Aus den Kliniken

Wie Covid-19-Impfungen bei Organtransplantierten die Immunantwort mobilisieren

01.09.2021 - Wenn schwerkranke Menschen ein Spenderorgan erhalten, müssen sie zeitlebens Medikamente einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken. Diese können verhindern, dass eine Impfung die gewünschten Abwehrmechanismen im Körper in Gang setzt.

Immunologie-Professorin Martina Sester und ihr Team haben jetzt trotz der abgeschwächten Immunantwort von Organtransplantierten nachgewiesen, dass die verschiedenen Covid-19-Impfstoffe ihre Immunabwehr auf unterschiedliche Weise mobilisieren und sich dabei ergänzen können. Sie konnten auch zeigen, dass Antikörpertests nicht ausreichen, um die Impfwirkung bei dieser Patientengruppe zu bestimmen, sondern auch die T-Zellen analysiert werden müssen. Ihre Forschungsergebnisse haben sie jetzt im „American Journal of Transplantation“ veröffentlicht.

Für die noch laufende Studie werden insgesamt 400 Personen untersucht. Für die jetzt veröffentlichte Publikation wurden die Daten von den ersten 110 bereits zweifach geimpften Personen ausgewertet. Darunter befinden sich 40 Nieren-, Lungen- und Lebertransplantierte sowie Patienten mit einem Spenderherz, die am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg behandelt werden. Hinzu kommen 70 gesunde Personen, die keine Immunsuppressiva einnehmen. „Organtransplantierte müssen mehrere Medikamente mit verschiedenen immunsuppressiven Wirkprinzipien einnehmen, um eine Abstoßung des Spenderorgans zu verhindern. Bei anderen Autoimmunerkrankungen reicht meist nur ein Medikament aus, aber auch dieses kann die Wirkung einer Impfung schmälern, wie wir aus früheren Studien zu Grippeimpfungen wissen“, sagt Martina Sester, Professorin für Transplantations- und Infektionsimmunologie der Universität des Saarlandes.

Um die Ergebnisse ihrer Studie einordnen zu können, muss man wissen, wie sich der menschliche Körper gegen eine Covid-19-Virusinfektion wehrt und wie er dabei durch eine Impfung unterstützt wird. Gegen Viren, die in den Körper eindringen, werden Antikörper gebildet, die im Blut und an den Schleimhäuten, etwa in der Lunge, wirken. Sie fangen das Virus ab und neutralisieren es, indem sie sich etwa bei Covid-19 an das Spike-Protein binden, das wie eine stachelige Hülle das Virus umgibt. „Sogenannte T-Helferzellen unterstützen den menschlichen Körper unter anderem dabei, dass Antikörper gebildet werden. Bei der Vernichtung der infizierten Zellen kommen zudem die T-Killerzellen ins Spiel. Die Covid-19-Impfstoffe aktivieren diese verschiedenen natürlichen Abwehrmechanismen, jedoch auf unterschiedliche Weise und bei Organtransplantierten mit abgeschwächter Intensität“, erklärt Martina Sester, die mit ihrem Team diese Reaktionen in aufwändigen Labortests untersuchte.

Dabei wurde nicht nur die Bildung der Antikörper erfasst, sondern auch analysiert, wie die unterschiedlichen T-Zellen durch die verschiedenen Impfstoffe angesprochen wurden. Nach Erstimpfung zeigte sich, dass der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer eine stärkere Wirkung auf die Bildung von Antikörpern hat als der Vektorimpfstoff von Astrazeneca. Genau umgekehrt war es bei den T-Zellen, die nach Erstimpfung mit dem Vektorimpfstoffs stärker ausgebildet wurden. Bei den Organtransplantierten konnten nach der ersten Impfdosis nur bei rund fünf Prozent der Patienten Antikörper festgestellt werden, während es in der Kontrollgruppe 80 Prozent waren. T-Zellen hingegen wurden immerhin bei einem Viertel der Organtransplantierten nachgewiesen, bei der Vergleichsgruppe waren es über 80 Prozent.

„Unsere Studie belegt zum einen, dass die Covid-19-Impfstoffe nach der ersten Gabe unterschiedlich wirken. Zum anderen zeigte die Studie, dass reine Antikörpertests nicht ausreichen, um bei immungeschwächten Personen herauszufinden, ob sie einen ausreichenden Impfschutz aufweisen“, erläutert Martina Sester. „Auch nach der zweiten Impfung war der Nachweis einer Impfantwort unter der Berücksichtigung der T-Zellen deutlich besser als bei der alleinigen Analyse von Antikörpern. Antikörper oder T-Zellen waren nach Zweitimpfung bei immerhin 71 Prozent aller Patienten zu beobachten. Da wir sowohl homolog als auch heterolog geimpfte Organempfänger untersuchen konnten, haben wir deutliche Hinweise, dass sich auch bei diesen die Kombination verschiedener Impfstoffe sehr gut ergänzt“, führt sie weiter aus.

Die Immunologie-Professorin und ihr Team hatten kürzlich in einer Publikation in „Nature Medicine“ bereits belegen können, dass bei Immungesunden eine Kombination des Astrazenca-Impfstoffs mit dem Biontech-Wirkstoff eine deutlich stärkere Immunantwort zeigt als eine doppelte Astrazeneca-Impfung. Die Ständige Impfkommission hat dieses Forschungsergebnis bereits aufgegriffen und empfiehlt inzwischen die heterologe Impfung auch für über 60-Jährige. „Wir überprüfen jetzt, ob immungeschwächte Menschen als dritte Impfung eine kombinierte Version bekommen sollten, um ein möglichste breite Immunreaktion des Körpers zu erzeugen“, sagt Martina Sester. Zudem wollen sich die Transplantationszentren in Deutschland vernetzen, um verschiedene Studien miteinander zu verknüpfen. Dabei soll auch untersucht werden, ob diese Erkenntnisse auch anderen gefährdeten Gruppen wie Menschen mit Downsyndrom dazu verhelfen können, einen besseren Impfschutz zu entwickeln.

Die noch laufende Studie mit Organtransplantierten wurde von der saarländischen Staatskanzlei mit rund 80.000 Euro gefördert.

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