Gerontologie- und Geriatrie-Kongress: Preise für bedeutende wissenschaftliche Arbeiten verliehen
23.09.2022 - Vielfach ausgezeichnet wurden jetzt herausragende wissenschaftliche Leistungen in der Alternswissenschaft und Altersmedizin. Im Rahmen des Gemeinschaftskongresses der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) sowie der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) wurden jetzt die bedeutendsten Preise beider Fächer verliehen.
800 Teilnehmende sowie rund 150 Vertreter der Industrie und Sponsoren sind für die Veranstaltung auf dem Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt am Main angereist. „Nach vier Jahren Pause wurden unsere Erwartungen an den Gerontologie- und Geriatrie-Kongress in Präsenz deutlich übertroffen“, sagt DGG-Kongresspräsident Professor Rainer Wirth.
„Sehr viele Kolleginnen und Kollegen sind nach Frankfurt gekommen, um von namhaften Expertinnen sowie Experten unser beider Fachdisziplinen die neuesten Erkenntnisse präsentiert zu bekommen“, ergänzt DGGG-Kongresspräsident Professor Andreas Simm. Bei der Veranstaltung wurde nicht nur der aktuelle Stand der Forschung präsentiert – es wurden auch die wichtigsten Arbeiten hervorgehoben und ausgezeichnet. Die verliehenen Preise sind insgesamt mit 30.000 Euro dotiert und honorieren Arbeiten, die von besonderer Relevanz für die Forschung sowie den klinischen Alltag sind.
Geehrt wurden für ihre herausragenden Forschungsarbeiten (im Bild v. l.): Professor Roland Nau aus Göttingen, Dr. Mathias Schlögl aus Barmelweid in der Schweiz, Marie-Theres Huemer aus München sowie Alina Napetschnig aus Bochum. Verliehen wurden der Ehren- und Förderpreis der Rolf- und Hubertine-Schiffbauer-Stiftung, der Bethesda-Forschungspreis des Wissenschaftsforums Geriatrie, der Förderpreis für interdisziplinäre Altersforschung sowie der Förderpreis der Wilhelm-Woort-Stiftung für Alternsforschung – insgesamt dotiert mit 30.000 Euro. Hier die Preise und Preisträger in der Übersicht zusammengestellt:
Bessere Immunabwehr bei Infektionen: Professor Roland Nau aus Göttingen erhält Schiffbauer-Ehrenpreis
Der mit 6.000 Euro dotierte Ehrenpreis der Rolf-und-Hubertine-Schiffbauer-Stiftung geht in diesem Jahr an Professor Roland Nau, Chefarzt der Geriatrie am Evangelischen Krankenhaus Göttingen-Weende und Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Neuroinfektiologie am Institut für Neuropathologie der Universitätsmedizin Göttingen. Ausgezeichnet wird der Geriater, Neurologe und Infektiologe für seine jahrzehntelange hervorragende Forschungsarbeit. In den vergangenen Jahren konzentrierte er sich dabei vor allem auf die Verbesserung der Immunabwehr älterer Menschen bei Infektionskrankheiten. In Zeiten zunehmender globaler Resistenzentwicklung gegenüber Antibiotika hat seine Arbeit besonders für vulnerable Patientinnen und Patienten in der Altersmedizin hohe Relevanz. Naus Forschungsergebnisse aus fast 40 Jahren sind in aktuell über 270 Publikationen belegt.
„Ich möchte mit meinem Forschungsteam dazu beitragen, das Immunsystem des älteren Menschen so zu stärken, dass es Infektionen überwinden kann, beziehungsweise so stabil ist, dass Infektionen erst gar nicht entstehen“, erklärt Professor Nau. Dafür greift er in seiner Arbeitsgruppe Experimentelle Neuroinfektiologie auf ein breites Methodenspektrum zurück – von In-vitro-Untersuchungen über Tierversuche bis hin zu Untersuchungen an Autopsie-Material. Naus Forschungsteam hat zum Beispiel im Nervenwasser, das das menschliche Gehirn umgibt, Antibiotika-Konzentrationen untersucht und dadurch helfen können, die Therapie von Infektionen im Nervensystem zu verbessern. Ein anderer Forschungsschwerpunkt sind Substanzen, die das Immunsystem stimulieren. „Die Kunst dabei ist, es zu schaffen, dass das stimulierte Immunsystem Infektionen verhindert, indem es Bakterien oder Viren abtötet, aber gleichzeitig keine körpereigenen Zellen schädigt“, erklärt Nau. Eine große Herausforderung sieht er auch in der weltweit rasanten Zunahme von Antibiotika-resistenten Bakterien, die zunehmend auch Deutschland erreichen. „Wir wollen das Immunsystem so stärken, dass Menschen eine Chance haben, auch solche Infektionen zu überstehen.“
Für eine bessere Kommunikation mit älteren Patientinnen und Patienten: Dr. Mathias Schlögl erhält Schiffbauer-Förderpreis
Der mit 3.000 Euro dotierte Förderpreis der Rolf-und-Hubertine-Schiffbauer-Stiftung geht in diesem Jahr an Dr. Mathias Schlögl. Der Geriatrie-Chefarzt der Klinik Barmelweid in der Schweiz hat ein Kommunikationsprotokoll entwickelt, das die Interaktion mit älteren Patientinnen und Patienten, die pandemiebedingt etwa durch medizinische Gesichtsmasken eingeschränkt ist, erleichtern soll. Zusammen mit einem interdisziplinären Expertenteam hat er eine Online-Umfrage entwickelt, die den möglichen Nutzen dieses Protokolls im Pflegealltag sowie die Kommunikationserfahrungen von ärztlichem und Pflegefach-Personal unter Pandemie-Bedingungen abgefragt und ausgewertet hat.
