung und intersektoraler Vernetzung von Gesundheitsdienstleistern und Patienten, regional und bundesweit die Versorgung der Patienten verbessert, Rationalisierungspotenziale hebt und die Mitarbeiter im Gesundheitswesen spürbar von Verwaltungsaufgaben entlastet.
Arno Laxy, München
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