Aus den Kliniken

Pankreaskrebs: Zentraler Zellprozess weist Weg zu neuen Therapieoptionen

26.02.2022 - Die Ausbildung von Resistenzen erschwert die Therapie von Krebserkrankungen. Bei einer aggressiven Krebsform der Bauchspeicheldrüse etwa ist der programmierte Zelltod auf bisher unbekannte Weise unterdrückt, sodass Krebszellen unkontrolliert wachsen können. Einem Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es nun gelungen, das Zusammenspiel von Faktoren aufzuklären, die das Überleben dieser Krebszellen ermöglichen. Sie konnten zeigen, dass die Hemmung eines zentralen Proteins das Tumorwachstum einschränkt. Die im Fachjournal PNAS veröffentlichten Erkenntnisse könnten einen neuen Therapieansatz für aggressive Tumoren ermöglichen.

Manche Krebsarten lassen sich besonders schwer behandeln, weil sie sich den verfügbaren Therapien entziehen. Das gilt vor allem für Pankreaskrebs – insbesondere aggressive Unterformen des sogenannten duktalen Adenokarzinoms der Bauchspeicheldrüse (PDAC). Etwa 19.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Pankreaskrebs. Die häufigste Ursache einer Resistenz gegenüber therapeutischen Behandlungen besteht darin, dass der programmierte Zelltod der Krebszellen – die sogenannte Apoptose – unterdrückt ist. Für eine zielgerichtete Behandlung sind deshalb neue Therapiestrategien notwendig. „Wir haben nun einen möglichen Angriffspunkt identifiziert und einen Mechanismus aufklärt, wie sich die Resistenz von Krebszellen umgehen lässt. Auf diese Weise konnten wir einen neuen Weg für die Behandlung der besonders aggressiven Krebserkrankung aufzeigen“, sagt Privatdozent Dr. Matthias Wirth von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Charité Campus Benjamin Franklin.

Das Team an der Charité untersuchte – zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Forschungseinrichtungen in Deutschland, den USA und den Niederlanden – die Abläufe der Apoptose im Detail. Dabei stellten sie fest, dass ein wesentlicher Faktor, das Protein NOXA, bei besonders aggressiven Formen des Pankreaskarzinoms auf bisher unbekannte Weise unterdrückt wird. „Daher verfolgten wir den Ansatz, Kandidaten für mögliche Medikamente zu identifizieren, die das krebslimitierende Potenzial von NOXA freisetzen können. Durch ein unvoreingenommenes Screening zur systematischen Testung von Substanzen in genetisch veränderten Zelllinien konnten wir eine wirksame Substanz identifizieren“, erklärt Privatdozent Dr. Wirth. „Dabei handelte es sich um einen Hemmstoff des Transkriptionsfaktors RUNX1, der beim Pankreaskarzinom üblicherweise in großer Menge vorliegt und mit einer schlechten Prognose einhergeht.“ Die Forschenden führten umfangreiche genomweite Analysen in speziellen Zellmodellen durch, um die Genaktivität zu bestimmen. Auf diese Weise konnten sie belegen, dass der Verlust von RUNX1 die Unterdrückung von NOXA aufhebt – das Protein RUNX1 also die Apoptose verhindert und so tumorfördernd wirkt.

Das Forschungsteam fand zudem heraus, dass die Aktivität des NOXA-Gens durch eine räumliche Interaktion mit einem weiter entferntem DNA-Abschnitt – einem sogenannten nicht-kodierenden regulatorischen Element – gesteuert wird, an dem der Transkriptionsfaktor RUNX1 binden kann. In einer bundesweiten Kooperation gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nachzuweisen, dass auch im Mausmodell sowie in Organoiden – also dreidimensionalen Zellkulturen, die von Krebspatienten oder -patientinnen stammen – die Funktion von RUNX1 blockiert und so die Apoptose in Tumorzellen ausgelöst werden kann. „Unsere Erkenntnisse richten den Fokus also auf wirksame RUNX1-Inhibitoren als eine mögliche neue Option zur Behandlung von Pankreaskrebs“, resümiert Privatdozent Dr. Wirth. „Wir untersuchen nun, inwiefern sich der aufgeklärte Mechanismus auch auf andere Tumorarten übertragen lässt. Im nächsten Schritt werden wir weitere Substanzen testen – insbesondere solche, die bereits klinische Anwendung finden. Auf diese Weise hoffen wir, mögliche Kombinationstherapien aufzudecken, die später in klinischen Studien münden und die Therapieoptionen für Krebserkrankungen erweitern könnten.“

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