Supercomputer im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen
10.11.2021 - Forschende haben eine Strategie entwickelt, um mit Supercomputern der Gefahr von Krankheiten durch antibiotikaresistente Bakterien entgegenzuwirken.
Die Entwicklung von Antibiotika ist einer der bedeutendsten Durchbrüche in der Medizin. Allerdings entwickeln Krankheitserreger Resistenzmechanismen, die die Wirksamkeit von Antibiotika zunichtemachen. Rund 700.000 Menschen sterben jedes Jahr an solchen resistenten Bakterien. Dank Simulationsstrategien können Supercomputer dazu beitragen, die dringend benötigte Entwicklung neuer Antibiotikavarianten zu beschleunigen. Die Rechenprozesse wurden von einem internationalen Team unter der Leitung von Forschern des Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation, kurz RESOLV, umgesetzt. Die Ergebnisse wurden am 16. November in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Science, kurz PNAS, veröffentlicht.
Die beteiligten Forschenden arbeiten an der Ruhr-Universität Bochum (RUB), der Universität Duisburg-Essen (UDE) in Deutschland, der University of Portsmouth, UK, sowie an der University of Queensland in Australien und dem Weizmann Institut in Israel.
Entwicklung neuer Antibiotika schwierig
Die Entwicklung neuer Antibiotika ist besonders schwierig, und seit den 1960er-Jahren sind nur sehr wenige neue Antibiotikaklassen entwickelt worden. In der aktuellen Studie verfolgen die Forscher einen anderen Ansatz. Sie entwickeln keinen völlig neuen Typ, sondern gehen von einem bereits vorhandenen Antibiotikum aus, das sie dann modifizieren. Dazu verwendeten sie eine Strategie, bei der sie mehrere Aspekte der Kandidaten rechnerisch simulierten. Wichtig für die Wirksamkeit ist u.a., wie löslich das Antibiotikum ist, wie gut es die Bakterienmembran durchdringt und wie effizient es die Proteinproduktion der Erreger blockiert. „Durch die Verwendung eines computerbasierten Ansatzes wird die Entwicklung neuer Antibiotikaderivate schneller und billiger", erklärt Prof. Dr. Frank Schulz von RESOLV. „Die Vorhersage, ob eine chemische Verbindung aktiv sein wird, bevor sie synthetisiert wird, vermeidet auch chemische Abfälle."
Kopf-an-Kopf-Rennen
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass oft nicht viel Zeit vergeht, bis die ersten Resistenzen gegenüber einem neuen Antibiotikum entstehen. Es ist also zu erwarten, dass die Bakterien Gegenstrategien gegen die Gegenstrategien der Forscher entwickeln und gegen die neue Antibiotika-Variante resistent werden. „Wir hoffen, mit dieser Studie zeigen zu können, dass die Resistenzmechanismen von Bakterien systematisch mit computergestützten Strategien angegangen werden können, die dazu beitragen, die Entwicklung neuer Antibiotika-Derivate schneller und kostengünstiger zu machen", erklärt Prof. Dr. Elsa Sanchez-Garcia, Leiterin der Gruppe Computational Biochemistry an der UDE und Principal Investigator von RESOLV. „Auf diese Weise kann die Wissenschaft mit der computergestützten Entwicklung neuer Antibiotika immer weiter zurückschlagen."
Vielversprechender Kandidat
Die Ergebnisse der Supercomputerberechnungen wurden experimentell überprüft. In der Studie hat das Forschungsteam nicht nur den computergestützten Simulationsansatz umgesetzt, sondern auch einen neuen vielversprechenden Wirkstoffkandidaten vorgestellt. Der Wirkstoffkandidat, der noch klinisch erprobt werden muss, erwies sich bei den getesteten Bakterienstämmen als bis zu 56-mal aktiver als zwei bekannte Antibiotika, die auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation stehen. Die neue Antibiotikavariante ist nicht nur wirksamer gegen die getesteten Zielorganismen, sondern zeigt auch Aktivität gegen die drei am höchsten eingestuften Bakterien auf der Prioritätenliste der Weltgesundheitsorganisation, gegen die die bisher getesteten Antibiotika nicht wirksam sind. Zusätzlich zu diesem Erfolg wurde eine Bibliothek von Verbindungen mit antibakterieller Aktivität geschaffen, die eine schnellere Iteration bei der Entwicklung weiterer Antibiotikavarianten ermöglicht.
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