„Die Vorkehrungen des Infektionsschutzes im Rahmen der COVID-19-Pandemie haben die Kommunikation insbesondere mit kognitiv beeinträchtigten älteren Menschen nochmal erschwert. Für Demenzerkrankte zum Beispiel ist das Lesen von nonverbalen Signalen besonders wichtig – und das ist etwa durch die medizinische Gesichtsmaske stark beeinträchtigt. Das von uns entwickelte Kommunikationsprotokoll soll eine wichtige Hilfestellung geben für ärztliches und pflegendes Personal, um mit dieser herausfordernden Situation besser umzugehen“, erklärt Dr. Schlögl.
Neue Proteinmarker für Muskel- und Körperfettmasse entdeckt: Marie-Theres Huemer erhält den Bethesda Forschungspreis des Wissenschaftsforums Geriatrie
Der mit 1.000 Euro dotierte Bethesda Forschungspreis des Wissenschaftsforums Geriatrie (WfG) geht an Marie-Theres Huemer, Doktorandin am Institut für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums München. Ausgezeichnet wurde Huemer für die Beobachtungsstudie „Proteomic profiling of low muscle and high fat mass: a machine learning approach in the KORA S4/FF4 study“. Als Erstautorin analysierte sie zusammen mit ihrem Forschungsteam, welche Proteine im Zusammenhang mit einer geringen Muskelmasse bei gleichzeitig hoher Körperfettmasse bei älteren Menschen stehen. So konnten mehrere neue Proteinmarker identifiziert werden.
Da diese ungünstige Körperzusammensetzung aus geringer Muskelmasse sowie gleichzeitig hoher Körperfettmasse unter anderem mit einem erhöhten Risiko für Multimorbidität und einer eingeschränkten Mobilität einhergeht, hat die Fragestellung hohe Relevanz für die Geriatrie. Mithilfe einer innovativen Messtechnik, der sogenannten Hochdurchsatz-Proteomik, identifizierte das Forschungsteam mehrere neue Proteinmarker. „Diese Forschungsergebnisse bieten Ansätze, um nachteilige Veränderungen der Körperzusammensetzung im Alter besser verstehen und damit langfristig womöglich auch besser diagnostizieren und therapieren zu können“, sagte Privatdozent Dr. Alexander Rösler, Mitglied der Preis-Jury und Chefarzt am Bethesda Krankenhaus Hamburg-Bergedorf.
Förderpreis für Alternsforschung geht an Alina Napetschnig aus Bochum
Der mit 20.000 Euro dotierte Wilhelm-Woort-Preis für Alternsforschung geht an Alina Napetschnig aus Bochum. Ausgezeichnet wird sie für ihre herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der Interdisziplinären Alternswissenschaft und für die Durchführung ihrer Studie zum Thema „Nutzerorientierte Gestaltung und Bewertung von Virtual Reality-Anwendungen für Senioren unter der Berücksichtigung von Akzeptanzkriterien und Nutzungsbarrieren“. Der Preis zeichnet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus, die ein herausragendes Forschungsprojekt oder eine modellhafte Initiative im Bereich der anwendungsorientierten Alternsforschung durchführen.
„In meiner Promotion kombiniere ich das Wissen aus meinem Physiotherapie-Bachelorstudium und meinem Masterstudium in Sport- und Bewegungsgerontologie mit meiner Faszination für innovative Technologien“, erklärt Alina Napetschnig, Promovendin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Sie entwickelt eine Virtual-Reality-Anwendung, mit der Seniorinnen und Senioren das Überqueren einer Straße unter verschiedenen Bedingungen trainieren können. „Das Fördergeld hilft mir dabei, mein Forschungsvorhaben gezielt umzusetzen. Ich kann die VR-Anwendung für die Interventionsstudie nach meinen Vorstellungen entwickeln lassen und Technik beschaffen, die für die Umsetzung relevant ist. Zudem wird mir eine Teilnahme an verschiedenen nationalen und internationalen Kongressen ermöglicht“, so Napetschnig.
Der nächste Kongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) findet vom 14. bis 16. September 2023 auf dem Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt am Main statt.
Kontakt
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V.
Kunibertskloster 11–13
50668 Köln
Deutschland
+49 221/1629-2350